#Interview

“Im letzten Quartal 2020 betrug unser ARR bereits rund 100 Millionen Euro”

Seven Senders hilft E-Commerce-Unternehmen den "passenden Spezialisten auf der letzten Meile" zu finden. Knapp 200 Mitarbeiter wirkten bereits für die Jungfirma, die zuletzt 32 Millionen Euro einsammeln konnte.
“Im letzten Quartal 2020 betrug unser ARR bereits rund 100 Millionen Euro”
Mittwoch, 16. Juni 2021VonAlexander

Das Berliner Startup Seven Senders, das 2015 von Johannes Plehn und Thomas Hagemann gegründet wurde, positioniert sich als “Delivery-Plattform für den Paketversand”. Seven Senders bietet seinen Kunden durch eine Tracking- und Monitoringlösung Transparenz im Versandprozess. Digital+ Partners und btov Partners investieren zuletzt weitere 32 Millionen Euro in das junge Logistik Startup.

“In den letzten zwölf Monaten haben wir uns umsatzseitig mehr als verdoppelt und den 100 Millionen Jahresumsatz geknackt. Die Anzahl unserer Mitarbeiter ist von rund 130 Anfang 2020 auf fast 200 Mitarbeiter Anfang 2021 gestiegen. Eine ähnliche Entwicklung erwarten wir auch für das laufende Jahr”, sagt Gründer Plehn. Dabei profitiert das Unternehmen derzeit massiv vom Corona-E-Commerce-Boom. “Wir schätzen daher zum aktuellen Zeitpunkt, dass rund 60 bis 80 % des Booms Bestand haben werden. Allerdings gehen wir auch davon aus, dass der Online-Markt nach Corona mindestens im gleichen Maß oder zu gleichen Raten wie vor der Pandemie wachsen wird, nur dann auf einem höheren Niveau”, führt Plehn aus.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht der Seven Senders-Macher außerdem über Abrechnungslogiken, Retourenvorgänge und Missverständnisse.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Seven Senders erklären?
Ganz einfach: Wir sind Europas führende Plattform für den internationalen Paketversand. Derzeit gibt es in Europa über 100 lokale Paketzusteller, die auf gewisse Regionen und Services spezialisiert sind. In Deutschland kennt man Unternehmen wie DHL, Hermes, etc. In Frankreich sind jedoch zum Beispiel wieder andere Unternehmen tätig. Jeder dieser Anbieter kümmert sich um den Versand in einer Region in Europa, ist auf einen gewissen Service spezialisiert und bringt seine ganz eigene Systemlandschaft mit. Schnittstellen, Sprache, Abrechnungslogik, Tracking-Updates und weitere Punkte sind daher komplett verschieden.

Und wie löst ihr diese Probleme?
Mit der Delivery-Plattform Seven Senders kombinieren wir alle lokalen Spezialisten zu einem großen Netzwerk, das auch sämtliche Material-, Informations- und Finanzflüsse harmonisiert, standardisiert und damit auf einen Nenner bringt. Sind unsere Kunden – typischerweise Online-Händler – einmal mit unserer Plattform verbunden, können sie für jeden Versand den passenden Spezialisten auf der letzten Meile nutzen und dadurch wiederum ihre Kunden in ganz Europa glücklich machen. Kurz gesagt, wir vereinfachen den Versand und alle logistischen Prozesse dahinter.

Hat sich das Konzept, das Geschäftsmodell, in den vergangenen Jahren irgendwie verändert?
Unser Konzept hat sich tatsächlich nicht verändert. Seit der Geburtsstunde von Seven Senders haben wir die Vision, für jeden Versender und jeden Kunden den besten Versand zu ermöglichen. Dazu bauen wir kontinuierlich unser Carrier Netzwerk aus und arbeiten fortwährend an der technischen Entwicklung unserer Delivery-Plattform.

Wie genau funktioniert euer Geschäftsmodell?
Kunden binden sich über unsere standardisierte API an die Delivery-Platform an. Nach diesem Vorgang, den wir natürlich begleiten, kann der Kunde gleich loslegen und mit uns versenden. Dabei organisieren wir die gesamte Lieferkette, von der Abholung bis zur Zustellung und bei Bedarf auch den Retourenvorgang. Auch die Labels für die Pakete können über unsere Plattform erstellt werden. Wir holen die Pakete im Lager des Kunden ab und der transportieren sie in die Zielregion, in der sie dem gewünschten Last Mile Carrier übergeben werden, der die Zustellung an den Endkunden übernimmt. Der Versender erhält von uns die Trackingdaten. Damit kann er den Empfänger mittels Trackings und Notifications proaktiv über den Lieferfortschritt sowie mögliche Verzögerungen bei der Zustellung informieren. Einblicke in sämtliche Sendungs- und Carrier-Performance Daten, die für eine detaillierte Analysen und Auswertungen der eigenen Lieferperformance genutzt werden können, sind jedem Versender über die Plattform zugänglich. Eine passende Versicherung, ein Retourenportal und standardisierte Rechnungen über alle Carrier runden unser Angebot ab. Der Kunde bekommt einen End-to-End Preis für den Versand des Pakets und kann Services wie Labels, Versicherung und Retourenportal optional dazu buchen. Einmal an unsere Plattform angebunden, ist die Expansion in weitere Märkte ein Kinderspiel, sodass unsere Kunden auch flexibel agieren können.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt teilweise hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Natürlich haben auch wir die Auswirkungen gespürt. Allerdings konnten wir, wie viele Unternehmen im Bereich des E-Commerce, von der Corona-Krise profitieren. Online-Bestellungen im In- und Ausland und damit das Liefervolumen haben seitdem stark zugenommen.

Wie viel von diesem E-Commece-Boom wird bleiben, falls mal wieder “normale Zeiten” anbrechen?
Die Corona-Krise hat einen Trend beschleunigt, den wir schon seit Jahren beobachten, die sogenannte ‚Transition‘ von offline zu online. Das Nutzerverhalten braucht in der Regel Zeit, um sich an Veränderungen anzupassen. Die Corona-Krise hat in diesem Fall wie ein Katalysator gewirkt. Ein Großteil der Nutzer hat erfahren, wie angenehm der Einkauf online sein kann und wird dieses positive Erlebnis auch in ‚normalen‘ Zeiten nicht missen wollen. Wir schätzen daher zum aktuellen Zeitpunkt, dass rund 60 bis 80 % des Booms Bestand haben werden. Allerdings gehen wir auch davon aus, dass der Online-Markt nach Corona mindestens im gleichen Maß oder zu gleichen Raten wie vor der Pandemie wachsen wird, nur dann auf einem höheren Niveau.

Wie ist überhaupt die Idee zu Seven Senders entstanden?
Vor fünf Jahren haben mein heutiger Geschäftspartner Thomas Hagemann und ich uns im Biergarten in Berlin getroffen. Die Voraussetzungen für einen guten Abend waren gegeben: schönes Wetter, leckeres Essen und ein kaltes Bier. Wie bei anderen Treffen zuvor, stand auch an diesem Abend die Arbeit im Fokus unseres Gesprächs. In meinem damaligen Job in einem E-Commerce-Shop in Berlin stand ich immer wieder vor der Herausforderung, dass Sendungen, die wir ins Ausland verschickt haben, deutlich teurer waren als Sendungen im Inland, selbst wenn diese eine deutlich kürzere Strecke zurücklegen mussten. Beispielhaft dafür ist, dass die Strecke zwischen Düsseldorf und Eindhoven deutlich teurer war als die Strecke zwischen Düsseldorf und München. Zudem war es praktisch unmöglich die Pakete über die Landesgrenzen hinweg zu tracken. Dementsprechend war die Lieferung teuer und das Liefererlebnis leider nicht zufriedenstellend. Da Thomas ähnliches in seinem Job bei einem Logistik-Berater erlebt hat, wussten wir beide schnell, dass wir hier eine Lösung brauchen. Wir waren uns einig, dass die Zusammenarbeit mit den lokalen Paketdienstleistern besser ablaufen sollte und man einen Weg finden muss, ein nahtloses Tracking anzubieten – also ging’s los mit Seven Senders.

Wie hat sich Seven Senders seit der Gründung entwickelt?
Bereits im Jahr unserer Gründung, im Februar 2015, haben wir unseren ersten Kunden begleitet und ihm den Versand von Deutschland nach Österreich erleichtert. Seit diesem Zeitpunkt haben wir unseren Umsatz jedes Jahr mindestens verdoppelt, sodass wir im Jahr 2019 unsere Expansionsstrategie umsetzen konnten. Im ersten Quartal 2019 eröffneten wir unser erstes Büro in Frankreich. Es folgten ein weiteres in Amsterdam zu Beginn 2020, eines in Wien im dritten Quartal 2020 und ein Büro in Madrid in der zweiten Jahreshälfte 2020. Im letzten Quartal 2020 betrug unser Annual Recurring Revenue bereits rund 100 Millionen Euro. Ein weiterer Milestone ist unsere neue Brexit-Lösung, die wir seit Januar 2021 unseren Kunden bieten und damit den Versand mit UK erheblich erleichtern.

Nun aber einmal Butter bei die Fische: Wie groß ist Seven Senders inzwischen?
In den letzten zwölf Monaten haben wir uns umsatzseitig mehr als verdoppelt und den 100 Millionen Jahresumsatz geknackt. Die Anzahl unserer Mitarbeiter ist von rund 130 Anfang 2020 auf fast 200 Mitarbeiter Anfang 2021 gestiegen. Eine ähnliche Entwicklung erwarten wir auch für das laufende Jahr.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Das ist eine gute Frage! Natürlich gibt es die ein oder andere Anekdote, aber ich glaube diese hier beschreibt es am besten: Beispielsweise gehen laufend neue Kunden und Partner auf der Plattform live. Wir legen sehr viel Wert auf eine enorm kundenfokussierte Kommunikation und saubere Dokumentation, aber dennoch kann es zu Missverständnissen kommen. Ein Beispiel sind Versandumstellungen, die sofort umgesetzt werden müssen und die ursprüngliche Planung verwerfen, was zu einem erhöhten Stressniveau führen kann. Im kontinuierlichen Dialog mit unseren Kunden finden wir dann aber immer gemeinsame Lösungen, schnell, transparent und praxisorientiert. Alles in allem zeichnet Seven Senders ein lösungsorientierter Ansatz und größter Kundenfokus aus. Kurz gesagt, wir sehen es als unsere Aufgabe unseren Kunden den besten Service zu bieten und gemeinsam am Erfolg zu arbeiten.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Unsere Erfahrung zeigt, dass ein Punkt im Vordergrund steht: Sales, Sales, Sales. Aus unserer Sicht ist die Zusammenarbeit nur effektiv und vorteilhaft für beide Seiten, wenn sich daraus ein Mehrwert für den Kunden generiert. Aus diesem Grund richten wir seit dem ersten Tag unser Unternehmen darauf aus, für unsere Kunden der passende Ansprechpartner für den besten End-to-End Versand zu sein. Wir schaffen Produkte und Services, welche die Probleme unserer Kunden lösen.

Wo steht Seven Senders in einem Jahr?
Unsere Strategie ist weiterhin auf Wachstum ausgerichtet. Mittelfristig planen wir der beste Anbieter für den Paketversand aus der ganzen Welt in Europa zu werden. Entsprechend setzen wir auf den kontinuierlichen Ausbau unserer Plattform für unsere Kunden und investieren in neue Offices, um künftig auch Händler aus China und den USA im europäischen Markt zu unterstützen.

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Foto (oben): Seven Senders

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.