#Gastbeitrag

Kapitalmärkte in Aufruhr: Finanzierungsrunden und Exits unter Druck

Wie die aktuellen Schwankungen an den Kapitalmärkten und ausbleibende Tech-Börsengänge Finanzierungsrunden und Exits in der deutschen Startup-Szene beeinflussen könnten, analysiert Julian Riedlbauer, Partner bei der Tech-Investmentbank Drake Star, in diesem Gastbeitrag. 
Kapitalmärkte in Aufruhr: Finanzierungsrunden und Exits unter Druck
Montag, 12. August 2024VonTeam

An den Börsen weltweit gab es in den vergangenen Tagen eine bemerkenswerte Berg- und Talfahrt zu beobachten. Gleich mehrere Indizes in den USA verzeichneten schlagartige, starke Verluste – darunter der Leitindex Dow Jones, der S&P 500 und der technologielastige Nasdaq. Auch der japanische Nikkei erlebte diese Woche seinen größten Absturz seit den 1980er Jahren, direkt gefolgt von einem steilen Rebound. Der DAX erreichte zeitweise den tiefsten Stand seit Februar, viele Marktteilnehmer zeigten sich verunsichert, so dass eine breite Erholung weniger zügig stattzufinden scheint. 

Für die Startup-Szene ist in diesem Kontext natürlich interessant, welche Auswirkungen die aktuellen Marktentwicklungen an den Börsen auf Finanzierungsrunden und Verkäufe an Private Equity-Investoren bzw. strategische Käufer haben?

Grundsätzlich gilt, dass die privaten Märkte gemäß mehrerer Studien und Datenpunkten der Vergangenheit meist mit einem Zeitversatz von mehreren Monaten oder sogar Quartalen auf die Entwicklungen an den Börsen reagieren. Entscheidend ist dabei auch, ob es kurzfristige Rücksetzer sind und die Märkte sich zügig wieder erholen, oder ob es der Beginn einer längeren Abwärtsperiode ist. Gerade in den privaten Märkten spielen die Stimmung und damit einhergehend das Vertrauen der Anleger aufgrund der geringeren Liquidität, der geringeren Transparenz und der konzentrierten Macht in den Händen relativ weniger Fonds-Manager eine noch größere Rolle als bei börsennotierten Firmen. 

Spätphasige Transaktionen orientieren sich stärker am aktuellen Börsengeschehen. Denn: Je später die Finanzierungsrunde, desto näher am Exit ist die jeweilige Firma und dementsprechend schauen Investoren stärker auf die Bewertungen der börsennotierten Vergleichsgruppe, da diese die Kalkulationsbasis für einen möglichen Exit durch einen IPO oder Unternehmensverkauf bilden. Für frühe Finanzierungsrunden ist der Einfluss der Kapitalmärkte nach dieser Logik geringer, auch wenn eine insgesamt steigende Unsicherheit zu noch vorsichtigerem Handeln der Frühphaseninvestoren führt. Damit einher gehen härtere Finanzierungsbedingungen für Unternehmer, inklusive kleinerer Finanzierungsrunden, Down-Rounds, mehr Corporate Governance und allgemein härtere Bedingungen für die Kapitalbeschaffung. Auch ist dann zu erwarten, dass Investoren ihre bestehenden Portfoliounternehmen noch genauer unter die Lupe nehmen, auch fortlaufend, und auf schnelle Rentabilität drängen. 

Einen indirekten Einfluss haben die Geschehnisse auf LP-Investoren hinter Venture Fonds, weil eine unsichere oder gar negative Sicht auf den Markt dazu führt, dass weniger Kapital in die Fonds selbst investiert wird. Zusätzlich fließt weniger Geld zurück in die Töpfe, wenn die Zahl der Börsengänge und Exits sinkt. Dadurch verlangsamen sich die Kreisläufe insgesamt. Einem Bericht der Financial Times zufolge, der auf Daten von PitchBook und der National Venture Capital Association basiert, erreichte das eigene Fundraising der VCs in den USA 2023 ein Sechs-Jahres-Tief mit 67 Milliarden Dollar; der niedrigste Wert seit 2017 und ein Rückgang von 60 Prozent gegenüber den 173 Milliarden Dollar aus dem besonders starken Jahr 2022. 

Momentan ist es noch zu früh, um die Konsequenzen als Ganzes zu beurteilen – wie beschrieben ist das Auf und Ab innerhalb weniger Tage passiert. Kurzfristig dürften die Auswirkungen der Turbulenzen begrenzt sein, denn die PE- und Growth-Investoren sind seit dem Anstieg der Inflation grundsätzlich sehr selektiv geworden in Bezug auf ihre neuen Investments. Gut geführte Unternehmen mit starken KPIs setzen sich dennoch in allen Marktphasen durch. Das sehen wir bei Drake Star auch bei den Transaktionen, die wir begleiten: Um attraktive und kapitaleffiziente B2B-Software-Firmen entstehen nach wie vor Bieterwettbewerbe mit 10 oder mehr interessierten Parteien, die sich teilweise gegenseitig hochbieten. Auch ESG-/CleanTech- und AI-Firmen sind weiterhin sehr beliebt.

Historische Analysen haben übrigens gezeigt, dass der Private Equity Sektor während Wirtschaftsabschwüngen einen vergleichsweise geringen Rückgang und eine schnellere Erholung erlebte als die öffentlichen Märkte. Die Investoren erhöhen dafür teilweise die Haltedauer, um erst später, in einer Phase mit höheren Bewertungen, ihre Portfolio-Firmen zu verkaufen: Laut der Private Equity Datenbank Gain.pro verblieben mehr als die Hälfte der Assets, die 2023 und in der ersten Jahreshälfte 2024 aus Portfolios verkauft wurden, zuvor länger als 5 Jahre im Portfolio. Die durchschnittliche Haltedauer ist mit 5,8 Jahren so hoch wie nie zuvor und deutlich höher als noch 2020 mit 4,9 Jahren. 

Ob und wie langfristig die aktuellen Schwankungen und ihre Folgen ausfallen, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen.  

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Foto (oben): Shutterstock