#Gastbeitrag

So unterscheiden sich das deutsche und nordische Startup-Ökosystem

Carsten Salling ist General Partner beim dänischen VC Dreamcraft Ventures. Für Deutsche Startups zieht er exklusiv einen Vergleich der deutschen und nordischen VC- und Startup-Ökosysteme – und zeigt auf, was Deutschland von den Nordics lernen kann. 
So unterscheiden sich das deutsche und nordische Startup-Ökosystem
Donnerstag, 31. Oktober 2024VonTeam

Als Venture Capitalist aus Dänemark habe ich in den letzten Jahren umfassende Einblicke in die Dynamik zwischen dem deutschen und dem nordischen Startup-Ökosystem bekommen. Beide Regionen bieten einzigartige Vorteile und stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen. 

Das Startup-Ökosystem in Deutschland – Europas größter Volkswirtschaft – hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark entwickelt, angetrieben durch eine bessere Regulierung, Zugang zu Kapital und eine akademische Infrastruktur, die Unternehmertum fördert. In den nordischen Ländern hingegen sehen wir weiterhin ein sehr starkes Engagement seitens LPs für Technologie, Innovation und zunehmend dynamische Tech-Hubs in und außerhalb der Hauptstädte wie Stockholm, Kopenhagen und Helsinki.

Auch wenn Größe und Entwicklungsstand der Ökosysteme noch recht unterschiedlich sind – ich sehe viele Synergien und Verbindungen. 

Viel Kapital für Innovation und Unternehmertum in den nordischen Ländern 

Die nordischen Länder – Finnland, Schweden und Dänemark – sind traditionell für ihr großes Engagement bei Investments für Innovationen und Entrepreneurship bekannt, d.h. ein großer Prozentsatz des BIP fließt in Private Equity und Venture Capital Investitionen: Die nordischen Länder investieren zwischen 0,76 % und 0,83 % ihres BIP in Startup-Unternehmen. Dies zeugt von einem starken Engagement für die Förderung von Innovationen und die Unterstützung von Gründern.

Seit vielen Jahren unterstützen die nordischen Staatsfonds das Startup-Ökosystem intensiv; Fonds wie EIFO, Sam Invest/Ami und Investinor sind Katalysatoren für ihre jeweiligen Ökosysteme. Hingegen werden in Deutschland nur 0,31 % des BIP für Startup-Investitionen ausgegeben. Damit liegt Deutschland nicht nur unter den nordischen Investitionsquoten, sondern auch unterhalb des europäischen Durchschnitts von 0,46 %. 

Auf der anderen Seite gibt es in Deutschland mehr Wachstumskapital für Startups und Scale-ups. 

Deutsche Startups sind Vorreiter im B2B-Bereich / Digitalisierung des Mittelstandes 

Das Deutsche Ökosystem ist besonders stark im Bereich Vertical SaaS – nicht zuletzt sicherlich, weil Deutschland im Bereich Mittelstand und Industrie sehr stark aufgestellt ist. Darüber hinaus sehen wir in Deutschland geraden einen starken Aufschwung bei KI-basierten Startups, insbesondere im B2B-Sektor. Dieser Trend macht den Standort Deutschland für uns als Investor immer attraktiver. Die größte Chance für Innovation und Wachstum in Deutschland wird in meinen Augen die Digitalisierung des deutschen Mittelstands sein.

Zudem gibt es in meinen Augen großes Potential für technische Startups und Universitäts Ausgründungen. Deutschlands zahlreiche Universitäten und Forschungseinrichtungen schaffen eine starke Bildungslandschaft, allen voran technische Universitäten wie die TU München, das Karlsruher Institut für Technologie und die RWTH Aachen. Viele Studenten gründen während ihres Studiums ihr erstes Unternehmen. Die Hälfte aller Startups in Deutschland wird derzeit von ihren Hochschulen bei der Gründung unterstützt. 

Wir freuen uns darauf, mit deutschen Unternehmern und Investoren zusammenzuarbeiten, um den Mittelstand in Deutschland – und darüber hinaus – zu digitalisieren.

Nordische Startups – global ausgerichtet seit Tag 1

Die internationale Ausrichtung von Startups in den nordischen Ländern, insbesondere in Dänemark, ist ein Alleinstellungsmerkmal für die Entwicklung und Skalierung von Startups. Skandinavische Startups sind vom ersten Tag an global ausgerichtet, was es ihnen ermöglicht, auf weltweiten Märkten zu agieren und zu wachsen. Diese globale Denkweise wird durch ein hohes Maß an Innovation und eine positive Haltung gegenüber Startups im nordischen Raum verstärkt. 

Zusätzlich unterstützen die Regierungen der nordischen Länder Startups aktiv durch viele Programme und Initiativen, was die Rahmenbedingungen für ihren Erfolg weiter verbessert. Die enge Vernetzung innerhalb der nordischen Startup-Szene erleichtert zudem den Zugang zu Wissen, Ressourcen und potenziellen Partnern, was die internationale Expansion von Unternehmen effektiv unterstützt.

Während das deutsche Startup-Ökosystem dem Nordischen sicherlich ein Jahrzehnt voraus ist – und hauptsächlich organisch mit Ökosystemen um Rocket Internet, Zalando und dergleichen wuchs, verfügt Dänemark mit rund 20.000 Startups pro Jahr über eine der dynamischsten Startup-Szenen in Europa. Die Szene konzentriert sich zwar weitgehend auf Kopenhagen, wo etwa 40 % dieser Unternehmen angesiedelt sind, aber auch in der Stadt Aarhus entstehen interessante Unternehmen, was dem dänischen Ökosystem eine weitere Dimension verleiht. In den nordischen Ländern sind Fintech (z. B. Klarna, Pleo) und digitale Unterhaltung (z. B. Supercell, King) traditionell stark vertreten.

Brücken bauen, oder: Was wir voneinander lernen können

Als dänischer VC, der in den nordischen Ländern und in Europa investiert und viel Zeit in Deutschland verbracht hat, denke ich, dass wir uns stärker zwischen den Ökosystemen vernetzen sollten: Mehr Austausch, gegenseitige Besuche – bei Konferenzen und Events – und darüber hinaus natürlich auch mehr gemeinsame Investitionen. 

Ich sehe viele Möglichkeiten für mehr Co-Investments und  mehr Zusammenarbeit – zwischen VCs und Gründern, und nicht zuletzt zwischen LPs. Es wäre schön, wenn sich auch die LPs stärker vernetzen würden, denn sowohl das nordische als auch das deutsche Ökosystem haben starke, sich ergänzende Assets.

Wir lernen viel von deutschen Gründer:innen und -Investor:innen – wir freuen uns darauf, ihr Partner zu sein, wenn es darum geht, den Weg in die nordischen Märkte zu ebnen. Besonders begeistert sind wir vor allem darüber, was wir in den Bereichen B2B, Vertical Saas, Fintech, DevOps, Industrie 4.0 und Manufacturing, Logistics sehen und was die Zukunft hier zu bieten hat. 

Über den Autor
Carsten Salling ist General Partner bei Dreamcraft Ventures. Vor seiner Zeit bei Dreamcraft war Carsten in Führungspositionen bei der dänischen Armee und bei Maersk (ein globales Schifffahrts- und Logistikunternehmen) tätig – und hat umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Innovation und BizDev. Carsten ist Absolvent der Danish Army Officers Academy und der Copenhagen Business School.

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Foto (oben): Shutterstock