#Interview

“Das ‘eine, ideale’ Gründerteam gibt es nicht – es muss zum Geschäftsmodell passen”

Hannover Digital Investments (HDInv) investierte zuletzt in Startups wie troy, Perseus und Finanzguru. "Der größte Mehrwert, den wir bieten, ist, dass wir die Startups unterstützen können, insbesondere bei Use Cases, die mit Versicherung zu tun haben", sagt HDInv-Macher Ulrich Wallin.
“Das ‘eine, ideale’ Gründerteam gibt es nicht – es muss zum Geschäftsmodell passen”
Freitag, 25. März 2022VonAlexander

Der Geldgeber Hannover Digital Investments (HDInv), ein Ableger des Versicherungskonzerns HDI, investiert seit 2017 in junge Unternehmen. Im Portfolio des  Corporate Venture Capitalist, der in der Regel in der Frühphase investiert befinden sich Jungfirmen wie troy, Perseus und Finanzguru. im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht HDInv-Macher Ulrich Wallin, ehemaliger Chef der Hannover Rück, über Geschäftsmodelle, Transformationen und Erfolgsquoten.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Als Venture-Capital-Investor in der Frühphase ist es natürlich spannend, mit interessanten Gründern zu sprechen, Geschäftsmodelle zu verstehen und durch die Investition letztlich an der Wertentwicklung des Unternehmens teilhaben zu können, wenn das Geschäftsmodell erfolgreich ist.

Hannover Digital Investments gehört zu HDI. Wie seid ihr im Konzern aufgestellt?
Die Hannover Digital Investments, kurz HDInv, ist ein so genanntes Corporate VC – in diesem Fall ist besonders, dass die HDInv von einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, dem HDI V.a.G. gegründet wurde. Neben dem Erzielen von Gewinnen besteht der Mehrwert für die Mitglieder darin, einen Einblick in die digitale Transformation und die technische Entwicklung von Startups zu bekommen und diese nutzbar zu machen, um die Unternehmen der HDI Group weiterzuentwickeln.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Da wird mir persönlich nicht mulmig zumute, denn bei meiner früheren Tätigkeit als CEO der Hannover Rück habe ich mit deutlich größeren Summen hantiert. In der Rückversicherungsbranche ist das nichts Ungewöhnliches – bereits als Rückversicherungs-Underwriter geht man Haftungen im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich ein.

Was sollte jede-Gründerin, jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Uns unterscheidet von anderen Investoren, dass wir mit der HDI Group einen großen, internationalen Versicherungskonzern im Rücken haben. Dadurch bekommen die Unternehmen, in die wir investieren, direkten Zugang zu den HDI Gesellschaften.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Der größte Mehrwert, den wir bieten, ist, dass wir die Startups mit Expertise unterstützen können, insbesondere bei allen Use Cases, die mit Versicherung zu tun haben. Sie bekommen einen direkten Draht zu langjährigen Experten der HDI Group und zu unserem weltweiten Netzwerk. Wir sind selbst offen für den Einsatz von Innovationen – die Startups können über Proofs of Concept Einsatzmöglichkeiten für ihre Produkte bei uns ausloten. Dafür gibt es einmal im Jahr einen Tag, an dem sich die Startups der HDI Group vorstellen können. Außerdem organisieren wir für bestimmte Themengebiete wie Cyber Workshops zum Austausch. Wir sind also gleichzeitig Sponsor, Ideengeber und potenzieller Kunde – das ist Gold wert für junge Unternehmen, die gerade in der Frühphase nicht nur Geld, sondern auch Rat und Tat benötigen.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Am wichtigsten ist es uns, konstant miteinander zu sprechen. Das machen wir in Coronazeiten vor allem mit virtuellen Lösungen wie Teams.

Was ist wichtiger: Das Team oder die Idee?
Das Team ist superwichtig, denn es muss natürlich sowohl technische Expertise haben als auch die wirtschaftliche Sicht auf die Monetarisierung der Geschäftsidee. Insofern würde ich sagen: Das Team ist wichtiger als die Idee, wobei es ohne gutes Produkt natürlich auch nicht funktioniert. Das Produkt sollte einen klar erkennbaren Mehrwert für die Kunden haben und nicht nur “nice to have” sein. Bei Plattformmodellen ist relevant, wie viele Nutzer ich potenziell auf meine Plattform ziehen kann.

Wie sieht das ideale Gründerteam aus bzw. gibt es überhaupt das ideale Gründerteam?
Ein Gründerteam kann erfolgreich sein, wenn es von der eigenen Geschäftsidee begeistert ist und ideal auf das jeweilige Geschäftsmodell passt. Ein Medizintechnikunternehmen zum Beispiel braucht Leute aus der Forschung, die sich mit Genehmigungen und Zertifizierungen von Behörden beschäftigen wollen. Ein reines Plattformmodell im B2C-Bereich profitiert von einem Gründerteam, das sehr aktiv ist, Neues schnell umsetzt und ein gutes Netzwerk hat. Das “eine, ideale” Gründerteam gibt es so also nicht – es muss zum Geschäftsmodell passen.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Startup investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Wesentliche Daten aus dem Businessplan geben uns einen Richtwert, ob das Startup erfolgreich sein kann. Bietet das Produkt dem Kunden einen Mehrwert? Wie sind die Chancen gegenüber dem Wettbewerb? Um herauszufinden, wie austauschbar ein Produkt ist und welche Wettbewerbsposition erreicht werden kann, hilft es, mit Kunden zu sprechen. Auch Co-Investoren können ein Indikator für eine höhere Erfolgsquote sein. Ein überzeugendes Gründerteam, dem man den Erfolg am Ende auch zutraut, ist essenziell. Da spielt auch ein bisschen das Bauchgefühl eine Rolle. Die endgültige Entscheidung trifft aber ein Investment-Komitee faktenbasiert im Rahmen eines formalen Prozesses.

Nicht jedes Startup läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Das erste, was man macht, ist zu schauen, warum der Businessplan nicht erreicht wird. Gibt es gute Gründe, dass die Entwicklung doch länger dauert als erwartet? Eine Verzögerung von einem Jahr ist nicht unüblich. In diesem Fall wird das Startup allerdings Schwierigkeiten haben, weitere Investments zu bekommen. Wenn wir als Bestandsinvestor glauben, dass es sich nur um eine Verzögerung, nicht aber um ein endgültiges Scheitern handelt, bemühen wir uns um Zwischenfinanzierungslösungen – bis zum Punkt, wo das Startup wieder regulär finanziert wird.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Startup die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Das Risiko eines Misserfolgs ist in der Frühphase eines Unternehmens immer gegeben. Wenn ein Startup nicht erfolgreich ist und es auch keinen plausiblen Plan hat, wie es noch erfolgreich werden kann, sollte man aussteigen. Umgekehrt: Wenn wir eine langfristige Chance sehen, bleiben wir an Bord. Um unsere Gesamtinvestitionssumme in Richtung der erfolgreichen Startups zu gewichten, erhöhen wir in weiteren Finanzierungsrunden unsere Anteile.

Wie wichtig und bindend ist ein Businessplan?
Ein Businessplan ist bei Startups eigentlich nie bindend, denn ob er erreicht wird, hängt von vielen Annahmen ab. Trotzdem ist er wichtig. In dem Maß, wie der Plan erreicht wird, ist das Startup auf dem Weg des Erfolges, so, wie die Gründer es angenommen haben. Werden die Ziele verfehlt, ist zumindest klar, dass vom vorhergesehenen Pfad abgewichen wird. Dann ist die Frage, welche Initiativen das Startup angehen kann, um wieder auf den Pfad des ursprünglichen Businessplans zurückzukommen. Wenn der Plan dagegen outperformed wird, gibt es sicherlich keinen, der darüber unglücklich ist – dann freuen sich alle.

Wie spricht man als Gründer:in am besten einen Investor an?
Am besten über eine Empfehlung, zum Beispiel durch einen anderen Investor. Wenn jemand etwas persönlich empfiehlt, ist schon mal eine Qualitätssicherungsstufe erfüllt. Auf ein Netzwerk zurückgreifen zu können ist gleichzeitig ein gutes Signal auch für künftige Marketing- und Vertriebsaktivitäten. Für diejenigen, die noch keine Anknüpfungspunkte haben, besteht natürlich auch die Möglichkeit, über unsere Website https://www.hannover-digital-invest.com oder über Linkedin mit uns in Kontakt zu treten.

Was sollten Gründer:innen vor Investoren niemals sagen oder machen?
Prinzipiell können sie eigentlich alles sagen. Sie sollten natürlich keine offensichtlich unrealistischen Prognosen für den künftigen Geschäftserfolg abgeben. Und sie sollten letztlich auch nichts sagen, was nahelegt, dass das Startup zwar ganz interessant für sie ist, aber dass auch viele andere wichtige Sachen nebenher laufen, weil dann der Investor denkt: Naja, steht der Gründer wirklich dahinter?

Gibst Du uns zum Abschluss noch einen Einblick in Dein bzw. Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen bist Du, seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Sicherlich gibt es Unternehmen, bei denen es beiderseitig vielleicht gut gepasst hätte, in die wir aber aus unterschiedlichen Gründen nicht einsteigen konnten. Namen möchten wir aber nicht nennen.

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Foto (oben): Hannover Digital Investments

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.