#Interview

Ein Startup, das Pakete im Paketshop abholt

Das junge Unternehmen Mister Postman kümmert sich um Pakete aller Art. Über die Plattform können derzeit etwa Zustellungen aus Paketshops an die eigene Haustür beauftragt werden. Und auch Retouren holt das Startup ab und bringt diese zum Paketshop.
Ein Startup, das Pakete im Paketshop abholt
Mittwoch, 7. Oktober 2020VonAlexander

Bei Mister Postman, 2019 in Mülheim an der Ruhr gegründet, dreht sich alles um Pakete. “Mister Postman ist ein nachbarschaftlicher Lieferdienst, bei dem Anwohner ihre Nachbarn, Freunden und Bekannten bei der Zustellung und Abholung von Paketen unterstützen”, sagt Gründer Patrick Giesen. Über die junge Plattform können derzeit konkret Zustellungen aus Paketshops und Packstationen an die eigene Haustür beauftragt werden.

“Weiterhin holen wir Retouren und frankierte Pakete an der Haustüre ab und bringen diese zum Paketshop. Das spart Zeit, denn unsere Kunden können bestimmen, wann ein Postman zu ihnen kommt – und wohin genau: So können Pakete auch beispielsweise ins Büro geliefert, oder dort abgeholt werden”, erklärt Mister Postman-Macher Giesen weiter. Das Logistik-Startup will sich dabei über eine Nutzungsgebühr in Höhe von 20 Cent pro Sendung finanzieren. Eine Retoure etwa kostet 1,50 Euro bei Mister Postman.

“Der Festpreis und die 20 Cent pro Sendung scheinen im ersten Augenblick nicht viel zu sein, da aber alleine im B2C-Bereich knapp 2 Milliarden Pakete versendet und etwas mehr als 330 Millionen Pakete werden wieder retourniert werden, können wir schon mit einem geringen Marktanteil vorzeigbare Gewinne generieren”, führt Giesen weiter aus. In einem Jahr wollen die Revierler ihren Service in fast allen Städten des Ruhrgebiets anbieten. Und auch Köln hat das Mister Postman-Team bereits im Auge.

Im Interview mit deutsche-startups.de stellt spricht Mister Postman-Macher Giesen einmal ausführlich über seine Idee und den Startup-Standort Ruhrgebiet.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Mister Postman erklären?
Mister Postman ist ein nachbarschaftlicher Lieferdienst, bei dem Anwohner ihre Nachbarn, Freunden und Bekannten bei der Zustellung und Abholung von Paketen unterstützen. Über unsere Plattform können aktuell Zustellungen aus Paketshops und Packstationen an die Haustür beauftragt werden. Weiterhin holen wir Retouren und frankierte Pakete an der Haustüre ab und bringen diese zum Paketshop. Das spart Zeit, denn unsere Kunden können bestimmen, wann ein Postman zu ihnen kommt – und wohin genau: So können Pakete auch beispielsweise ins Büro geliefert, oder dort abgeholt werden. Ab Oktober bieten wir zusätzlich einen Kuriers Service an. Innerstädtische Lieferungen werden dann auch durch Mister Postman durchgeführt, Auftraggeber sind Firmen oder Privatpersonen. Dieser Service ist aber besonders für den stationären Einzelhandel von Vorteil. Einzelhändler können ihren Kunden die Waren am selben Tag an die Haustüre liefern lassen. Damit bewegen dich die Einzelhändlerin Punkto Liefergeschwindigkeit mindestens auf Augenhöhe mit Onlinehändlern wie Amazon und Co. Wahlweise kann ein Retourenschein beigelegt werden, damit der Kunde die Ware auch zurückschicken kann, falls die Größe nicht passt oder dem Kunden die Ware nicht gefällt.

Welches Problem genau wollt Ihr mit Mister Postman lösen?
Mit Mister Postman möchten wir für ein schöneres urbanes Zusammenleben sorgen – und begegnen mit unserer Lösung drei Herausforderungen unserer modernen Gesellschaft. Erstens: Viele Menschen verpassen ihre Paketlieferungen zuhause, da sie auf der Arbeit sind und auch die Nachbarn sind nicht immer dazu bereit, die Pakete der Nachbarschaft bei sich aufzunehmen. Fahrten zum Paketshop kosten Zeit und kurz vor Ladenschluss des Paketshops plagen sich viele Menschen mit der Parkplatzsuche und dem Anstellen in der Warteschlange. Wir schenken unseren Kunden vor allem eins: Zeit. Wir bringen und holen Pakete dort, wo unsere Kunden gerade sind und zu der Zeit, die ihnen gerade passt. Zweitens: Auch dem stationären Einzelhandel wollen wir im Kampf gegen das Aussterben der Innenstädten helfen: Wir glauben, dass wir den Händlern mit unserem Kurierservice einen Mehrwert bieten, um auch mit dem Online-Handel konkurrieren zu können. Drittens: Da es sich bei unserem Lieferdienst um einen nachbarschaftlichen Service handelt, versuchen wir unseren Teil zur Minderung des innerstädtischen Verkehrs und der CO2-Emissionen beizutragen.Unsere Fahrerinnen und Fahrer sollen die Touren in ihren Alltag integrieren, damitVerteilung der Pakete auf Fahrten erfolgt, die ohnehin gemacht werden. Gleichzeitig sind unsere Kuriere nicht auf das Auto angewiesen – unseren „Postman“ ist ihre Arbeit per Rad, zu Fuß oder per Roller ausdrücklich erlaubt.

Jede Woche entstehen dutzende neue Startups, warum wird ausgerechnet Mister Postman ein Erfolg?
Der Online-Handel boomt und jedes Jahr werden dort mehr Pakete an die Menschen versendet. Auch die Corona Krise hat ihren Teil dazu beigetragen. Zeitgleich arbeiten aber immer mehr Städte an Projekten, die den CO2-Ausstoß vor allem im Stadtzentrum zu reduzieren sollten. Diese Projekte behindern aber oftmals die Paketdienstleister bei der Auslieferung der so begehrten Pakete. In der Branche werden Alternativen und neue Lösungsmodelle gesucht, wie etwa Microdepots und Droppoints. Aber auch neue Paketshops werden eröffnet und das Netz der Paketboxen wird von unterschiedlichen Anbietern ausgebaut. Man sieht also wo die Reise hingeht. Der Platzmangel sorgt bei all diesen Lösungen aber für den Bedarf alternativer Zustellungen. Der nette Nachbar von nebenan könnte dabei einer dieser Lösungsansätze sein.

Die Corona-Krise traf die Startup-Szene zuletzt hart. Wie habt ihr die Auswirkungen gespürt?
Nach der Testphase unserer Plattform in Mülheim an der Ruhr, sind wir am 2. März in Düsseldorf gestartet und waren positiv gestimmt. Gerade den Einwohnern einer so großen Stadt wollten wir mit unserer Lösung einen wirklichen Mehrwert bieten. Mit dem Lockdown Mitte März hat sich aber in der Branche und bei der Zustellung einiges geändert. Bekannte Anbieter boten plötzlich die “kontaktlose Zustellung” bei der die Pakete einfach am Lieferort abgestellt werden, ob der Empfänger nun da ist oder nicht, das spielt hierbei keine Rolle. Durch die erhöhte Zustellquote an der Haustüre, ist die Nachfrage für eine Zustellung aus Paketshops dementsprechend gesunken. Das war für uns ein großes Pech! In Absprache mit unserem Accelerator startport im Duisburger Innenhafen haben wir uns aber schnell auf das wesentliche konzentrieren können und haben durch weitere Produktentwicklungen unsere Plattform ausbauen können. Deshalb können unsere Kunden schon heute den Retourenservice nutzen, den hatten wir eigentlich für einen späteren Zeitpunkt eingeplant. Auch die Entwicklung des Kurierservices wird jetzt schnell ergänzt. Das alles konnten wir während des Lockdowns angehen. Aber auch für die Zukunft haben wir noch weitere Ausbaumöglichkeiten in der Schublade.

Wo steht Mister Postman in einem Jahr?
In einem Jahr wollen wir unseren Service in fast allen Städten des Ruhrgebiets anbieten. Ein weiteres größeres Ziel ist die Stadt Köln Mitte nächsten Jahres. Neben dem Ausbau erhoffen wir uns natürlich einen guten Partner gewonnen zu haben, der bereit ist mit uns den Weg in Zukunft zu gehen und den Markt in den deutschen Metropolen zu erschließen. Ein kleiner Abstecher in benachbarte Länder wäre aber auch gut denkbar.

Reden wir über das Ruhrgebiet. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für das Ruhrgebiet als Startup-Standort?
Nicht nur ich, sondern auch meine Eltern und Großeltern sind im Ruhrgebiet aufgewachsen. Das Ruhrgebiet besteht zwar aus mehreren großen und mittelgroßen Städten, für mich ist es aber eine riesige Stadt. Die Geschichte des Ruhrgebiets ist sagenhaft und kein anderer Teil Deutschlands kann mit unserer historischen Entwicklung mithalten. Heute treffen hier alteingesessene und junge Unternehmen aufeinander, darunter auch viele Startups. Langsam aber sicher entdecken unsere alten Hasen diese innovativen Startups und sind immer mehr daran interessiert diese auch zu fördern. Wir alle können uns also gemeinsam auf die nächsten Jahre freuen.

Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Mülheim an der Ruhr aus?
Wie bereits erwähnt: meine Stadt ist das Ruhrgebiet und wir bekommen Unterstützung aus allen Richtungen: auf der Suche nach einem guten Partner für unsere Entwicklung hat uns der Weg nach Duisburg geführt und haben mit startport einen exzellenten Accelerator gefunden. Auch im benachbarten Essen haben wir mit dem RuhrHub einen starken Supporter gefunden, der uns vor allem in Hinblick auf das Gründerstipendium bestens beraten hat.

Was ist in Mülheim an der Ruhr einfacher als im Rest der Republik?
Ganz konkret ist Mülheim an der Ruhr ist die ideale Stadt für ruhiges und kreatives Arbeiten. Hier kann man auch mal die Seele baumeln lassen und sich auf die wesentliche Dinge fokussieren. Alles was es hier nicht gibt, findet man in unmittelbarer Nähe. Mülheim an der Ruhr ist zudem Geburtsort vieler großer Unternehmen. Tengelmann und ALDI sind die bekanntesten Weltkonzerne aus unserer schönen Stadt an der Ruhr, aber schaut man auf das gesamte Ruhrgebiet, so lassen sich einige Riesen finden. Alles perfekt vernetzt und in einer optimalen räumlichen Nähe zueinander – das macht uns hier keiner so schnell nach.

Was fehlt in Mülheim an der Ruhr bzw. im Ruhrgebiet noch?
Ganz klar: Investoren! Aktuell mahlen die Mühlen im Ruhrgebiet in Hinblick auf die Finanzierung von Startups noch etwas langsamer als in den Startup Hochburgen in Deutschland. Allerdings liegen auch diese auch im Vergleich zu anderen Ländern noch etwas zurück. Ich denke aber, dass wir müssen uns einfach noch ein wenig Zeit geben müssen. Das Potenzial hat das Ruhrgebiet allemal.

Zum Schluss hast Du drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Ruhrgebiet?
Wie viele andere Startups wünsche ich mir mehr Mut von finanzkräftigen Investoren und dass nicht nur im Ruhrgebiet, sondern in ganz Deutschland. Selbstverständlich ist nicht jedes Startup ein Unicorn, aber durch kleine finanzielle Unterstützungen könnten auch aus vermeintlich weniger umsatzstarken Ideen tolle Unternehmen mit Arbeitsplätzen für die Region entstehen. Auch von den Anwohnern des Ruhrgebiets würde ich mir mehr Offenheit für innovative Ideen wünschen. Die traditionsbewussten Einwohner und Unternehmer, welche ich persönlich sehr schätze, lassen den ein oder anderen Gründer manchmal verzweifeln. Als letztes wünsche ich allen Startups aus dem Pott viel Erfolg, Durchhaltevermögen und dass die Gründer nie den Glauben am eigenen Produkt verlieren. Wir schaffen das!

Themenschwerpunkt Ruhrgebiet

#Ruhrgebiet: Gemeinsam mit dem ruhr:HUB berichtet deutsche-startups.de regelmäßig über die Startup-Szene im Ruhrgebiet. Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Digital-Gründer – mehr im Startup Guide Ruhrgebiet. Das Buch “Wann endlich grasen Einhörner an der Emscher” wiederum erzählt die spannendsten Startup- und Grown-Geschichten aus dem Ruhrgebiet.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.