#Interview
“Man muss kreativ werden, um als unbekanntes Startup die richtigen Leute zu finden”
Das Münchner FinTech finway, das 2020 von Csaba Krümmer, Jennifer Dussileck und Philipp Rieger gegründet wurde, positioniert sich irgendwo zwischen Software für Finanzbuchhaltung und Kreditkartendienst. “Wir wollen eine Plattform für alle Finanzprozesse sein, um KMUs von Silo-Lösungen und Exceltabellen zu befreien. So lautet auch unsere Vision: Effiziente, einfache und unkomplizierte Finanzprozesse für jedes KMU”, erklärt Gründerin Jennifer Dussileck das Konzept von finway.
Der Early Stage-Investor Capital 49 (hinter dem die Airwallex-Macher stecken), Force Over Mass, das Family Office von Indeed-Gründer Paul Forster sowie Altinvestoren wie btov Partners und 10x Group investierten zuletzt 10 Millionen Dollar in das FinTech. Zuvor flossen bereits über 2 Millionen in finway. Derzeit arbeiten 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Jungfirma. Über 400 Kunden nutzen finway bereits.
Im Interview mit deutsche-startups.de spricht finway-Macherin Jennifer Dussileck zudem über Eingangsbelege, Recherche und wetterfeste Pläne.
Wie würdest Du Deiner Großmutter finway erklären?
Stell dir vor, wir haben ein Computerprogramm entwickelt, das kleinen und mittelgroßen Unternehmen hilft, ihre Ausgaben besser zu verwalten. Das bedeutet, dass diese Unternehmen zum Beispiel weniger Zeit und Mühe investieren müssen, um Rechnungen und Quittungen zu verarbeiten. Das war für Leute in der Buchhaltung immer ein sehr zeitaufwändiger und fehleranfälliger Job, denn das wurde vorher alles per Hand gemacht. Unser Programm kann Rechnungen quasi selbst lesen, verstehen und die Rechnungsinformationen in elektronischer Form speichern. Das Programm rechnet dann auch noch weiter, zum Beispiel kann es sofort sagen, wie viel insgesamt in einem Monat ausgegeben wurde, und wer dieses Geld ausgibt. So helfen wir Unternehmen auch dabei, einen besseren Überblick über ihre Kosten zu bekommen. Das hilft ihnen, ihr Geschäft effizienter und profitabler zu gestalten.
War dies von Anfang an euer Konzept?
Wir haben von Anfang an einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt. Wir wollen eine Plattform für alle Finanzprozesse sein, um KMUs von Silo-Lösungen und Exceltabellen zu befreien. So lautet auch unsere Vision: Effiziente, einfache und unkomplizierte Finanzprozesse für jedes KMU. Dazu gehört natürlich noch ein bisschen mehr als oben in vereinfachten Worten wiedergegeben. Zum Beispiel bieten wir auch virtuelle Debitkarten für Mitarbeitende an, um einmalige Online-Käufe oder Abonnements einfacher abzuwickeln. Damit wären wir aber auch noch nicht am Ende mit dem, was finway alles kann.
Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
finway ist ein typisches SaaS-Produkt, also Software as a Service. Das heißt: Unsere Kunden haben mit uns Laufzeitverträge. Darüber hinaus bieten wir verschiedene Produktpakete an, um jedem Unternehmen den Funktions- und Nutzungsumfang anbieten zu können, den sie brauchen. In manchen Unternehmen fallen monatlich z.B. nur um die 100 Eingangsbelege an, in anderen ist es das zehn- oder zwanzigfache. Danach staffeln sich unsere Preise. Außerdem bieten wir zwei Funktionspakete an. Das größere davon kostet etwas mehr und enthält dafür auch mehr Funktionen, wie z.B. eine Lösung für das betriebliche Reisekostenmanagement.
Was waren die größten Herausforderungen, die Ihr bisher überwinden musstet?
Ganz zu Beginn war es natürlich herausfordernd, überhaupt erstmal ein Team aufzubauen. Man muss kreativ werden, um als vollkommen unbekanntes Start-up die richtigen Leute zu finden und zu überzeugen. Von einem weiteren sehr großen Unterfangen kann vor allem mein Co-Gründer Csaba Krümmer berichten: finway bietet eine Firmenkarten-Lösung an, d.h. über unsere Software können Mastercard-Debitkarten erstellt, verwaltet und an Mitarbeitende in Unternehmen ausgegeben werden. Hierfür brauchten wir starke, zuverlässige Partnerunternehmen, mit denen wir für dieses Feature zusammenarbeiten konnten. Wir haben mit über 50 Anbietern gesprochen und sind mit vielen in teils monatelange Verhandlungen und Trials gegangen. Das war für das ganze Team sehr kräftezehrend, bis wir die Karten im Juni 2021 endlich releasen konnten.
Wie ist überhaupt die Idee zu finway entstanden?
Das war eine Mischung aus starkem Willen, einer spannenden Grundannahme und viel Recherche. Wir sind ja auch drei sehr unterschiedliche Gründer, die sich als Team aber perfekt ergänzen. Alles fing an mit dem Aufeinandertreffen von Csaba und mir auf dem START Summit in St. Gallen. Er wollte zunächst eine Software entwickeln, die doppelte Rechnungen in der Buchhaltung erkennt. Ich wollte etwas eigenes starten, mit dem ich einen Mehrwert schaffen kann, und auf das ich unmittelbar Einfluss nehmen kann. Philipp, unseren dritten Mitgründer im Bunde fanden wir über ein Forum, das künftige Gründer miteinander vernetzt. Und dann begann die Idee zu wachsen.
Kürzlich konntet ihr 10 Millionen einsammeln. Wie seid ihr mit euren Investor:innen in Kontakt gekommen?
Wir haben schon früh viel Wert darauf gelegt, uns ein großes und internationales Netzwerk aus Venture Capital-Gesellschaften und Business Angels aufzubauen. Das haben wir auch während der letzten zwei Jahre immer weiter verfolgt und viele spannende Kontakte knüpfen können. In der aktuellen Series A-Runde konnten wir daraus neue und bestehende Investoren vor allem mit unserem hochwertigen Produkt überzeugen.
Generell herrscht ansonsten derzeit Krisenstimmung in der deutschen Startup-Szene. Was ist Deine Sicht auf die aktuelle Eiszeit?
Das Finanzierungsumfeld hat sich definitiv verändert. Investoren sind vorsichtiger geworden, auch ist der Markt in vielen Nischen definitiv stark umkämpft. Es gab in der Vergangenheit in Europa einen regelrechten Fintech-Hype und es flossen Rekord-Investments. Und dennoch stapelten sich in letzter Zeit auch die Nachrichten von Massenentlassungen. Die globalen Krisen und die daraus resultierende Unsicherheit lassen die Kapitalgeber heute genauer hinschauen, in welche Start-ups sie investieren. Also, ob ein Unternehmen wirklich profitabel werden kann, ob es wachsen, skalieren und sich auf dem Markt behaupten kann. Effizienz ist das Stichwort der Stunde. Am Ende werden die guten Unternehmen mit dem richtigen Produkt und der Umsetzungsfähigkeit weiter finanziert. Und aus Zeiten wie den heutigen ergeben sich auch sehr viele Chancen für Unternehmen, ihr Produktwachstum in eine Richtung zu lenken, wie sie am Markt heute benötigt wird. In unserem Fall kommt uns das sogar zum Teil zu Gute. Kleine und mittelständische Unternehmen müssen heute noch viel stärker darauf achten, ihre Ausgaben und Budgets im Blick zu behalten. Das macht ein Produkt wie unseres zum unverzichtbaren Asset in jedem KMU.
Wie genau hat sich finway seit der Gründung entwickelt?
Wir stehen heute bei rund 60 Mitarbeitenden und haben über 400 Kunden von unserem Produkt überzeugt. Wir sind in allen Abteilungen, ob Vertrieb, Produkt, Development, Kundensupport oder Marketing strategisch und stetig gewachsen und haben uns über die letzten rund zweieinhalb Jahre in großen Schritten als Firma weiterentwickeln können. Dabei liegt neben der stetigen Weiterentwicklung unserer Software unser anderes Hauptaugenmerk auf dem Aufbau einer großartigen Firmenkultur, die von allen Mitarbeitenden Tag für Tag gelebt wird. Das tolle Feedback all unserer Teams zeigt uns an, dass wir das heute schon geschafft haben, aber auch hier haben wir in den nächsten Monaten und Jahren noch viel vor.
Wo steht finway in einem Jahr?
Wir haben einen wetterfesten Plan ausgearbeitet, wie wir das neue Investment einsetzen wollen und welche Produktfeatures unsere Kunden und solche, die es noch werden wollen, am dringendsten benötigen. Wir werden ein Augenmerk auf einen noch größeren Automatisierungsgrad legen, sodass sich der manuelle Aufwand in der Rechnungsverarbeitung weiter reduzieren lässt und unsere Kunden durch unser Reporting noch bessere Insights und Kontrolle erlangen. Wir haben ein tolles Team, starke Partner und einen klaren Fahrplan. Ich blicke also sehr zuversichtlich in die Zukunft.
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