#Interview

“Mich hätte nichts auf das Leben einer Gründerin vorbereiten können”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Jeden Morgen sortiere ich meine Prioritäten für den Tag bzw. die Woche und kläre, wo es kurzfristigen Abstimmungsbedarf gibt. Und wenn ich im Büro arbeite, gehört ein Café bei Stefano im Werk1 dazu", sagt Franziska Meyer, Gründerin von Edurino.
“Mich hätte nichts auf das Leben einer Gründerin vorbereiten können”
Montag, 26. Dezember 2022VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Franziska Meyer, Gründerin von Edurino. Das Münchner EdTech möchte Kinder ab vier Jahren “spielerisch und verantwortungsbewusst an digitales Lernen heranzuführen”.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Bei mir ist jeder Tag anders strukturiert. Vom Besuch im stationären Handel über Investorenmeetings und Testing Sessions mit den Kindern in unseren Partnerkindergärten ist alles dabei. Das genau macht es auch so reizvoll für mich Gründerin zu sein. Ich werde täglich aufs Neue herausgefordert, zwischen verschiedenen Themen zu springen und dabei strukturiert zu bleiben. Jeden Morgen sortiere ich meine Prioritäten für den Tag bzw. die Woche und kläre, wo es kurzfristigen Abstimmungsbedarf gibt. Und wenn ich im Büro arbeite, gehört ein Café bei Stefano im Werk1 dazu.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Ich finde meinen Ausklang durch Sport! Yoga und Kick-Boxen sind für mich die ideale Kombination, da ich mich richtig auspowern bzw. den Tag achtsam ausklingen lassen oder starten kann. Mein Ziel ist es immer, die Stunden des Tages so effizient wie möglich zu nutzen. Ausreichender Schlaf hilft mir, die Batterien wieder aufzuladen und am nächsten Tag produktiv und kreativ zu sein. Nach besonders intensiven Wochen versuche ich mein Smartphone am Wochenende in den Flugmodus zu stellen.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Mich hätte nichts auf das Leben einer Gründerin vorbereiten können. Es ist wichtig, die große Vision zu verfolgen und gleichzeitig jeden Tag operativ unzählige Hürden zu überwinden. Das Unternehmertum fasziniert mich schon immer in all seiner Vielfalt. Vom mittelständischen Traditionsunternehmen bis zu hoch skalierenden Tech Startups vereint alle UnternehmerInnen die Freude zur Risikobereitschaft und der Gestaltungswille. Mir war von Anfang an bewusst, dass das sicherlich nicht der einfachste, aber in meinen Augen einer der spannendste Weg ist. Diese aufregende Reise genieße ich mit allen Höhen und Tiefen.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Unsere Gründung zu Beginn einer weltweiten Pandemie war sehr spannend und zugleich unternehmerisch herausfordernd. Neben dem Aufbau der kompletten Logistik inklusive Produktionsnetzwerk für unsere Hardware kreierten wir eine App. Dafür mussten wir schnell MitarbeiterInnen finden, die sich sehr früh mit uns auf diese spannende Reise begeben. In den ersten Monaten hatten meine Mitgründerin Irene und ich häufig unruhige Nächte. Doch nur durch die Dringlichkeit für das Thema “Digitales Lernen” kam uns die Idee eines hybriden Lernkonzepts. Es entstand für uns die Chance, mit Edurino die Weichen für die digitale Transformation der (Vor-) Schulbildung zu stellen. Unsere Finanzierungsrunden und Mitarbeitergespräche schlossen wir anfangs komplett digital ab und lernten unsere Investoren teils erst beim Notar kennen. Irene und ich sind ein eingespieltes Team, sehr entscheidungsfreudig und vertrauen uns blind. Wir empfinden es als ein Privileg, diese spannende Reise gemeinsam erleben zu dürfen.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Die Antwort klingt abgedroschen, ist jedoch wahr: Niemand wird Dir eine Anleitung zum Gründen geben und es werden laufend Fehler passieren. Wir mussten bspw. viermal ein neues 3-D Modell unserer ersten Figur Mika in Auftrag geben, damit es für das Spritzgusswerkzeug geeignet war. Essenziell ist es, schnell auf Fehler zu reagieren und Learnings daraus zu ziehen.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Zu Beginn einer jeden Gründung ist es essenziell, die eigene Faszination für das Thema auf andere zu übertragen und potenzielle MitarbeiterInnen mitzureißen. Unser Top-Team konnten wir über das eigene Netzwerk sowie das unserer Investoren aufbauen. Unser Business Angel und Investor Jens Begemann hat bspw. zu Beginn der Gründung finale Gespräche für führende Positionen in unserem Spielentwicklungs-Team geführt. Auch LinkedIn funktioniert für uns sehr gut sowie Themen-Plattformen, wo sich potenzielle Mitarbeitende informieren. Und natürlich zählen unsere MitarbeiterInnen selbst zu den wichtigsten Multiplikatoren.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Enjoy the ride! Es gibt Erfolgsmodelle in jeglicher Art. Ich persönlich würde es immer empfehlen, im Team zu gründen. Der Erfolg hängt nie an einer Person. Finde früh MitarbeiterInnen, die Deine Vision und Passion teilen, denn das richtige Team macht den Unterschied. Suche Dir MentorInnen und Vorbilder und tausche Dich mit Personen aus, die den gleichen Weg eingeschlagen haben und frag nach Rat! Wir waren überwältigt, wie viele Leute große Freude dabei hatten, ihre Erfahrungen mit uns zu teilen und uns so in unserem Vorhaben zu unterstützen. Glaubt an EUCH! Es braucht gesunden Optimismus und den Glauben an die Sache und an sich selbst.

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Slack, Unity – die Game Engine, in der unsere Lernspiele für die Edurino-App entwickelt werden – und unser Warenwirtschaftssystem.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Bei Edurino haben wir ein Remote-First Arbeitsmodell. Das ermöglicht unseren MitarbeiterInnen aus ganz Europa zu arbeiten. Alle acht Wochen kommen wir in München für eine
In-Persona-Woche zusammen. Neben Teamevents und Aktivitäten besprechen wir strategische Themen. Für uns funktioniert dieses Modell sehr gut. Mitarbeiterinnen haben die Flexibilität in einer neuen Arbeitswelt und dennoch die Möglichkeit, sich persönlich kennenzulernen. Im Arbeitsalltag ist es enorm wichtig, einen respektvollen Umgang auch in stressigen Situationen zu bewahren. Gute Arbeitsstimmung wird bei Edurino durch passionierte MitarbeiterInnen, die sich gegenseitig unterstützen, extrem gefördert. Außerdem ist frühes Vertrauen der Key für ein schönes Miteinander. Irene und ich haben schnell Verantwortung übertragen und dem bzw. der Einzelnen seine bzw. ihre Rolle im Unternehmen gegeben.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Unsere Tour durch Deutschland auf der Suche nach einem Produzenten für unsere handbemalten Figuren und der Launch unseres ersten Spiels in den gängigen App-Stores sind auf jeden Fall zwei Erlebnissen, die wir nie vergessen werden. Wir haben konsequent Einwände wie “Das klappt nicht – und vor allem nicht in dem Zeitrahmen” ignoriert. Insbesondere am Anfang haben wir PartnerInnen gefunden, die in kürzester Zeit das vermeintlich Unmögliche mit uns gemeinsam möglich gemacht haben.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Edurino