Lexikon: Seed Capital
In unserer Lexikon-Reihe publiziert Professor Dr. Tobias Kollmann, seit 2005 Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik – insbesondere E-Business und E-Entrepreneurship – an der Universität Duisburg-Essen, in regelmäßigen Abständen ein Stichwort aus dem von ihm herausgegebenen “Gabler Kompakt-Lexikon Unternehmensgründung“. Der jeweilige Lexikon-Eintrag beschreibt ein für Gründer relevantes Thema kurz und knapp. Heute geht es um den Begriff Seed Capital.
Seed Capital, Finanzierungsmittel, die zur Deckung des Kapitalbedarfes in der Frühphase der Unternehmensentwicklung ( Seed-Phase, Finanzierungsphasen) eingesetzt werden. Seed Capital stellt eine Teilmenge der zur Gründungsfinanzierung einsetzbaren Instrumente dar. Die Anwendbarkeit der Finanzierungsinstrumente wird stark von den Besonderheiten der Unternehmen in der Seed-Phase bestimmt. So verfügen diese Unternehmen wegen ihrer kurzen Historie kaum über Vergangenheitsdaten, auf die sich Prognosen der zukünftigen Entwicklung stützen könnten. Aus dem gleichen Grunde haben sie auch selten Anlagevermögen in nennenswerten Umfang, das bspw. zur Besicherung eingesetzt werden könnte. Schließlich sind Umsätze entweder noch nicht vorhanden oder im Verhältnis zu den Aufwendungen gering. Dadurch verfügen die Unternehmen nur über geringe Liquiditätsreserven, was die Möglichkeiten zur Zahlung laufender Finanzierungsentgelte einschränkt. Prinzipiell stehen verschiedene Finanzierungsinstrumente zur Auswahl, um daraus eine strukturierte Finanzierung zu entwickeln.
1. Finanzierungsinstrumente:
a) Fremdkapital: Fremdkapital kann zunächst in Form öffentlicher Fördermittel ( Gründungsförderung) bezogen werden. Auf die Besonderheiten in der Seed-Phase sind die Förderdarlehen durch tilgungs- und teilweise auch zinsfreie Anfangsjahre angepasst. Die Liquidität des Unternehmens wird dadurch in der Anfangsphase nicht belastet. Vorteilhaft sind weiter die unter Marktniveau liegenden Finanzierungskosten. Nachteilig sind dagegen die begrenzte Verfügbarkeit und die bürokratische, zeitintensive Antragstellung. Ferner bedingt auch ein Förderdarlehen die persönliche Haftung des oder der Gründer, da andere Sicherheiten i.d.R. nicht zur Verfügung stehen.
b) Eigenkapital: Eigenkapital kann zum einen von Personen aufgebracht werden, deren Motive nicht vollständig dem Ansatz rationaler Finanzinvestoren entsprechen. Dazu zählen als wichtigste Quelle in der Seed-Phase zunächst die Gründer des Unternehmens selbst. Sie bringen Kapital und Arbeitszeit ein und erwarten Wertsteigerungen/Gewinnanteile sowie Gehalt als Vergütung. Das von den Gründern aufgebrachte Kapital reicht jedoch häufig zur vollständigen Finanzierung nicht aus. Weiter können sich die Familie der Gründer oder andere nahestehende Personen am Unternehmen beteiligen ( Family and Friends-Kapital). Diese Finanzierungsmöglichkeit birgt das Risiko, nicht nur das finanzielle Schicksal des Gründers, sondern auch das seines Umfeldes eng mit der Entwicklung des Unternehmens zu verknüpfen. Auch hier werden die Finanzierungsbeiträge i.d.R. begrenzt sein.
c) Zuschüsse: Nicht direkt in die Systematik von Eigen- und Fremdkapital einzuordnen ist die Finanzierung über einen Zuschuss der öffentlichen Hand. Vorteil aus Sicht des Unternehmens sind niedrige bzw. keine Finanzierungskosten. Nachteilig ist die vorgeschriebene Verwendung der Mittel, die häufig auf Sachinvestitionen oder Forschungstätigkeiten ausgerichtet ist. Ferner bindet ein Zuschuss das Unternehmen an einen Standort (Fördergebiet/Bundesland).
2. Strukturierung der Finanzierung: Wie in der Diskussion zu den einzelnen Instrumenten deutlich geworden, können Unternehmen in der Seed-Phase nur auf eine begrenzte Auswahl zurückgreifen. Die Finanzierung wird daher zumeist eher von opportunitäts- als von strukturierungsbezogenen Aspekten geprägt sein. Trotzdem sollte eine Strukturierung so weit wie möglich vollzogen werden, da die Finanzierung in der Seed-Phase folgende Finanzierungsrunden wesentlich beeinflussen kann. Bei einer Strukturierung lassen sich drei für ein Unternehmen in der Seed-Phase typische Zielstellungen identifizieren: Niedrige Finanzierungskosten sollen die Liquiditätsbelastung zumindest in der Anfangszeit minimieren. Eine geringe Verwässerung der Eigentümerrechte für die Gründer soll deren Kontrolle über das Unternehmen sichern. Eine einfache Finanzierungsstruktur soll den sonstigen Aufwand bspw. für Gesellschafterbeschlüsse und das Berichtswesen nicht unnötig komplex gestalten. Aus diesen Zielstellungen ergibt sich, dass ein Unternehmen in der Seed-Phase zunächst das persönliche Eigenkapital der Gründer ausschöpfen sollte, da sowohl bei Förderfinanzierungen als auch von VCG ein erhebliches Eigenengagement erwartet wird. Eine Ergänzung um Eigen- und Fremdkapital von nahestehenden Personen ist nach Verfügbarkeit und individueller Neigung zu prüfen. Der verbleibende Finanzierungsbedarf sollte weitgehend durch die Aufnahme öffentlicher Fördermittel gedeckt werden. Hier stehen günstige Konditionen und der Erhalt des Kapitalanteils der Gründer am Unternehmen im Vordergrund. Insbesondere bei stark wachstumsorientierten Unternehmen wird ein weiterer Kapitalbedarf verbleiben. Dieser kann durch institutionelle Eigenkapitalinvestoren gedeckt werden. Aus Sicht der Finanzierungskosten sind hier Business Angels und öffentliche VCG zu bevorzugen.
Das Gabler Kompakt-Lexikon Unternehmensgründung bietet über 2.000 aktuelle Begriffserklärungen zu den Themenfeldern Gründungsplanung/ -prozess/ -management, Geschäftsmodelle/ -konzepte/ -entwicklung sowie Unternehmensfinanzierung und Förderprogramme. Herausgeber Professor Dr. Tobias Kollmann ist anerkannter Experte für alle Fragen rund um die Unternehmensgründung und -entwicklung. Zielgruppe des Lexikons sind Unternehmensgründer, Gründungsberater, Venture-Capital-Unternehmen, Investment Manager, Unternehmensberater sowie Studenten und Dozenten der Wirtschaftswissenschaften an Fachhochschulen und Universitäten. Jetzt bei amazon bestellen