#Interview

“Jede:r sollte sich klar machen, wo die persönlichen Grenzen sind”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Die Vorstellung, Investor:innen anzusprechen und nach deren Support und natürlich auch Geld zu fragen, war für uns lange Zeit vollkommen fremd", erinnert sich Timo Dries von Galakto.
“Jede:r sollte sich klar machen, wo die persönlichen Grenzen sind”
Freitag, 31. Januar 2025VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Timo Dries, Gründer von Galakto. Das Medien-Startup aus Berlin positioniert sich als “Musik- und Hörspielplayer für Kinder”.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Meinen Tag läutet im Grunde unser jüngstes Kind ein. Das kann manchmal um 5 sein, im Moment meistens eher gegen 6, oder wie heute auch schon mal um 4. Wenn alle Kinder Brotboxen etc. gepackt haben, geht’s für sie los in die Schule und zur Kita. Auf dem Weg wirft mich meine Frau meistens bei der Bahnstation raus. Auf der Fahrt nach Berlin beantworte ich alle Mails und schreibe Briefings, Konzepte und ähnliches vor. Wenn das Wetter schön ist, steige ich 2 Stationen früher aus und laufe zum Büro. Die 15 Minuten an der frischen Luft nutze ich meist zum Telefonieren mit Investor:innen oder Freelancern.  So komme ich mit einem relativ freien Kopf ins Büro und habe Zeit für den Austausch mit dem Team, die in der Zwischenzeit meist schon Neuigkeiten aus der Produktion in China oder von Content-Partnern haben, die wir besprechen müssen.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Ich koche gerne für die Familie. Das entspannt mich am meisten und ich bekomme den Kopf frei. Ansonsten bin ich leider sehr schlecht darin “abzuschalten”. Wenn die ganze Familie Dries irgendwann schläft, nutze ich oft die Ruhe, um Artikel zu lesen, die ich in meinen Notizen gespeichert habe. Ich bin auch sehr schlecht darin, früh schlafen zu gehen. 

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Frank und ich haben seit über einem Jahrzehnt hauptsächlich an digitalen Produkten gearbeitet. Zwischendrin haben wir zwar immer auch hier und da ein physisches Produkt umgesetzt, aber das waren meistens Spaß-Projekte: Kinderhörspiele auf einer recycelten Schallplatte, Skateboards oder Brettspiele. In keiner Weise vergleichbar mit dem, was wir mit Galakto vor hatten. Zudem kamen wir zum ersten Mal an die Stelle, an der wir merkten, wir schaffen es nicht allein. Das war für beide von uns nicht so einfach. Frank und ich kommen aus Familien, in denen wir zur ersten Generation gehören, die studieren konnten. Wir sind es von zuhause aus gewohnt, wenn du etwas erreichen willst, krempel die Ärmel hoch und mach – und zwar selbst. Die Vorstellung, Investor:innen anzusprechen und nach deren Support und natürlich auch Geld zu fragen, war für uns lange Zeit vollkommen fremd. 

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Frank und ich arbeiten bereits viele Jahre zusammen, so konnten wir über die Zeit ein sehr gutes Netzwerk aufbauen. Davon profitieren wir jetzt. Wenn man so wie wir am Anfang steht, brauchen wir ein Team mit besonders hoher Fachkompetenz, Menschen auf die wir uns zu 100% verlassen können und vor allem Kolleg:innen, die auch menschlich zu uns passen und bereit sind den einen oder anderen Stolperstein mit uns zu nehmen, ohne die gute Laune zu verlieren.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Jede:r sollte sich im Vorfeld klar machen, wo die persönlichen Grenzen im Geschäftsleben sind, vor allem wenn es auf Investor:innen Suche geht: Wie weit ist es okay, von meiner Vision abzuweichen? Und unterwegs sollte man sich regelmäßig überprüfen: Bin ich noch auf dem Weg, den ich einschlagen wollte? Für uns war es auch sehr wichtig zu testen, und das auch von Menschen außerhalb des Familien- und Freundeskreises, sodass man nicht im eigenen Tunnel stecken bleibt, und nur weil man selbst in die Idee verliebt ist, nicht vergisst es aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Ohne welches externes Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Ich denke, jedes Tool, das wir nutzen, ist ersetzbar. Die Frage ist, wieviel Spaß es macht, die schlechtere Alternative zu nutzen. Kein SLACK mehr zu haben, würde unser Team wahrscheinlich ziemlich nerven.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Tischtennisplatten, Frühstücksbuffet etc. hatten wir in vorherigen Unternehmen. Als wir jünger waren, fanden wir das auch alles cool. Mittlerweile überwiegen Aspekte wie ein professionelles Umfeld und viel Wertschätzung füreinander. Wir versuchen bei unseren Produkten vieles anders anzugehen. Dadurch entstehen neue und verrückte Ideen – diese Freiheit zu haben, die Gewissheit und Sicherheit, dass man jederzeit eine vermeintlich wahnwitzige Idee und meistens auch umsetzen kann, sorgt für gute Stimmung.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Da gab es im vergangenen Jahr einige. Angefangen von Piraten auf dem Roten Meer, über unverhoffte Sprachnachrichten von Promis, in denen sie uns mitteilen wie sehr ihre Kinder und sie selbst Galakto mögen, inklusive Video-Botschaften mit Tanzeinlagen, bis zu skurrilen Treffen mit potentiellen Investor:innen. Unter all dem gab es aber vermeintliche Kleinigkeiten, an die ich mich am liebsten erinnere. Z.B. hat ein Content-Partner mir eine Anfrage von einem der wichtigsten und größten deutschen Kindermusiker weitergeleitet. Ja, ich spreche von Rolf Zuckowski. An einer Stelle stand: “Kannst du bitte Timo Dries fragen…” The Grandmaster kennt meinen Namen?! Surreal. 

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Tiny Monster, Nadine Stenzel Photography