#Gastbeitrag
In Südostasien boomt der Handel – das können deutsche Startups daraus lernen
Jung, technologieaffin, konsumfreudig – das trifft auf die Bevölkerung in den Wachstumsmärkten Südostasiens zu. Während unser Blick in Deutschland meist noch Richtung USA oder China geht, boomt der (Online-)Handel in vielen Ländern Südostasiens und es werden E-Commerce-Modelle entwickelt, die das dortige Wachstum weiter antreiben. Plattformen wie Shopee, Lazada und TikTok Shop prägen dort bereits die Shopping-Gewohnheiten insbesondere der jungen Generation. Was sich für uns teilweise noch nach Zukunftsmusik anhört, wird allerdings auch hierzulande an Relevanz gewinnen. Deshalb lohnt sich für Startups schon heute der Blick auf Südostasien, um für den Handel von morgen gerüstet zu sein.
Wer genauer hinschaut, kann für Geschäftsmodelle in Deutschland, aber auch für die Expansion in die dynamischen Märkte wie die Philippinen, Malaysia, Vietnam oder Indonesien einige Lektionen mitnehmen.
Die Zukunft liegt im Social Commerce
Der Verkauf von Produkten über soziale Netzwerke (Social Commerce) hat in Südostasien in den letzten Jahren einen massiven Aufschwung erfahren. Plattformen wie Instagram, TikTok und die lokal sehr populäre App LINE werden zunehmend für den direkten Verkauf genutzt, sodass der Übergang zwischen Unterhaltung, Information und dem Produktkauf fließend ist. Besonders TikTok Shop und Livestream-Shopping haben eine große Popularität erreicht – umgerechnet wurden bereits im Jahr 2023 in Südostasien und den USA fast 11 Milliarden Euro über Tiktok Shop umgesetzt, ersten Schätzungen zufolge verdreifachte sich dieser Wert 2024 auf über 31 Milliarden Euro. In Europa steckt diese Entwicklung derzeit noch in den Kinderschuhen, wobei TikTok Shop vermutlich bald auch nach Deutschland kommen wird.
Angetrieben wird Social Commerce in Südostasien durch die junge Bevölkerung und die starke Nutzung mobiler Geräte. In einigen Ländern wie Malaysia, Thailand und Laos nutzen über 25 Prozent der Bevölkerung ausschließlich mobile Geräte, in der Regel das Smartphone. Die Geräte sind fest in den Alltag integriert. Eine ähnliche Entwicklung gibt es auch in Deutschland, wenn auch bisher auf geringerem Niveau.
Was in Südostasien jetzt schon aktuell ist, wird auch bei uns über Kurz oder Lang zum Erfolgsfaktor. Startups aus der Handelsbranche sollten deshalb sicherstellen, dass ihre digitalen Touchpoints, insbesondere die mobilen Verkaufsplattformen, intuitiv und nutzerfreundlich sind. Zudem empfiehlt es sich, die Nutzererfahrung kontinuierlich zu analysieren und anzupassen. Denn in Südostasien haben Marken gezeigt, wie wichtig es ist, den Einkäufer mit maßgeschneiderten Erlebnissen zu binden, die eine hohe Interaktivität und Personalisierung bieten. Auch in Deutschland dürfte Social Commerce – spätestens mit der Einführung des TikTok Shops – zu einem entscheidenden Bestandteil der Marketingstrategie vieler Startups werden.
Schnelligkeit und Vernetzung
Um den Handel Südostasiens zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die zugrundeliegende Infrastruktur. Der Schlüssel liegt hier in der Vernetzung von Online und Offline. Plattformen wie Lazada und Shopee bieten ihren Kunden oft Express-Lieferoptionen und haben zahlreiche regionale Lagerhäuser.
Auch im europäischen Markt erwarten Kund:innen schnelle Lieferungen. Eine Optimierung der Logistiknetzwerke kann deshalb deutschen E-Commerce-Startups einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, ebenso wie lokale Lager und Partnerschaften mit Lieferdiensten in ihren Zielmärkten, um die Lieferzeiten zu optimieren.
Vernetzung entsteht auch dort, wo Silos innerhalb der Unternehmen abgebaut werden. In Südostasien sind sogenannte Superapps wie Grab oder Gojek populär, die von Fahrdiensten über Essenslieferungen bis hin zu Finanzdienstleistungen viele Funktionen bündeln. Aus Konsumentensicht bringt dies einen enormen Convenience-Faktor – der sich für die Unternehmen durch eine starke Kundenbindung auszahlt. Obwohl auch Grab nur mit einem Service, nämlich als Fahrdienstanbieter, gestartet ist, kann es also für deutsche Startups hilfreich sein, diesen weiteren Blick auf den Markt zu behalten und das Unternehmen so aufzubauen, dass weitere Geschäftsgebiete möglichst nahtlos integriert werden können.
Differenzierter Blick auf lokale Märkte
Ein wichtiger Aspekt der Kundenzentrierung besteht darin, die lokalen Märkte und Gegebenheiten zu verstehen und das Angebot darauf zuzuschneiden. Südostasien ist insgesamt betrachtet eine Region, die im wirtschaftlichen Aufschwung begriffen ist. Es ist eine der dynamischsten Regionen der Welt, und vor der Corona-Pandemie wuchsen die dortigen Volkswirtschaften beständig zumeist mit Raten von über fünf Prozent. Inzwischen knüpft die Region daran wieder an, für 2025 wird ein Wachstum von 4,9 Prozent prognostiziert.
Dennoch ist Südostasien wirtschaftlich, demographisch, aber auch sprachlich und kulturell durchaus sehr heterogen aufgestellt. Während beispielsweise das Wirtschaftswachstum in Singapur durch eine hohe Pro-Kopf-Kaufkraft getrieben wird, bieten Märkte wie Indonesien und die Philippinen durch ihre Bevölkerungsgröße und Demographie großes Potenzial.
Gerade für Startups, die von diesem Aufschwung profitieren möchten, ist es deshalb unerlässlich, die lokalen Gegebenheiten zu kennen und zu berücksichtigen. Das bedeutet unter anderem, regionale Trends, Feiertage, spezielle Zahlungsmethoden (wie z. B. mobile Wallets in vielen asiatischen Ländern) und lokale Liefermethoden zu integrieren.
Fazit: Schnelligkeit, Innovation und Convenience
Der Commerce-Boom in Südostasien bietet wertvolle Erkenntnisse für deutsche Startups, die in einem zunehmend globalisierten Markt agieren. Die Region zeigt, wie wichtig es ist, schnell auf Veränderungen zu reagieren, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln und die Bedürfnisse der Nutzer durch maßgeschneiderte Erlebnisse zu erfüllen.
Social Commerce, schnelle Lieferketten und eine enge Vernetzung von Online- und Offline-Angeboten sind dabei Schlüsselstrategien, die auch hierzulande an Relevanz gewinnen werden. Insbesondere die Erkenntnis, dass Wachstumsmärkte unterschiedliche Bedürfnisse und Verhaltensweisen mit sich bringen, sollte als wertvolle Lektion für die zukünftige Expansion dienen.
Über den Autor
Alexander Friedhoff ist Gründer und CEO von etaily, einer Plattform, die internationale Marken mit Konsumenten in Südostasien durch Markenmanagement, digitales Marketing und Vertrieb verbindet. Der Anbieter von Commerce-Lösungen unterstützt internationale Marken wie NIVEA, L’Oréal, Kérastase, MANGO, FILA, Levi’s und Skechers bei der Expansion nach Südostasien. Die Nachfrage ist enorm – mittlerweile verzeichnet das 2020 gegründete Unternehmen einen Umsatz von +$100M ARR und hat bei den führenden asiatischen Family Offices wie Ayala, Gokongwei oder Cheng, sowie SBI (former Softbank) und Pavillon Capital von Temasek Holdings, über 23 Mio. US-Dollar eingesammelt.
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