#Gastbeitrag
Mentoring: Das Schweizer Taschenmesser für die Unternehmenskultur
Im Laufe meiner jahrelangen Tätigkeit als Unternehmerin begegne ich regelmäßig Menschen, die gern selbst ein Unternehmen gründen oder den nächsten Karriereschritt wagen wollen. Welche Ziele und Pläne sie auch verfolgen, immer wieder taucht eine Frage auf:
Wie mache ich das?
Wissen ohne Mentoring ist wie Bauen ohne Werkzeug
Wir leben in einer Welt des überbordenden Wissens. Auf jede noch so komplexe Frage gibt es scheinbar klare Antworten in YouTube-Videos, Online-Kursen und Fachbüchern.
Mit wenigen Klicks finden wir Anleitungen dafür, wie wir eine Steuererklärung erstellen, einen Businessplan entwickeln oder besser mit unseren Mitmenschen kommunizieren. Und doch bleibt die bohrende Frage nach dem Konsum von Wissen bestehen:
Wie mache ich das?
Der Ratgeber-Markt boomt seit Jahren, was ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass wir in gesammeltem Wissen zwar Denkanstöße und Inspiration finden. Doch unterstützt uns niemand bei der Umsetzung. Wissen bleibt damit nur theoretisch, ein zahnloser Papiertiger.
Bücher, Videos und Kurse gibt es also massenhaft. Aber der Zugang zu den Experten, den Leuten also, die einem zeigen, wie wir das Gelernte anwenden, bleibt nur einigen wenigen Personen vorbehalten. Es ist an der Zeit, das Mentoring in der Breite zu öffnen.
Mentoring: Ein Auftrag, aber nicht zur Profilierung
Den Status Mentor schreiben sich manche gern in ihr LinkedIn-Profil, wie eine Art Gütesiegel. Doch ist es keine Auszeichnung, Mentor zu sein, kein Nice to have, um sich zu profilieren. Es ist Auftrag, Pflicht und Privileg in einem.
Mentoren sind, wenn sie ihre Verantwortung annehmen und danach handeln, die Schweizer Taschenmesser der Unternehmenskultur. Geschickt verbinden sie Mitarbeiter an der Basis und die oberen Etagen miteinander, sie sorgen für eine zielführende Informationsweitergabe durch Know-how-Transfer.
Das müssen Mentoren können
Mentoren sind Betreuer, die ihren Betreuten Hard und Soft Skills beibringen, und zwar auf eine zwischenmenschlich angenehme wie auch professionell-kollegiale Art. Mentoren stehen dabei zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Sie
- führen,
- fordern,
- motivieren,
- bestärken,
- stellen ihr Netzwerk zur Verfügung,
- verhelfen dem Mitarbeiter zur eigenständigen Arbeitsweise,
- schätzen den Workload richtig ein und planen entsprechende To-dos,
- sind präsent, ohne den Mitarbeiter zu erdrücken,
- prüfen (Zwischen-)Ergebnisse, ohne zum Kontrolletti zu werden,
- inspirieren mit eigenen Ideen,
- sind zugleich aufgeschlossen gegenüber Ideen des Mitarbeiters,
- gehen ins Sparring, um zusammen mit dem Mitarbeiter die besten Ideen herauszuarbeiten,
- treten als kompetente Autorität auf, ohne autoritär zu werden.
Die Liste ist noch lange nicht vollständig, weshalb sich das Bild des Schweizer Taschenmessers für Mentoring so gut eignet: Das Taschenmesser hat es deshalb zu Berühmtheit gebracht, weil es sich um ein Top-Multifunktionswerkzeug handelt, bei dem jedes Werkzeug für sich allein exzellent und zuverlässig funktioniert.
Doch erst im Verbund zeigt sich der wahre Nutzen des Schweizer Taschenmessers: Alle Hochleistungstools befinden sich praktisch gebündelt an einem Ort, sodass sie zum richtigen Zeitpunkt zum Einsatz kommen. Genauso ist es auch beim Mentor: Mal ist er als Coach gefragt, in einer anderen Situation als Netzwerker und wieder zu einem anderen Zeitpunkt als Quasi-Chef, der die Arbeitsergebnisse realistisch einschätzen muss. Leider werden nur wenige Mentoren in Deutschlands Unternehmen ausreichend auf diese Aufgabe vorbereitet. Dabei ist dies dringend geboten.
Was bringt Mentoring und wie fördern Unternehmen eine Mentoring-Kultur?
Der Gallup-Studie zufolge hat jeder sechste Mitarbeiter bereits innerlich gekündigt oder plant, innerhalb des nächsten Jahres zu kündigen. Noch immer denken viele Führungskräfte, es gehe Mitarbeitern um Geld oder einen großen Firmenwagen. Doch ist das allein nur selten der ausschlaggebende Motivationsfaktor. Anerkennung der eigenen Arbeit liegt Umfragen zufolge auf Platz 1 der deutschen Arbeitnehmer, was die Prioritäten bei einem Job angeht. Direkt dahinter kommt ein gutes Verhältnis zu Kollegen, gefolgt von spannenden Aufgaben.
Kurzum: Menschen verbringen einen erheblichen Teil ihrer Zeit bei der Arbeit, und sie möchten das in einem Klima der Wertschätzung und guten sozialen Beziehungen tun.
Mentoring leistet hierzu einen erheblichen Beitrag, indem es
- die interne Kommunikation verbessert,
- die Weitergabe von wertvollem, unternehmensinternem Wissen sicherstellt und so “Sticky Knowledge” verhindert,
- dafür sorgt, dass Führungskräfte erfahren, was Mitarbeiter beschäftigt, bewegt und interessiert,
- Bedarfe für die Personalentwicklung in Erfahrung bringt,
- Frust bei Kollegen frühzeitig aufzeigt und der Mentor gegensteuern kann,
- Handlungs- und Mitteilungskompetenzen fördert,
- Entwicklungspotenziale aufzeigt,
- ein Wir-Gefühl schafft,
- die Gefahr von Fluktuation senkt und
- High Potentials in Unternehmen ausfindig macht.
Auch diese Liste ist noch lange nicht vollständig. Gesagt werden kann: Der Kernvorteil von Mentoring ist die tiefgreifende, auf allen Ebenen stattfindende Verbesserung der Unternehmenskultur.
Damit das funktioniert, braucht es ein gut strukturiertes, auf das Team und die Bedürfnisse der Mitarbeiter abgestimmtes Mentoring-Programm. Alternativ: eine Technologie, die das übernimmt.
Generische Lösungen helfen hier nicht weiter, da jeder Mentoring-Auftrag höchst individuell ist. Das zu leisten ist aufwendig, ja. Doch kann der Wert von Mentoring gar nicht hoch genug eingestuft werden, wenn es dadurch gelingt, Fachkräfte zu gewinnen, zu motivieren und dadurch zu halten.
Was muss sich ändern, damit Mentoring selbstverständlich in Unternehmen wird?
Mentoring sollte es ein integraler, essenzieller Bestandteil der Personalführung und -entwicklung werden.
Dafür ist es erforderlich, dass bereits bestehende Mentoring-Programme kritisch auf den Prüfstand gestellt werden: Funktionieren diese bzw. welche Ergebnisse haben sie bislang geliefert? Wird das Programm regelmäßig mit seinen Stärken und Schwächen evaluiert, etwa durch Frage- und Feedbackbögen?
Dieser ehrliche, reflektierte Blick auf bestehendes Mentoring ist ein wichtiger Schritt für Unternehmen, die bestehende Programme optimieren möchten.
Tipp: Mentoring-Plattformen nutzen
Was aber können Unternehmen tun, die bislang keine Berührungspunkte mit Mentoring haben? Sie können sich zum Beispiel mit Mentoring-Plattformen an das Thema herantasten. Dadurch bekommen Unternehmen ein erprobtes Framework, das Prozesse wie Matching, Briefing oder Feedback regelt. Alternativ kann man Mitarbeiter in eine kollegiale Mentoring-Community einladen und es ihnen freistellen, wie sie sich mit wem und wann austauschen. In beiden Fällen sammeln Unternehmen schnell Erfahrungen mit der eigenen Mentoring-Kultur, identifizieren Mitarbeiter, die sich gern einbringen und die Themen, die aktuell wichtig sind. Mit dem gelernten kann man anschließend ein Programm nach den eigenen Bedürfnissen entwickeln: die das Mentoring als Schweizer Taschenmesser für die Unternehmenskultur täglich anwendet.
Diese Unterstützung für den Aufbau einer New-Work-Kultur können sich nicht nur Start-ups und KMU ohne Mentoring-Erfahrung zunutze machen. Auch Unternehmen mit bestehenden Mentoring-Programmen erweitern so ihren Wissensschatz und das eigene Netzwerk. Denn genau darum geht es im Mentoring: gemeinsam voranzukommen, ganz egal, an welchem Punkt wir stehen. Damit wir als Gesellschaft zusammen in eine erfolgreiche, erfüllende Zukunft gehen.
Über die Autorin
Tina Ruseva ist Mehrfachgründerin, studierte Informatikerin, Initiatorin des dezentralen New Work Festivals und zudem Verfechterin des “Mentorings für alle”.
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