#Gastbeitrag
Wie Startups trotz Fundraising-Krise Kapital einsammeln können
Es hat sich eingeregnet – das gilt aktuell nicht nur für das vielerorts herbstliche Wetter, sondern auch für das Thema Startup-Finanzierung. Zwar scheint der freie Fall, in dem sich das Ökosystem seit Beginn des russischen Angriffskrieges befand, beendet und die Talsohle allmählich durchschritten, doch insgesamt verharrt die Startup-Finanzierung auf niedrigem Niveau. So haben Startups in Europa in den ersten drei Quartalen 2023 nur 43,6 Milliarden Euro eingesammelt – satte 50 % weniger als im Vorjahresvergleich.
AI- und Cleantech-Startups als Lichtblicke
Erste zarte Lichtblicke zeichnen sich dennoch ab: So ist nicht nur das Fundingvolumen in Europa im dritten Quartal leicht gewachsen, sondern auch Europas Anteil am globalen Wagniskapital hat zugenommen. Ein wirklicher Turnaround ist in naher Zukunft indes nicht zu erwarten, da das weiterhin hohe Zins- und Inflationsniveau, eine schwache Konjunktur und geopolitische Unwägbarkeiten schlicht zu dominant sind – und wohl auf absehbare Zeit auch bleiben werden. Sieht man von den Wachstumsmärkten AI und Cleantech ab, die der gegenwärtigen Finanzierungskrise weitgehend trotzen, wie etwa die dreistelligen Millionen-Runden von Aleph Alpha und Enpal zeigen, bleiben die Aussichten für die Startup-Finanzierung auch für 2024 insgesamt eher grau und wolkig.
VCs mit Schwierigkeiten beim Fundraising
Auch Venture-Capital-Fonds tun sich zunehmend schwer, frisches Kapital einzusammeln – viel spricht dafür, dass europäische wie amerikanische VCs in 2023 so wenig Geld einsammeln werden wie seit Jahren nicht mehr. Einer der wichtigsten Gründe hierfür: Die Anzahl und die Größe der Exits von VC-finanzierten Start-ups ist zuletzt abgesackt, das kurze IPO-Fenster scheint bereits wieder geschlossen, sodass es für Wagniskapitalgeber deutlich schwieriger wird ihre Renditeversprechen zu erfüllen und sich zu refinanzieren. Bestätigt sich das magere Fundraising auf VC-Seite in den kommenden Monaten, könnte die Sauregurkenzeit für Startups auch über 2024 hinaus anhalten.
Early-Stage-Startups unter Druck – Zahl der Insolvenzen steigt
Die Auswirkungen der Fundraising-Dürre erstrecken sich dabei zunehmend auf das gesamte Startup-Ökosystem: Waren am Anfang der Krise vor allem hoch bewertete Later-Stage-Startups betroffen, die zähneknirschend Downrounds zeichnen mussten, um nicht vollends unter die Räder zu kommen, leiden 2023 auch Early-Stage-Startups immer stärker unter der fortwährenden Investitionszurückhaltung. Die Erklärungen dafür sind naheliegend: Viele VCs bedienen im Zweifel zunächst Nachschussbedarfe in ihrem eigenen Portfolio, bevor sie neue Wetten eingehen. Zudem werden die durchschnittlichen Ticket-Sizes kleiner und die Runways entsprechend kürzer – ein Aspekt, der nach den Übertreibungen des letzten Hypes zwar als Gesundung gewertet werden darf, vielen Gründer:innen aktuell aber dennoch das Leben schwer macht. So wundert es nicht, dass es in Deutschland aktuell fast jeden Tag eine Startup-Insolvenz zu vermelden gibt – deutlich mehr als im Vorjahr.
Der Wettbewerb um Kapital wird rauer
Angesichts der rauen Bedingungen kehren Gründer:innen der Wagniskapitalfinanzierung vermehrt den Rücken zu: So wollen laut aktuellem Startup Monitor nur 35 % der deutschen Startups Venture Capital einsammeln – 9 % weniger als noch im Vorjahr. Klar ist: Wer allen Widerständen zum Trotz erfolgreich Kapital einsammeln will, der:die wird sich strecken müssen. Strenge Kostendisziplin, schlanke Operations, klarer Fokus auf Umsatzgenerierung und ein erkennbarer Pfad Richtung Profitabilität sind nicht nur überlebenswichtig in der Krise, sondern neben einem attraktiven Markt und einem fähigen Team auch Grundbedingung für erfolgreiche Finanzierungsrunden. Denn anders als im letzten Hype müssen sich Startups tatsächlich wieder bei Venture-Capital-Fonds um Kapital bewerben – und nicht andersherum. Entsprechend wird neben starken Fundamentals auch kluges Netzwerken und überzeugendes Equity Storytelling, das Investor:innen analytisch wie emotional packt, in 2024 an Bedeutung gewinnen und nicht selten das Zünglein an der Waage darstellen, wenn Startups mit ihren Peers um knappe Mittel buhlen.
Über den Autor
Nils Langhans ist Gründer und Geschäftsführer der Strategieberatung KAUFMANN / LANGHANS. Er berät Unternehmen in den Bereichen Strategy Making, Business Model Design und Equity Storytelling und hat Start-ups aus unterschiedlichen Industrien von der Pre-Seed-Finanzierung bis zum IPO bei der Entwicklung ihrer Equity Story unterstützt.
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