#Gastbeitrag

So schafft ihr es als Gründer in die Presse!

Um Kunden an Land zu ziehen, muss man als Unternehmen in das öffentliche Bewusstsein geraten. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn was passiert, wenn Journalisten einfach nicht an der Idee interessiert zu sein scheinen? Hier einige Dinge, die Startups bei der Pressearbeit unbedingt beachten sollten.
So schafft ihr es als Gründer in die Presse!
Dienstag, 28. Juli 2020VonTeam

Wie man es als Startup in die Medien schafft, weiß niemand besser als Medien-Vertreter selbst! Wir haben dabei aber nicht irgendwelche Medien-Profis gefragt, wie Gründer ihre Pressearbeit zum Erfolg führen können, sondern drei Top-Journalisten, die auch Startup-Erfahrung haben: Für die Standortinitiative nextMedia.Hamburg und ihren Content- und Tech-Inkubator Media Lift haben alle unsere Experten schon Gründer beraten. Lest hier, welche Tipps Sie in Sachen PR auf Lager haben.

Meinolf Ellers, dpa

Meinolf Ellers ist Chief Digital Officer bei der Deutschen Presse-Agentur dpa und Managing Partner des Startup-Beschleunigers next media accelerator. Die Nachrichtenagentur und weitere 29 namhafte Unternehmen investieren damit seit 2015 in Medien- und Marketing-Gründer. Darüber hinaus sitzt Ellers in der Jury des Inkubators MEDIA LIFT von nextMedia.Hamburg, der als Fast Track für Entrepreneure in die Content-und Tech-Welt gilt.

“Wenn ich einen PR-Leitfaden für Gründer entwickeln müsste, wäre mein erster Tipp: Für alles im Startup-Leben gibt es einen richtigen Zeitpunkt. Das gilt auch für Pressearbeit! Der richtige Zeitpunkt für Pressearbeit hängt maßgeblich von der Entwicklungsphase ab, in dem sich das Startup befindet. In Phase 1, der Inkubation, wird aus meiner theoretischen Geschäftsidee ein funktionierender Prototyp. In Phase 2, der Acceleration, teste ich diesen Prototypen zusammen mit ersten Pilotkunden bis zur Marktreife. Und in Phase drei, der Skalierung, kann ich mich dann ganz aufs Wachstum konzentrieren. In dieser letzten Phase kann ich als Startup meist gar nicht genug Presse haben, um möglichst viele potenzielle Kunden oder Investoren auf mich aufmerksam zu machen. In Phase 1 und 2 können Medienberichte aber auch regelrecht schädlich sein, weil sie falsche Erwartungen wecken und enormen Druck aufbauen können. Ich rate Startups daher immer: Konzentriert euch erst einmal darauf, euren Job zu machen. Je besser ihr den macht, desto besser wird auch die Geschichte, die ihr später erzählen könnt.
Denn das ist neben dem richtigen Zeitpunkt der nächste wichtige Schlüssel zu erfolgreicher Pressearbeit: das richtige Storytelling! Ich habe schon Gründer erlebt, die absolute Traumtänzer waren und dachten, die haben so tolle Ideen, dass sie die Tagesschau nur einmal anrufen müssen und die kommt sofort mit zwei Kamerateams. Die Wahrheit ist: Ein Startup ist nur so relevant für Medien – vom lokalen Anzeigenblatt bis zur Tagesschau – wie der Mehrwert, den es für deren eigene Zielgruppen liefert. Das Gute ist: Viele Gründer sind durch Pitches bei potenziellen Kunden oder Investoren bereits gewöhnt, ihr Produkt zu erklären und relevant zu machen. Bei Medien gilt dasselbe Prinzip: Je größer das Problem, das ich löse, und je größer die Gruppe, für die ich ein Problem löse, desto größer auch die Chance, dass ich dafür schon sehr früh auf ein breites Interesse stoße. Bereits in Phase 1 kann zum Beispiel eine noch nie da gewesene Idee erste Journalisten auf den Plan rufen. Die Frage, ob das Startup diese auch wirklich umsetzen kann, zählt da noch nicht. Wenn die Idee alleine jedoch keine Redaktion überzeugt, können in Phase 2 erste konkrete Anwendungsfälle und womöglich namhafte Referenzkunden helfen, Glaubwürdigkeit und Relevanz herzustellen. Zuguterletzt hat natürlich jede Regel Ausnahmen. In Sachen Pressearbeit bei Startups gibt es zwei Stück: Wenn schon sehr früh sehr erfahrene Investoren einsteigen oder der Gründer selbst bereits eine bekannte Persönlichkeit ist, interessiert die Welt sich natürlich schon früher für das Businessmodell – und entsprechend auch die Medien!”

Benjamin Denes, SPIEGEL

Benjamin Denes ist leitender Redakteur im Video-Ressort des SPIEGEL. Darüber hinaus arbeitet der Online-, Fernseh- und Hörfunk-Journalist als Trainer und Berater für Redaktionen. Mit seinem journalistischen als auch technischem Fachwissen steht er auch Startups zur Seite – zusammen mit der Standortinitiative nextMedia.Hamburg. Außerdem hat er selbst schon Gründer-Erfahrung gesammelt und mit dem Videoportal planestream 2017 das „Netflix für Flugzeug-Fans“ geschaffen.

“Die erste Lektion, die ich bei meinem eigenen Startup gelernt habe, war eine harte: Gründer sollten nicht dem Irrglauben verfallen, ihr Startup sei außerhalb ihrer Szene wirklich relevant. Außerhalb von Fachdiensten wird eher selten gezielt ein Artikel oder ein TV-Beitrag über ein Startup geschrieben. Generell können sich Gründer die Frage nach den Nachrichtenfaktoren stellen, um einzuschätzen, ob Pressearbeit für sie wirklich Sinn ergibt: Machen wir etwas, das bahnbrechend, gesellschaftlich relevant und auch für Laien erkennbar neu und anders ist? Ist die Innovation, das Geschäftsmodell des Startups gleichzeitig auch für das Publikum gewisser Medien relevant? Oder sind die Methode, das Gründerteam oder irgendein anderes Detail besonders? Kann ein Journalist daraus eine spannende Geschichte machen? Wer keine dieser Fragen mit Ja beantworten kann, wird es schwer haben, Aufmerksamkeit von der Presse zu erhalten. Das heißt aber nicht, dass der geringere Bekanntheitsgrad von Startups grundsätzlich ein Nachteil sein muss – im Gegenteil! Journalisten mögen Sujets, über die noch nicht zigfach berichtet wurde. Umso wichtiger ist es also, dass junge Unternehmen in der Pressearbeit eben nicht nur eine spannende Geschichte verbreiten, sondern unterschiedliche Ansätze und kontinuierlich daran weiterarbeiten. Das kann sich insbesondere mit Hinblick auf aktuelle Trends und Entwicklungen lohnen, in deren Rahmen das Startup gut reinpasst. Ein Beispiel: Ich habe in den vergangenen Jahren viele Pressemitteilungen und Informationen von Startups für Home-Office-Lösungen erhalten. In der Corona-Krise bekam dieses Thema eine völlig neue Bedeutung. Schreibe ich nun an einer Geschichte über Krisengewinner aus Deutschland, ist es durchaus wahrscheinlich, dass ich auch eines der Startups anfrage, die mir lange Informationen zugeschickt haben. Was mich persönlich nur nervt, sind sehr offensive Anschreiben etwa via LinkedIn oder E-Mail dieser Art: “Ich möchte Sie auf unser Startup hinweisen. (…) Wir wollen den Markt für Stocklocken-Wickler revolutionieren. (…) Ist das nicht auch einen Bericht auf Ihrer Website wert?” Das empfinde ich als eine Art kalte Akquise in der Pressearbeit und wird von mir als Journalisten konsequent mit Missachtung gestraft, vor allem wenn es sich um Startups aus Branchen handelt, mit denen ich als Journalist nie etwas zu hatte. Dagegen halte ich PR mithilfe von auf Medienvertreter gezielt ausgerichtete Ansprache für durchaus wirkungsvoll, ebenso wie intelligentes Seeding. Und: Natürlich freue ich mich über Anschreiben, die zeigen, dass sich jemand mit meiner Arbeit auseinandergesetzt hat. („Ich habe kürzlich Ihren Bericht über Kabinenbeleuchtung in Großraumflugzeugen gesehen. Unser Startup beschäftigt sich mit dimmbaren Flugzeugfenstern. Vielleicht interessieren Sie sich für ein paar technische Hintergründe?“)”

Björn Staschen, NDR

Nach Stationen als Reporter für NDR und ARD, Auslandskorrespondent in London und Chef vom Dienst führt der NDR unter Björn Staschens Projektleitung aktuell die Nachrichtenredaktionen von TV, Radio und Print zusammen. Mit dem NextNewsLab rief er außerdem eine Innovationseinheit des NDR ins Leben, um die Digitalisierung im Nachrichtenbereich voranzutreiben. Für nextMedia.Hamburg engagiert er sich zudem als Mentor für Startups in den Branchen Medien und Digitales.

“Manche Startups folgen bei der Medienarbeit einem Impuls, den viele kennen: Erstmal eine Pressemitteilung schreiben und dann möglichst breit verschicken. Aus meiner Sicht bringt das meist wenig bis gar nichts. Dagegen gewinnt gezielte Kommunikation! Was das heißt? Aus meiner Sicht zwei Dinge: Zum eine n ist es erfolgversprechender, einzelne Journalisten gezielt anzusprechen als gleich alle Redakteure eines Mediums mit einer Massen-E-Mail zu langweilen, die mit „Liebe Redaktion“ beginnt. Zum anderen steigen die Chancen auf Berichterstattung, wenn das Thema passgenau zu Journalist, Medium und dessen Zielgruppe passt. Viele Redaktionen sind aufgeteilt in unterschiedliche Themen-Ressorts, und Redakteure haben eigene Spezialgebiete. Die zuständigen Ansprechpartner lassen sich in der Regel leicht recherchieren: Entweder googeln, wer bei dem gewünschten Medium schon mal einen Beitrag zu meinem Thema geschrieben hat, oder im Impressum schauen, wie die Redaktion organisiert ist. Ob per E-Mail, Anruf oder auch per Twitter: Wie die Ansprache letztlich passiert, ist egal. Wichtig ist nur, die Story klar zu formulieren. Sie sollte zu aktuellen Themen passen und echten Nutzen für das Publikum des Mediums bieten. Ein Beispiel: In meinem wöchentlichen TechTalk auf Tagesschau24, den ich mit Marcus Schuler aus San Francisco führe, haben wir in Corona-Zeiten viel über Zoom berichtet – über Sicherheitsbedenken, aber auch über Startups, die um Umfeld von Zoom entstehen. Als uns dann ein Startup aus Aachen kontaktierte, das Ähnliches bietet, war es natürlich Thema im Talk. Im Nachrichtengeschäft und generell online kommt es anders als etwa bei gedruckten Special-Interest-Magazinen mit langen Vorläufen besonders aufs Timing an. Da lohnt es, sich vorher zu fragen: Passt das, was ich tue, auch zu aktuellen öffentlichen Debatten, breit platzierten Themen? Oder kann ich mein Thema so aufbereiten, dass es passt? Kann ich als Experte zu aktuellen Diskussionen oder kann mein Produkt als Lösung zu aktuell diskutierten Problemen beitragen? Falls ja, heißt es: schnell reagieren. Denn die Sau, die heute durchs Dorf getrieben wird, ist morgen oft schon wieder vergessen!”

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Foto (oben): Shutterstock