#Gastbeitrag
Arbeitsmodell der Zukunft: Das hat es mit hybridem Arbeiten wirklich auf sich
Die Pandemie hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert, und zwar langfristig. Wir sind produktiver, Bürokosten werden gesenkt und der Zugang zu Arbeitskräften wird flexibler.
Vergleicht man unterschiedliche Studien und Umfragen, die während der Pandemie zum Thema Home Office durchgeführt wurden, wird schnell klar: Sowohl Angestellte als auch Arbeitgeber kennen die Vorteile von remote Work. Aber wie viel remote Work tut einem Unternehmen gut, wann werden Ungleichheiten zu groß und wie können wir sicherstellen, dass alle an einem Strang ziehen? Wie müssen sich tägliche Prozesse ändern, um langfristig erfolgreich zu sein? Und vor allem: Sind hybride Arbeitsmodelle zwischen Home Office und Büropräsenz die Zukunft?
Im folgenden Artikel werden Remote-Work-Modelle unter die Lupe genommen, Vor- und Nachteile aufgezeigt und erfolgsentscheidende Faktoren erläutert. So viel ist aber klar: Die Lösung kann nur ein hybrides Modell sein, in dem remote Work sowohl von zu Hause als auch von flexiblen Arbeitsplätzen aus mit fixen Büro-Anwesenheitszeiten kombiniert werden.
Fakten-Check: Ergebnisse unterschiedlicher Studien
These: Home Office kann produktiver sein als Büro-Anwesenheit
Bis vor der Pandemie herrschte in den meisten Betrieben die Annahme: Anwesenheit = Produktivität. Durch die zwangsmäßige Schließung vieler Büros wurde zum ersten Mal weltweit vermehrt aus dem Home Office gearbeitet. Und tatsächlich scheinen wir im Home Office ebenso produktiv oder sogar noch produktiver zu arbeiten als im Büro:
- Eine Studie von McKinsey zeigt, dass 80 % der befragten Personen gerne von zu Hause aus arbeiten. Dabei fühlen sich 41 % produktiver als davor und 28 % genauso produktiv wie im Büro.
- Eine im April von Glint in Australien durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass 70 % angaben, jetzt produktiver zu sein als vor der Pandemie. Dies liege daran, dass weniger Meetings und Ablenkungen zu mehr Konzentration führen, wodurch Aufgaben fokussierter und schneller erledigt werden können.
- Knapp mehr als 50 % der von der Adecco Group befragten Angestellten haben positive Erfahrungen mit remote Work gemacht. 59 % gaben an, ihre Work-Life-Balance habe sich verbessert, während 31 % angaben produktiver zu sein.
These: Büros werden verkleinert und flexibler angemietet
Angestellte scheinen also gut mit remote Work zurechtzukommen, doch was sagen die Führungskräfte? Mit Blick auf Kosteneinsparungen und erhöhte Effizienz herrscht hier ebenfalls eine positive Einstellung gegenüber Remote-Work-Modellen:
- Etwa zwei Drittel (68 %) der von KPMG befragten Geschäftsführer:innen planen, ihren Office Space zu reduzieren.
- Fast drei Viertel der von KPMG befragten Geschäftsführer:innen wollen mehr Ressourcen in die Digitalisierung der Prozesse sowie in “next-generation” Betriebsmodelle investieren.
- Mehr als 70 % der von der Adecco Group befragten Führungskräfte glauben, dass ihr Unternehmen von einem flexibleren Arbeitsmodell profitieren könne.
- Laut Global Workplace Analytics glauben sechs von 10 Arbeitgebern, dass durch einen größeren Anteil an remote Work Kosten von Miete, Steuern, Instandhaltung und Verpflegung erheblich reduziert werden können.
These: Kreativität sprießt durch persönliche Interaktion
Nicht zu unterschätzen sind die positiven Effekte persönlicher Interaktion innerhalb des Teams:
- Etwa zwei Drittel der von der Adecco Group Befragten hoben die Wichtigkeit von persönlichen Treffen mit dem Team hervor.
- Eine zweijährige Studie über Team-Performance bei Google hat ergeben, dass Mitarbeiter, die durch persönliche Beziehungen psychologische Sicherheit innerhalb eines Teams aufbauen konnten, häufiger in innovative Ideenfindung involviert sind, mehr Umsatz bringen und von Vorgesetzten als doppelt so effektiv bewertet werden.
- Eine Studie von Harvard Business Review und Humanyze zeigte auf, dass remote arbeitende Mitarbeiter um 80 % weniger kommunizierten als solche, die sich im gleichen Office befanden. In 17 % der Projekte kommunizierten remote arbeitende Mitarbeiter überhaupt nicht miteinander.
These: Innovative Unternehmen müssen ein hybrides Kombinationsmodell anbieten
Insgesamt zeigt sich trotz aller Vorzüge des Home Office bzw. Remote-Work-Modells ein ganz klarer Favorit. Gefragt sind hybride Arbeitsmodelle, die eine flexible Kombination aus persönlicher Anwesenheit und remote Work ermöglichen – und zwar langfristig:
- Die chinesische Expertin für Anstellungsverhältnisse Alicia Tung sagt voraus, dass in zehn Jahren Büropräsenz und Home Office in einem 60-40-Verhältnis zueinander stehen werden.
- Eine im Mai 2020 durchgeführte Studie hat ergeben, dass sich 55 % amerikanischer Angestellter eine Kombination aus Home Office und Büroarbeitszeiten wünschen.
- Die Adecco Group ermittelte, dass sich drei von vier Büroangestellten eine Kombination aus Büroanwesenheit und remote Work wünschen.
- Insgesamt 60 % der Teilnehmer einer BCG-Studie würden auch nach der Pandemie gerne weiterhin remote arbeiten – zumindest teilweise.
- Laut einer Salesforce-Studie bevorzugen 74 % der befragten Mitglieder der Generation Z entweder ein hybrides Arbeitsmodell oder ausschließlich remotes Arbeiten. Dabei ist zu bedenken, dass die Generation Z in Zukunft den größten Teil der Workforce ausmachen wird.
- Langfristig gesehen wünschen sich insgesamt 64 % der von Salesforce befragten Arbeitnehmer die Möglichkeit, zumindest teilweise im Büro bzw. außerhalb der eigenen vier Wände zu arbeiten.
Insgesamt zeigen die Umfragen also, dass ein hybrides Modell mit einer 50-50-Teilung in remote Work und Büropräsenz weitgehend befürwortet wird, wobei “remote” nicht immer “zu Hause” bedeutet. Dies gilt sowohl Angestellten als auch für Führungskräfte.
5 erfolgsentscheidende Faktoren hybrider Arbeitsmodelle
Das Wichtigste zuerst: Es gibt kein allgemein gültige Lösung für das perfekte Arbeitsmodell. Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Ziele, Persönlichkeiten und Prozesse, die sich nicht über einen Kamm scheren lassen. Das war schon immer so und auch eine Pandemie wird das nicht ändern. Unternehmer:innen sind daher gefragt, eine individuelle Lösung zu finden, die für sie funktioniert. Die folgenden 5 Faktoren sind dabei für den Erfolg eines hybriden Arbeitsmodells entscheidend, in dem Home Office, flexible remote Arbeitsplätze und Büropräsenz kombiniert werden.
Flexible Büroräume zur Verfügung stellen
Damit Prozesse und Strukturen sich ändern können, müssen sich auch die Büroräume den neuen Arbeitsbedingungen eines hybriden Modells anpassen. Im Office, das für Team-Tage ausgelegt ist, sollten mehr offene Räume und Meeting Spots zur Verfügung stehen und weniger individuelle Arbeitsplätze. Je nach Bedarf kann ein fixes Büro gemietet werden, in dem mehrere Mitarbeiter die Flex-Desks teilen bzw. abwechselnd benutzen, oder auch eines, in dem flexible Büromodule beliebig kombiniert werden können.
Um Abstandsregeln besser einhalten zu können, bietet es sich außerdem an, von in die Höhe gebauten Bürokomplexen zu weitläufigen, offenen Campus-Settings zu wechseln. Gerade bei internationalen Teams sollte darauf geachtet werden, dass alle Mitarbeiter gleichermaßen Zugang zu einem Office Space haben, sei es nun das Headquarter oder ein angemieteter Coworking Space.
NOVOS hat etwa von einem fixen Mietvertrag in ein Membership-Modell mit WeWork gewechselt, bei dem Mitarbeiter ein monatliches Budget haben, das sie verwenden können, um ihren Arbeitsplatz zu buchen.
Produktivität umdenken & sinnvoll fördern
Besonders bei einem hybriden Arbeitsmodell sollten Strukturen herrschen, die den Mitarbeitern erlauben, auf die für sie sinnvollste Weise produktiv zu arbeiten. Konkret bedeutet das, dass Produktivität nicht länger an Anwesenheit gemessen werden darf. Stattdessen sollte auf Task-orientiertes Arbeiten umgestellt werden, bei dem der Output im Mittelpunkt steht. Außerdem ist es hilfreich, sich als Manager vom allseits unbeliebten Micro-Management zu verabschieden und bei den Mitarbeitern ein höheres Maß an Selbst-Management zu fördern.
Um die Basis dafür zu legen, sollte am Anfang der Umstellung evaluiert werden, welche Aufgaben persönliche Anwesenheit erfordern und welche besser remote erledigt werden können. Im nächsten Schritt können Prozesse und Wege der Produktivitätsmessung neu strukturiert werden. Wer Mitarbeiter bei der Umstrukturierung mit einbezieht, ist vielleicht etwas langsamer, hat am Ende aber auch Prozesse, die realistisch umgesetzt werden können. Und das ist wichtig, denn nur wenn vom Praktikanten bis zur Geschäftsführerin alle an einem Strang ziehen, kann so ein grundlegendes Umdenken geschaffen werden. Denn ein Remote-Work-Modell, in dem die Büropräsenz optional ist, darf sich nicht wie etwas Vorübergehendes anfühlen. Es ist der neue Modus für alle.
Das Unternehmen The Smart Investor ermutigt etwa seine Mitarbeiter, an Remote-Work-Tagen weniger online Meetings zu halten, sondern sich auf Aufgaben zu fokussieren, die mehr Konzentration erfordern. So können viele Tasks, die wegen typischer Büro-Ablenkungen oft lange brauchen, schon in wenigen Stunden erledigt werden. Wiederum andere Tasks, bei denen z.B. Zugriff auf zentral gelagertes Material benötigt wird, können nur an Büro-Tagen erledigt werden.
Ungleichheiten minimieren
Nicht alle haben die gleichen Möglichkeiten von zu Hause aus zu arbeiten. Die einen haben vielleicht ein superschnelles Internet, einen gemütlichen Garten oder ein voll ausgestattetes Arbeitszimmer. Andere leben dicht an dicht in einer Wohngemeinschaft, besitzen keinen Schreibtisch oder haben Kinder, die betreut werden wollen. Es ist daher entscheidend, dass Unternehmen nicht den Fehler machen, “remote Work” mit “Home Office” gleichzusetzen. remote Arbeitende müssen auch die Möglichkeit haben, außerhalb der eigenen vier Wände Zugang zu einem Arbeitsplatz zu haben, z.B. durch flexible Coworking-Pässe, um Ungleichheiten aufgrund von privaten Lebensumständen zu vermeiden. Außerdem dürfen Mitarbeiter, die hauptsächlich remote arbeiten, nicht das Gefühl haben, weniger wert zu sein als solche, die sich jeden Tag im Büro sehen lassen.
GitLab zum Beispiel hat nicht einmal ein Headquarter, um ein gleichmäßig verteiltes Commitment gegenüber dem dezentralisierten Betriebsmodell zu fördern. Ergänzend dazu bietet St. Oberholz in Berlin zum Beispiel Equipment-Upgrades auf Zeit für zu Hause an, damit das Home Office auch ein gewohnt professioneller Arbeitsplatz wird.
Teamzusammenhalt stärken
Nicht nur Informationen fließen besser durch persönliche Interaktion, auch der Teamzusammenhalt wird dabei gestärkt. Und das soll wiederum die psychische Gesundheit von Mitarbeitern fördern. So wirken sich bereits kleine, ganz alltägliche Gesten, etwa ein aufmunterndes Zunicken auf dem Flur, ein freundliches Lächeln oder ein gut gelauntes “Guten Morgen” positiv auf die Psyche aus. All diese sozialen Verbindungen ergeben eine Art Sicherheitsnetz, in dem sich Mitarbeiter wohler fühlen, ihre möglicherweise innovativen Ideen zu äußern. Außerdem sorgt die Identifikation mit dem Team für allgemein mehr Motivation im Arbeitsalltag. Wenn möglich, sollten also vor allem bei hybriden Arbeitsmodellen Teamevents regelmäßig abgehalten werden, am besten persönlich. Sollte dies aufgrund von räumlichen Distanzen oder Pandemie-bedingt nicht möglich sein, können Teamevents auch online stattfinden.
GitLab arbeitet z.B. ausschließlich remote, ermöglicht es seinen Mitarbeitern aber, sich auch persönlich zu treffen, indem es für Anreise etc. aufkommt. GitLab legt somit großen Wert darauf, dass Mitarbeiter selbständig in der Lage sind sich mit Co-Workern regelmäßig auch außerhalb des Büros zu treffen, um so von den positiven Effekten der persönlichen Interaktion zu profitieren.
Informationen gleichmäßig verteilen
Im klassischen Büro-Setting zirkulieren Informationen meist ganz natürlich zwischen den Büros, in den Fluren, an Kaffeemaschinen und Wasserspendern. Man spürt allein an der kollektiven Stimmung im Büro, wie es dem Unternehmen geht, ob es etwas zu feiern oder eine Hürde zu bewältigen gibt. Wer remote arbeitet, bekommt das nicht mit. Im hybriden Arbeitsmodell gibt es daher zwei große Herausforderungen bei der Informationsvermittlung: Findet alles nur online statt, passiert es häufig, dass Meetings hauptsächlich zwischen Managern abgehalten werden, die die Informationen dann an ihre Teams weitergeben. Anders als im Büro-Setting laufen sich diese Teams allerdings nicht über den Weg, und tauschen sich untereinander weniger aus, wodurch Informationslücken entstehen können, die früher wie selbstverständlich ganz nebenbei geschlossen wurden.
Die zweite Gefahr ist, dass gerade bei einem hybriden Modell Meetings nur zwischen anwesenden Personen abgehalten werden, was wiederum Mitarbeiter ausschließt, die remote arbeiten. Es empfiehlt sich also, wichtige Meetings, wie z.B. Daily Standups, Quartalsmeetings etc. online abzuhalten, auch wenn an dem Tag nur eine einzige Person remote arbeitet –
damit alle Mitarbeiter gleichermaßen auf dem aktuellsten Informationsstand sind und dementsprechend effizienter arbeiten können.
Die meisten Startups haben diesbezüglich die Nase vorne, denn hier wird schon lange auf flache Hierarchien und agile Kommunikation gesetzt. Für One-on-Ones und kleine Brainstormings werden Slack genutzt, Daily Standups werden mit Tools wie Zoom oder Google Meet ganz einfach geplant werden, Company All Hands werden Off-Site gehalten und zum wichtigsten Event der Woche oder des Monats … von dieser Informationskultur können traditionelle Unternehmen jetzt viel lernen.
Fazit: Hybride Arbeitsmodelle sind die Zukunft
Unternehmen, die auf flexible, hybride Arbeitsmodelle setzen, picken sich – richtig umgesetzt – das Beste aus remote Work und Büroarbeit heraus: Sie sparen Kosten, haben eine größere Auswahl an Fachkräften und sind insgesamt besser für globale Krisen gerüstet. Regelmäßige Büropräsenz sichert außerdem den Teamzusammenhalt und begünstigt ein höheres Maß an Innovation. Erfolgsentscheidend ist dabei, dass es für individuelle Teams und Unternehmen auch individuelle Lösungen gibt, wie in diesem Modell gearbeitet wird.