“150 Leute, 35 Grad und 80 % Luftfeuchtigkeit – das macht Spaß!” – Benjamin Esser von Urbanara im Interview

Im Frühjahr dieses Jahres starteten Claire Davidson, Benjamin Esser, Martin von Wenckstern und Zhenwei Zhao Urbanara (www.urbanara.de), eine Onlineplattform für Heimtextilien und Wohnaccessoires. b-to-v Partners, Taishan Invest, Grazia Equity und der ehemaligen studiVZ-Mann […]

Im Frühjahr dieses Jahres starteten Claire Davidson, Benjamin Esser, Martin von Wenckstern und Zhenwei Zhao Urbanara (www.urbanara.de), eine Onlineplattform für Heimtextilien und Wohnaccessoires. b-to-v Partners, Taishan Invest, Grazia Equity und der ehemaligen studiVZ-Mann Michael Brehm statteten das Start-up kürzlich mit einer Finanzspritze in siebenstelliger Höhe aus. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Urbanara-Mitgründer Benjamin Esser, der zuvor bei myfab.com wirkte, über das Entwicklungsland Deutschland, Retourenquoten und Gotland Wolle aus Schweden.

Mit Urbanara verkaufen Sie Heimtextilien und Wohnaccessoires über das Internet. Sind die Deutschen wirklich schon reif für den Kauf von Bettwäsche, Sofakissen und Wolldecken über das Internet?
Aber klar! Warum sollten Sie dafür nicht bereit sein wenn sie schon Produkte in ähnlichen Preis- und Größenordnungen wie Klamotten oder Schuhe online kaufen. Ich geben Ihnen aber Recht, dass Deutschland im Bereich Homeware und besonders im hochqualitativen Bereich im Gegensatz zu unseren skandinavischen oder britischen Nachbarn noch Entwicklungsland ist.

Warum hinkt Deutschland hinterher?
Deutsche schätzen Qualität vor allem bei Autos, Franzosen beim Essen, Italiener bei Kleidung, und Engländer und Skandinaven bei allem rund ums Zuhause. Ich denke es ist in erste Linie eine Mentalitätsfrage – aber diese Einstellungen lassen sich ändern!

Wie soll dies gelingen?
Wir möchten dies besonders durch Transparenz, Qualitätssinn, und Offenheit ändern. Der fehlenden Haptik beim Onlinekauf begegnen wir durch besondere Sprache und toller Darstellung.

Sie haben zuvor bei myfab.com gearbeitet. Wie sehr helfen Ihnen diese Zeit und die Erfahrungen, die Sie dort gesammelt haben, beim Aufbau von Urbanara?
Ohne Myfab wären wir heute sicherlich nicht hier. Die meisten Erfahrungen habe ich dabei im operativen Bereich gesammelt – insbesondere weil der Kern und der Erfolg unseres Made-to-Order-Geschäftsmodels im Verständnis der Beschaffungskette liegt. Unsere Produkte passen von Ihrem Naturell her perfekt auf unser Model, was bei Möbeln meines Erachtens nicht immer der Fall ist. Sicherlich habe ich bei Myfab auch einige Sachen gesehen die ich wahrscheinlich so bei uns nicht noch mal machen würde. Persönlich fand ich die Erfahrung in einem durch und durch französischen Start-up durchaus lustig.

Was war so lustig und was wollen Sie anders machen?
Stellen Sie sich ein Großraumbüro in Shanghai mit 150 Leuten vor, 20 bis 30 Nationalitäten, dazu 35 Grad und 80 % Luftfeuchtigkeit – das macht Spaß! Das Gründerteam von myfab hat Fantastisches geleistet und davor habe ich höchsten Respekt. Über Wachstums- und Produktstrategie kann man verschiedener Auffassung sein aber das hängt auch einfach immer von den jeweiligen Zielen ab.

Wie wollen Sie Urbanara bekannt machen?
In erster Linie vertrauen wir auf unsere Kunden. Mit einer Retourenquote von unter 3 % sind sie unsere besten Botschafter und agieren auch so. Ansonsten machen wir im Online Marketing natürlich unsere Hausaufgaben. Deutschland darf auch auf ein paar außergewöhnliche Marketingkampagnen gespannt sein die ich hier natürlich noch nicht verraten werde.

Eine Retourenquote von unter 3 % wird einige andere E-Commerce-Gründer interessieren. Was ist ihr Geheimnis?
Qualität und Aufklärung.

Klingt vergleichsweise banal!
Ist es auch! Aber die Kunden merken, dass wir die versprochene Qualität auch liefern.

Zum Stichwort Qualität: Woher stammen die Waren, die Sie verkaufen?
Alle unsere Waren stammen von handselektierten Lieferanten und Manufakturen weltweit: Mohair aus Südafrika, Alpaka aus Peru, Gotland Wolle aus Schweden, Leinen aus Tschechien, Baumwolle aus China und Portugal, usw.

Und was meinen Sie mit Aufklärung?
Dem Kunden klarzumachen, was er da eigentlich kauft. Nehmen sie dass Beispiel Bettwäsche: Herkömmliche Handelsbezeichnungen wie Damast, Biber, Batist oder Seersucker sind häufig völlig irreführend und sagen über die Qualität und Herkunft der Materialien oft wenig aus. Wir verbringen im Schnitt ein Drittel unseres Lebens im Bett, daher sollten wir nicht nur wissen mit wem, sondern auch mit was wir es da zu tun haben.

Wenige Monate nach dem Start haben sie bereits einige bekannte Investoren für Urbanara gewinnen können. Nach welchen Kriterien haben Sie diese ausgesucht?
In erster Linie Bauchgefühl hinsichtlich der Menschen selber, ohne das geht es nicht. Operativ und strategisches Mehrwertpotential ist natürlich auch wichtig: Während Taishan uns besonders in China unterstützt, haben wir mit Grazia, b-to-v und Michael Brehm sehr erfahrene und aktive E-commerce Investoren an Board. Zu guter Letzt natürlich Prestige und Netzwerk was besonders hinsichtlich kommender Finanzierungsrunden relevant ist. Schon jetzt sind wir in engem Kontakt mit weiteren europäischen und amerikanischen VCs.

Und wann startet Urbanara in den USA?
Ich bin überzeugt davon, dass unser Konzept auch bei Amerikanern sehr gut ankommen würde – allerdings lassen wir Laura Ashley, Ralph Lauren & Co noch ein bisschen in Ruhe und konzentrieren uns erst einmal auf Europa.

Welche europäischen Länder haben Sie auf der Agenda?
Wir machen kein Geheimnis daraus, dass wir bald nach England gehen. Darüber hinaus stehen für kommendes Jahr Nordeuropa, Frankreich und eventuell ein bis zwei weitere südeuropäische Länder auf dem Programm.

Wie viele Menschen sorgen für den reibungslosen Ablauf bei Urbanara?
Derzeit circa 15 Leute in Berlin und Shanghai. Den Grossteil davon machen unsere Style- und Product-Scouts aus. Allerdings expandieren wir derzeit stark und suchen gerade in den Bereichen Product Scouting, Online Marketing, IT und Shop Management motivierte Praktikanten und Vollzeitkräfte. Schön ist übrigens zu sehen, dass uns fast alle unserer Mitarbeiter aus Hamburg nach Berlin gefolgt sind.

Was sprach für Berlin und was gegen Hamburg?
Kreativität, Inspiration, Preise, Nähe zu Dienstleistern, Human Resources. Eigentlich alles!

Das Gründerteam von Urbanara besteht aus vier Leuten. Wer ist wofür zuständig?
Auf dem Papier kümmert sich Claire um die Produktentwicklung, Kommunikation und Branding. Martin leitet das operative Geschäft in Deutschland, darunter Online Marketing und IT. Zhenwei deckt das globale Sourcing und das Supply Chain Management ab, allerdings wird er gerade ersetzt da er uns aus familiären Gründen verlassen musste. Mein Herz schlägt besonders auf der Produktseite, daher bin ich neben Marketing, Human Resources, Investor Relations und Controlling besonders im Global Sourcing aktiv. In der Realität vermischt sich natürlich vieles und vor allem eint uns die Liebe zu besonderen Produkten und Qualitäten – hier reden all mit.

Und jetzt möchte ich gerne noch ein paar Zahlen hören: Wie hoch ist der Umsatz, den Urbanara knapp 5 Monate nach dem Start erwirtschaftet?
Genaue Angaben geben wir leider nicht raus aber wir wachsen monatlich zwischen 50  bis 150 Prozent.

Wo steht Urbanara in einem Jahr?
Die Frage ist eher wo der Kunde steht. Wir möchten die Deutschen über die nächsten 12 Monate noch viel mehr für das Thema Qualität und Design im Bereich Homeware und Heimtextilien sensibilisieren. Wie bereits erwähnt ist der Kunde in anderen Ländern da weiter. Urbanara möchte jedermann Zugang zu toller Qualität geben – und das zu einem nie zuvor da gewesenen Preis-Leistungs-Verhältnis. In einem Jahr dann übrigens in 4 bis 5 europäischen Ländern sowie mit einem Produktkatalog von gut 500 Produkten.

Zur Person
Benjamin Esser, Jahrgang 1979, gründete gemeinsam mit Claire Davidson, Martin von Wenckstern und Zhenwei Zhao den Online-Shop Urbanara. Zuvor war er Chief Operating Officer und International Business Development Manager bei der Myfab Corporation. Davor war Esser unter anderem als Berater tätig und wirkte bei Baim & Company, CVA und bei Pixelpark.

Artikel zum Thema
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* Bettwäsche und Wolldecken zum Schnäppchenpreis – myfab-Manager starten Urbanara

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.