#Interview
“Als Hardware-Startup muss man am Anfang durch das berüchtigte Valley of Death”
Das Ludwigsburger Startup instagrid, das 2018 von Sebastian Berning und Andreas Sedlmayr gegründet wurde, kümmert sich um die “Entwicklung von tragbaren Batteriespeichern und bietet eine mobile Stromversorgung für Menschen, die an temporären Standorten arbeiten”. Der amerikanische Energie-Geldgeber Energy Impact Partners (EIP), SET Ventures, der High-Tech Gründerfonds (HTGF), Segnalita Ventures und Co. investierten in den vergangenen Jahren bereits 45 Millionen Dollar in das Unternehmen.
“Wir haben inzwischen über 50 Mitarbeiter:innen und wachsen extrem schnell. Direkt nach unserem Serienanlauf im letzten Sommer haben wir bereits jeden Monat über 1.000 Geräte ausgeliefert, kommen bei der aktuellen Nachfrage aber trotzdem kaum mit der Produktion hinterher”, sagt Gründer Berning zum Stand der Dinge bei instagrid. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Jungunternehmer zudem über Dieselgeneratoren, Greta Thunberg und Skandinavien.
Wie würdest Du Deiner Großmutter instagrid erklären?
instagrid entwickelt und produziert tragbare Hochleistungsbatterien, mit denen jedes Gerät – wirklich jedes – betrieben werden kann, das einen 230V-Netzstecker hat. Diese “mobile Steckdose” ist gezielt für Profis entwickelt worden und daher extrem robust, wasserdicht und ausdauernd. Wir ersetzen damit mobile Benzin- und Dieselgeneratoren, die nicht nur eine enorme Umweltbelastung darstellen, sondern sich im Betrieb auch als teuer und unzuverlässig erweisen. Unsere Kund:innen lieben die Geräte, da sie unabhängig vom Stromnetz leise und ohne Abgase arbeiten können, womit sie häufig auch die eigene Dienstleistung spürbar aufwerten.
War dies von Anfang an euer Konzept?
Wir machen heute ziemlich genau das, was wir uns am Anfang vorgenommen haben. Allerdings hat sich der Markt grundsätzlich geändert. Als wir gestartet sind, haben Greta Thunberg und “Fridays for Future” noch keine große öffentliche Aufmerksamkeit erregt und wir haben das Produkt als Produktivitätslösung positioniert. Heute bekommen wir viele Anfragen von Unternehmen, die explizit nach nachhaltigen Lösungen suchen, zum Beispiel aus der Bauindustrie, Landschaftspflege, Medienwirtschaft, Stadtreinigung und vielen anderen Branchen. “Zero Emission” ist Mainstream geworden und wir liefern die passende Lösung für mobile Anwendungen.
Wie genau funktioniert denn euer Geschäftsmodell?
Das Geschäftsmodell ist aktuell noch sehr einfach: Wir stellen Geräte her und verkaufen diese entweder direkt oder über unsere Markenpartner an Endkund:innen. In Zukunft werden sie aber auch im Rahmen eines Abo-Modells verfügbar sein, d. h. man bezahlt einen monatlichen Beitrag, der sich auch nach der Nutzung der Geräte richtet.
Wie ist überhaupt die Idee zu instagrid entstanden?
Während unserer langjährigen Aktivitäten in der Batteriebranche ist uns irgendwann aufgefallen, dass es zwar Dutzende Batterie-Stromversorgungen für den Campingbereich gibt, aber keine überzeugende Lösung für professionelle Anwender:innen. Unsere Hypothese war von Anfang an, dass es hier einen großen Markt geben muss, da der Bedarf viel essentieller ist als für Freizeit-Anwendungen. Wir haben dann etwa drei Jahre lang die notwendige Technologie entwickelt, um dieser anspruchsvollen Kundengruppe ein kompromissloses Produkt anbieten zu können.
Wie hat sich instagrid seit der Gründung entwickelt?
Wir haben inzwischen über 50 Mitarbeiter:innen und wachsen extrem schnell. Direkt nach unserem Serienanlauf im letzten Sommer haben wir bereits jeden Monat über 1.000 Geräte ausgeliefert, kommen bei der aktuellen Nachfrage aber trotzdem kaum mit der Produktion hinterher.
Euer Firmensitz ist Ludwigsburg, also abseits der großen Gründer-Zentren. Ist das jetzt ein Vor- oder ein Nachteil?
Beides. Wenn man Hardware entwickelt, speziell Elektronik und Batterien, findet man im Raum Stuttgart eine unglaublich hohe Dichte an Talenten mit Weltklasse. Auch ist der Arbeitsmarkt für Startups nicht so umkämpft wie beispielsweise in München. Wir sehen uns aber als europäisches Unternehmen und haben zum Beispiel noch im Gründungsjahr angefangen, unser Sales- und Marketing-Team in Skandinavien aufzubauen. Dort sind die Early Adopter von nachhaltiger Technologie zu finden und es ist uns leichter gefallen, ein stimmiges Markenbild zu entwickeln. Stuttgart war damals hauptsächlich wegen seiner Luftverschmutzung in den Medien. Aktuell haben wir gerade unser Büro in Berlin eröffnet, wo wir in Zukunft einen großen Teil unserer Digitalkompetenz bündeln werden.
Ihr konntet kürzlich 33 Millionen Dollar einsammeln. Wie seid ihr in Kontakt mit euren Investoren gekommen?
Wie auch schon in der A-Runde sind wir mit vielen Investor:innen bereits seit Jahren in ständigem Austausch. Matthias Dill von EIP kennen wir zum Beispiel noch von seinem vorigen Fonds bei Statkraft Ventures. Die Climate-Tech-Szene in Europa ist überschaubar und man kennt nach kurzer Zeit die meisten Investor:innen und die anderen Startups von den einschlägigen Events und über Netzwerke. Allerdings ist uns 2021 aufgefallen, wie schnell das Ökosystem jetzt wächst. Es gibt viele neue Companies und VCs in dem Feld, es herrscht Aufbruchstimmung.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wie vielen anderen auch, hat uns die Supply Chain im Jahr 2021 einen Strich durch die Rechnung gemacht. Durch die Pandemie sind die globalen Lieferketten für Batteriezellen und Elektronikkomponenten teilweise zum erliegen gekommen, so dass wir nur die Hälfte unserer Bestellungen erfüllen konnten. Das haben wir so nicht kommen sehen.
Und wo hat Ihr bisher alles richtig gemacht?
Zwei Beispiele: Wir haben immer versucht, sehr schnell zu sein und in einer frühen Phase Feedback zu unseren MVP von möglichen Kund:innen zu bekommen. Mit unserem ersten Prototypen in einer Holzkiste sind wir im Auto Tausende Kilometer durch Europa gereist, um Partner zu gewinnen. Das hat sich richtig erwiesen – das Produkt brauchte am Ende relativ wenige Iterationen. Zweitens: Als Hardware-Startup muss man am Anfang durch das berüchtigte “Valley of Death”: Man muss in Fertigungsanlagen und Material investieren, hat aber noch relativ kleine Stückzahlen, so dass sich die Investitionen eigentlich nicht tragen. Durch die Zusammenarbeiten mit starken Markenpartnern aus der Region konnten wir aber sofort auf hohe Fertigungsvolumina “springen” und haben uns erst im zweiten Schritt auf den Aufbau eigener Vertriebswege konzentriert.
Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Es ist wichtig, seinen Überzeugungen und Ideen zu folgen, egal ob VCs oder die Medien das gerade sexy finden. Als wir 2018 angefangen haben, war Cleantech tot und alle haben “irgendwas mit AI” gemacht. Man hat uns gesagt, wir würden nur schwer Funding finden und müssten in die großen Hubs nach Berlin oder München, damit Investor:innen auf uns aufmerksam werden. Das stimmte offensichtlich nicht, auch wenn wir natürlich nicht vorhersehen konnten, dass sich die Landschaft so rapide ändert. Auch als Gründer entsprechen wir nicht unbedingt dem Klischee: Wir haben beide als Familienväter Mitte dreißig einen gut bezahlten Konzernjob verlassen und nicht etwa direkt nach der Uni gegründet. Einfach machen – die Berufserfahrung wiegt die etwas geringere Flexibilität in dieser Lebensphase bei Weitem auf. Wir wären in dieser Branche sonst wahrscheinlich nicht so weit gekommen.
Wo steht instagrid in einem Jahr?
Wir arbeiten aktuell daran, auf unseren portablen Batterien neue Geschäftsmodelle im Energiebereich aufzubauen, also Hardware-Enabled-Services. Das ist wie bei E-Scootern: Aktuell machen wir die Hardware, also die Scooter, wollen aber mittelfristig das äquivalent zu Micromobility anbieten, also Energie direkt an die Kund:innen liefern. Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr etwas mehr über den spannenden Piloten erzählen können, den wir dazu gerade aufgleisen.
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