#Interview

“Office- als auch Remote-Kultur zu bespielen, bedeutet viel Arbeit”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Um 8:30 Uhr startet unser Gründerteam dann mit dem “Stand-up” - meistens allerdings im Sitzen. Wir besprechen hier die wichtigsten und dringendsten Themen für den Tag", erzählt Helen Tacke, Gründerin von Cozero.
“Office- als auch Remote-Kultur zu bespielen, bedeutet viel Arbeit”
Dienstag, 22. August 2023VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Helen Tacke, Gründerin von Cozero. Das Berliner Startup entwickelt eine Software, die es Unternehmen ermöglicht, “auf Basis datengestützter Prozesse und Analysen die Dekarbonisierung voranzutreiben.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ich starte gerne recht früh: Zwischen 6 und 7 Uhr, mit guter Laune und voller Energie. Eine kalte Dusche – nach der Warmen -, Deutschlandfunk Nova, ein leckerer Cappuccino – guten Kaffee habe ich durch meine Zeit bei Coffee Circle lieben gelernt – und der Tag kann kommen. Dann geht es ins Berliner Büro, in den “Maschinenraum”. Dort sitzen wir seit circa drei Jahren. Um 8:30 Uhr startet unser Gründerteam dann mit dem “Stand-up” – meistens allerdings im Sitzen. Wir besprechen hier die wichtigsten und dringendsten Themen für den Tag.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Zunächst einmal ist Cozero keine Arbeit für mich, sondern eine Mission, die ich jeden Tag mit voller Energie verfolge. Cozero erfüllt mich und dafür bin ich jeden Tag dankbar. Ich glaube, alle Menschen in meinem Arbeitsumfeld spüren das und lassen sich gerne davon anstecken. Jetzt zum Thema Abschalten. Was heißt das eigentlich genau? Für mich heißt es, neue Energie tanken und mich ein wenig treiben lassen. Das geht am besten am Wochenende, wenn ich Zeit mit meinen engsten Freunden verbringe. Dann kann ich mich in Sekunden komplett auf privat stellen. Auch beim Sport kann ich sehr gut Energie tanken. Donnerstagabends trainiere ich zusammen mit meinem Movement-Coach Karimu, sowohl meinen ganzen Körper als auch meinen mentalen Fokus.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Da ich viele Situationen erstmal durchleben musste, ist die Frage schwierig zu beantworten. Uns hätte es auf jeden Fall geholfen, zu wissen, wie man ein hybrides und internationales Team aufbaut. Die Komplexität von länderspezifischen Arbeitsrechten, genauer gesagt Employer-of-Record-Modellen, ist eine echte Challenge! Auch die Anforderung, sowohl Office- als auch Remote-Kultur gleichzeitig zu bespielen, bedeutet viel Arbeit und nötige Lerneffekte.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Die erste Hürde war die Anfangsphase von Cozero, denn sie war von einem familiären Notfall geprägt. Da ändern sich die Prioritäten ganz schnell. Wir wussten nicht, ob wir weitermachen können und überhaupt wollen. Die bisher größte und schwierigste Aufgabe aber war es, uns als Gründerteam zu finden. Fabian und ich kennen uns schon seit unserer Zeit an der Handelshochschule Leipzig. Als die Idee um Cozero ernster wurde, begann die Suche nach einem CTO. Wir haben unser Netzwerk angezapft, wo wir nur konnten. Aber die Suche war extrem schwierig. Dann endlich – nach einem wirklich langen Prozess – hatten wir die passende Person gefunden. Doch als es ernst wurde, der Schock: die Person sprang in letzter Minute ab! Das war wirklich bitter und die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle. Doch wo die eine Tür zufällt, geht eine andere auf. Über diese Person haben wir Tiago, unseren heutigen Mitgründer und CTO, kennengelernt – was sich in der Folge als das größte Glück herausstellen sollte.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Gerade zu Beginn habe ich zu sehr versucht, Cozero und unser Team zu schützen. Deshalb habe ich nicht immer Klartext geredet, gerade bei Veränderungen, sei es durch unser Team oder Kunden. Dadurch kam es manchmal zu Verwirrungen. Ich habe für mich gelernt: Transparenz ist das Allerwichtigste. Jetzt versuche ich, das Team immer direkt und ganz offen mit einzubinden. Wenn uns beispielsweise ein Teammitglied verlässt oder wir unzufrieden mit gewissen Entwicklungen sind, aber natürlich auch bei positiven Nachrichten. Transparenz ist in unserer Kommunikation Key.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Ein gut strukturierter Recruiting-Prozess bildet das Rahmenwerk dafür. Man braucht eine genaue Vorstellung darüber, welche Funktion im Unternehmen besetzt wird und was eine Person dafür mitbringen muss – welche Fähigkeiten, welche Erfahrungen braucht sie? Aber vor allem welche Werte muss diese Person haben, um perfekt zum Unternehmen zu passen? Der Fit muss beidseitig gegeben sein: Wir können weder die Person noch uns als Firma in etwas reinzwängen oder zu große Kompromisse eingehen – eine solche Beziehung ist zum Scheitern verurteilt. Deswegen ist es auch sehr wichtig, die Erwartungshaltung von beiden Seiten klar zu machen. Unser Recruiting Prozess beinhaltet Interviews, die mit allen drei Gründern – ja, immer noch – geführt werden. Unsere Fragen sind geprägt und aufgestellt nach unseren Werten. Falls wir selbst keine ausreichende Expertise haben, um innerhalb unserer Case Study Fähigkeiten zu vertesten, beziehen wir Experten aus unserem Advisor-Netzwerk mit ein. Eine Position im Startup ist anspruchsvoll und wir gehen alle täglich über uns hinaus, deswegen ist ein Growth Mindset für uns eine super wichtige Grundvoraussetzung für alle Rollen.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Trage deine Kunden, dein Team und deine Investoren auf Händen. Steuere das Unternehmen und die Entwicklung so gut es geht, von Anfang an mit den richtigen KPIs. Es gibt so viele schwierige Situationen: “Flip it” – löse das Problem und nutze die Chance, die dahinter steckt! Investiere Zeit für das beste Vertrauensverhältnis im Gründerteam. Schlafe immer noch einmal über knifflige Themen oder schwierige Entscheidungen. Kompromisslose Priorisierung von Themen und Terminen! Verliere nicht den Blick fürs Wesentliche und behalte stets eine gesunde Balance aus Wachstum, finanzieller Unabhängigkeit und Stabilität – selbst in Zeiten einfacher Kapitalverfügbarkeit. Keep an eye on your burn, no cluster risk with your clients.

Ohne welches externe Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
“Communication is king” und in unserer Welt läuft diese über Slack. Wir sind ein hybrides Team, mit viel Interaktion zwischen den verschiedenen Teams. Für gute Absprachen, Feiern von Erfolgen, Dokumentation von Updates, Nachvollziehbarkeit von Problemlösungen und vieles mehr – Slack ist für uns ein essentielles Tool.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Jeder von uns bringt ganz individuell eine gute Stimmung ins Team. Wir schaffen uns gemeinsam auch immer wieder kleine bis große Highlights und kommen halbjährlich als ganzes Team für Events zusammen. Jede Woche bieten wir auch Atemübungen mit Coach Lily oder virtuelle Spieleabende an. Wir wollen einfach viel Kommunikation und Interaktion fördern.
In unserem wöchentlichen “Compass Meeting” besprechen wir unter anderem High- und Lowlights, es gibt Deep Dives zu bestimmten Themen und wir teilen unsere Founder Learnings der Woche. In Slack feiern wir unsere Erfolge im “win channel” und sagen auch einfach mal Danke für großartige Teamleistungen. Ohne die wunderbaren Menschen bei uns würde es nämlich ganz bestimmt nicht funktionieren.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Cozero