#Gastbeitrag
So überzeugen KI-Startups erfahrene Business Angels (und den Markt)
Künstliche Intelligenz ist aus der Startup-Szene nicht mehr wegzudenken. Die Technologie boomt und trotz aller Diskussionen darum, ob sie nun Hype oder echte Revolution ist, verzeichnet die Branche seit zwei Jahren Rekordinvestitionen. Ganze 39 Prozent der Startups in Deutschland sehen Künstliche Intelligenz als Kern ihres Produktes. Nicht nur auf dem freien Markt, sondern vor allem auch bei der Investorensuche begibt man sich in ein hochkompetitives Umfeld und konkurriert mit massenhaft anderen Deep Tech- & KI-Startups um Unterstützung, Kapital und Kunden. Um erfahrene Business Angels an Bord zu holen und auch auf dem Markt langfristig erfolgreich zu sein, braucht es also mehr als nur das Wort “KI” im Businessplan. Der Schlüssel liegt im Moat – er ist das wichtigste Kriterium für Investoren und ausschlaggebend, um langfristig gegen Wettbewerber und Copycats bestehen zu können.
Heute State-of the Art, morgen veraltet: Das Risiko der KI-Branche
Der Markt für KI-Startups ist von einer ganz eigenen Komplexität geprägt, die spezifische Herausforderungen mit sich bringt. Kaum eine Branche befindet sich in einem vergleichbar schnellen Wandel: Technologische Sprünge können innerhalb kürzester Zeit den kompletten Markt umkrempeln – was heute noch als innovativ gilt, kann mit einem einzigen Durchbruch überholt sein. KI-Startups haben kaum eine andere Wahl, als sich diesem Risiko auszusetzen – und auch Business Angels und Investoren tragen dieses mit. Prominente Beispiele dafür gibt es reichlich und wir sehen, wie der Wettbewerb Innovation ankurbelt und für Teams und Investoren gleichermaßen das Risiko bringt, schnell überholt zu werden und an Relevanz zu verlieren. Hohe Risiken bedeuten andererseits auch großes Potenzial – und Business Angels stehen immer in einer schwierigen Abwägung dieser beiden Faktoren. Die gute Nachricht: Wer die richtigen Fragen beantwortet, erhöht nicht nur seine Chancen, Business Angels zu überzeugen, sondern verbessert auch seine Chancen auf dem Markt.
Finde die richtigen Investoren – und überzeuge sie
Wer sich schon im Umfeld von KI und Deep-Tech auf Investorensuche begeben hat, kennt die Probleme: Hochtechnologische, erklärungsbedürftige Geschäftsmodelle – noch dazu in einem so dynamischen und risikoreichen Umfeld – sind nicht für jeden Investor etwas. Daher liegt die erste Challenge schon alleine darin, passende potenzielle Investoren zu identifizieren. Das sind solche, die sich ein Investment in einem solchen Umfeld überhaupt zutrauen und deren technologisches Verständnis und Netzwerk so aufgebaut sind, dass sie neben Kapital auch andere Mehrwerte mit einbringen können: wertvolle Kontakte, strategische Expertise und Erfahrung im KI-Umfeld. Um noch präziser zu werden: Teams sollten aktiv nach Wissens- und Netzwerk-Lücken suchen und sich dann konkret an Business Angels wenden, die diese Lücke schließen. Auch aus Sicht eines Business Angels lässt sich bestätigen: Wir suchen häufig nicht unbedingt nur nach Möglichkeiten, unser Geld zu investieren, sondern wollen vor allem auch echte Innovationen pushen, Wissen weitergeben und kreative Lösungen für Probleme finden.
Was zählt, ist der Moat – für Investments und Erfolg auf dem Markt
Für Business Angels gelten bei der Entscheidung über ein Investment in ein KI-Startup keine grundlegend anderen Maßstäbe als bei Investments in allen anderen Branchen. Bei Pre-Seed Startups sind das der Aufbau und die Expertise im Team, das Marktumfeld, die Produktidee und das disruptive Potenzial. Bei KI-Startups werden jedoch oft besonders hohe Bewertungen bezahlt, weil die Potenziale bei Erfolg so groß sind. Daher ergibt sich im KI-Bereich ein zusätzliches, besonders entscheidendes Kriterium: der Moat. Dieser Burggraben gibt eine Indikation, wie sicher ein Produkt vor Nachahmern ist. Als Startup im KI Bereich kann man dem Moat kaum zu große Bedeutung beimessen. Er ist nicht nur eines der zentralen Argumente bei der Suche nach Kapital, sondern die wichtigste Stellschraube, um auf dem hochkompetitiven KI-Markt auch langfristig bestehen zu können.
KI-Startup ist nicht gleich KI-Startup
Dass KI absolut im Trend liegt, haben mittlerweile viele Startups verstanden – und das ist gut so, denn die Technologie bringt für beinahe jeden Potenziale, die genutzt werden sollten! Trotzdem reicht es nicht aus, sich KI als Buzzword nur oft genug auf die Fahne zu schreiben. Wenn beinahe 40 Prozent der Startups von sich sagen, dass Künstliche Intelligenz der Kern ihres Geschäfts ist, heißt das nicht, dass diese alle KI im gleichen Umsatz erfinden oder anwenden – und das meine ich völlig wertfrei. Weil aber auch der Umfang des Einsatzes von KI bestimmt, mit welchen Herausforderungen man konfrontiert ist und wo die individuellen Chancen liegen, sollte man als Startup immer gut einschätzen können, wo man steht.
Startups, die fertige Modelle anwenden: Achtet auf Copycats
Den aktuell größten Anteil an KI-Startups bilden solche, die KI nicht selbst entwickeln. Sie nutzen stattdessen fertige KI-Technologien wie Large Language Models (LLMs) um daraus Produkte oder Dienstleistungen zu erschließen, bieten also beispielsweise eine auf Modellen wie GPT basierende Softwarelösungen an. Es können aber auch Teams sein, deren Geschäftsmodell zwar an sich nichts mit KI zu tun hat, die aber KI nutzen um ihre Effizienz zu erhöhen, Prozesse zu verbessern oder anderweitig Mehrwert zu schaffen.
Weil keine eigene Technologie geschaffen oder weiterentwickelt wurde, ist es für solche Startups besonders schwer, sich durch Patente gegen Wettbewerber abzusichern bzw. durchzusetzen. Daher sollte man sich überlegen, wie attraktiv der Markt für Nachahmer ist und was – auch ohne Patente – der Moat sein kann. Ein kleiner Einblick: Wer sich mit seinem Produkt oder seiner Idee in einem Nischenmarkt bewegt, hat generell weniger zu befürchten. Problematischer wird es auf größeren, vielversprechenden Märkten: Hier suchen verschiedene Player systematisch nach Geschäftsmodellen, die einfach zu kopieren sind – und diese arbeiten häufig unter ganz anderen Voraussetzungen als junge Startups: Mit mehr Manpower, höherem Marketingbudget und mehr Erfahrung können sie aggressiver in den Vertrieb gehen und Wettbewerber schnell vom Markt vertreiben. Das macht ein Invest nicht nur für Business Angels weniger attraktiv, sondern kann auch beim Startup schnell zum Aus führen. In kleineren Märkten sieht das schon anders aus und die Chancen auf ein Investment stehen nicht schlecht. Besonders wenn ein Team KI nutzt, um das eigentliche Geschäftsmodell zu verbessern, kann sich ein gewisser Moat dann beispielsweise auch schon aus der Kenntnis des Marktes oder einem besonders guten Netzwerk ergeben.
Startups, die fertige KI optimieren: Daten und Know-How sind euer Moat
Eine andere Art KI-Startup nutzt ebenfalls fertige KI-Bausteine, trainiert diese aber mit neuen Daten für neue Anwendungen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist ein Team, das ein bestehendes Modell mit eigenen Daten auf die Erkennung von Hautkrankheiten trainiert. Für Business Angels ist das durchaus spannend und auch auf dem Markt stehen die Chancen nicht schlecht, wenn man sich einen Vorsprung verschafft. Das ist z.B. dann der Fall, wenn Teams Zugriff auf wertvolle Trainingsdaten haben, die für Wettbewerber nicht verfügbar oder nur schwer zu beschaffen sind. Wichtig ist dann, genau diese Punkte im Pitch deutlich herauszustellen und diese Vorteile auch auf dem Markt zu nutzen.
Ganz ähnlich sieht es aus, wenn ein Team bestehende KI-Architekturen für spezifische Anwendungen optimiert. Diese Startups entwickeln keine neuen Grundlagenmodelle, fokussieren sich aber auf spezifische Anpassungen, die für bestimmte Branchen oder Anwendungsfälle geeignet sind – wie etwa Recommender Systeme oder Predictive Maintenance. Business Angels schätzen hier vor allem das notwendige technische Know-How des Teams, Modelle effizient und auf hohem Niveau an die Bedürfnisse des Marktes anzupassen. Zuweilen kann solche Technologie auch patentierbar sein, wodurch sich schon ein starker Moat ergibt. Aber auch wenn keine Patente vorliegen oder in Planung sind, kann diese Art Startup Business Angels vor allem mit der im Team vorhandenen Expertise überzeugen und diese auf dem Markt nutzen, um langfristig erfolgreich zu sein.
Startups, die KI weiterentwickeln – Im Wettlauf gegen die Zeit
Ein noch höheres Maß an spezifischem Know How brauchen Startups, die eigenständig Anwendungstechnologie entwickeln. Klassische Beispiele dafür sind Aleph Alpha oder mein eigenes Startup Casablanca.ai. Aleph Alpha hat zwar nicht das LLM entwickelt, dafür aber innovative Erweiterungen, z.B. zur Erklärbarkeit. Casablanca hat nicht die Erzeugung eines 3D-Bilds aus einem 2D-Kamerabild erfunden, aber ein Verfahren, das dies signifikant verbessert. Der Moat ist hier ganz klar die IP in Form einer neuen oder erweiterten Technologie, was in der Regel gut patentierbar ist. Ein schnelles Nachbauen ist für Copycats damit nicht attraktiv. Trotzdem befindet man sich natürlich in Konkurrenz mit anderen Unternehmen, die sich auf einer ähnlichen Innovationsstufe befinden – und damit im Wettlauf um den schnellsten Durchbruch bzw. Go-to-Market, für den viel Zeit und Geld in Forschung und Weiterentwicklung gesteckt werden muss.
Startups, die Grundlagenforschung betreiben: Verpasst nicht den Schritt auf den Markt
Am innovativsten sind solche Startups, die wirklich eigene KI-Technologie entwickeln und Grundlagenforschung betreiben. Ein prominentes Beispiel ist ChatGPT Schöpfer Open AI. Aber auch aus Deutschland kommt Innovation: Die Bildgenerierungstechnologie von Stable Diffusion hat ihre Wurzeln an der LMU München. Entsprechend stammen solche Startups häufig – aber nicht immer – aus der Hochschulforschung, wo sie Zugriff auf wichtige Ressourcen erhalten und eng mit der Forschung verbandelt sind. Der Moat bei solchen KI-Startups ist eindeutig: Massives Know How und jede Menge patentfähige IP treffen aufeinander – die ideale Ausgangslage für Disruption. Trotzdem existieren gerade für solche Startups eine Reihe ganz spezifischer Stolpersteine, vor allem wenn der Ursprung in der Hochschule liegt: Wurde eine Erfindung beispielsweise im Rahmen eines wissenschaftlichen Papers schon veröffentlicht, lässt sie sich nicht mehr patentieren. Es kann außerdem vorkommen, dass die IP der Hochschule und nicht den Forschern gehört. Wagt man den Schritt aus der Hochschulforschung in die Wirtschaft, sind vor allem in der Frühphase noch hohe Invests notwendig, bis aus der theoretischen Forschung auch praktisch anwendbare Geschäftsmodelle werden, die bereit für den Markt und für Nutzer sind. Deshalb müssen Business Angels erst einmal gewillt sein, solches Durchhaltevermögen aufzubringen. Für Angel Investoren sowie das Startup selbst besteht auch die Gefahr, dass in der schnelllebigen KI-Branche andere noch schneller sind, den Durchbruch früher schaffen und man mit einem eigentlich disruptiven Geschäftsmodell selbst disruptiert wird. Damit sind wir hier schon weit vom klassischen Case für Business Angels entfernt. Es hilft daher, ganz gezielt nach Investoren zu suchen, die gewillt sind, früh und langfristig zu investieren – zumindest der starke Moat und die enorm großen Potenziale im Falle des Durchbruchs sind ganz klare Differenzierungsmerkmale.
Den Moat nie aus den Augen verlieren
Unabhängig davon, wie sich KI-Startups in dieses Cluster einordnen lassen, ist der Moat der wahrscheinlich wichtigste strategische Pfeiler. Setzt euch daher so früh wie möglich damit auseinander, wie euer Moat aussehen kann und wo eure spezifischen Fallstricke liegen. Business Angels von sich zu überzeugen ist immer wertvoll und kann eurem Startup einen echten Boost nach vorne bringen. Letztendlich gilt es aber vor allem in der freien Wirtschaft zu überzeugen und sich auch langfristig einen starken Schutzwall gegen all die Wettbewerber auf einem so umkämpften Markt durchzusetzen.
Über den Autor
Carsten Kraus ist KI-Experte, Business Angel, Multi-Unternehmer und Mitglied des Forbes Technology Council. Er ist als Business Angel aktuell in zwölf Startups investiert und hat als Mitglied des Business Angels Deutschland Netzwerk e.V. (BAND) den Frequent Angels Circle für sehr erfahrene Business Angels gegründet. Als KI-Experte setzt er sich dafür ein, dass Europa in Sachen Künstlicher Intelligenz nicht abgehängt wird. Zudem ist er davon überzeugt, dass neue Technologien Wert für Unternehmen und Menschen zugleich stiften.
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