#Interview

“Man darf sich nie sicher sein, dass alles so bleibt, wie es gerade ist”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Wir bewegen uns immer auf neuen Wegen, müssen um die Ecke denken und testen Dinge, die sich vielleicht erst mal verrückt anhören. Das ist unser tägliches Brot und genau das macht Spaß", sagt Sebastian Wagner, Gründer von Hausgold.
“Man darf sich nie sicher sein, dass alles so bleibt, wie es gerade ist”
Freitag, 7. August 2020VonAlexander

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Heute antwortet Sebastian Wagner, Gründer von Hausgold. Bei jungen Startup finden Immobilienverkäufer den passenden Makler.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Normalerweise stehe ich um 6 Uhr früh auf. Ich kann es nicht lassen, dass ich dann erstmal die Zahlen vom Vortag checke. Das ist mein erstes To-do. Zum Glück weiß das mein Team aus der Business Intelligence: Sie schicken mir die Zahlen immer pünktlich jeden Tag um 5 Uhr früh. Dann geht es zwischen 8 und 9 Uhr ins Büro, wo ich die ersten Stunden des Tages durchplane und strukturiere. Das heißt konkret: Ich schaue, welche Meetings anliegen und was die wichtigsten Themen sind, die ich an dem Tag voranbringen möchte. Dann beantworte ich die ersten Mails und ab 9 Uhr gehen dann normalerweise die ersten Meetings los.  Am Abend so ab 19 Uhr habe ich dann etwas mehr Ruhe und Zeit, die Meetings nachzubearbeiten, weitere Mails zu beantworten, Reportings zu lesen, mich über Neuigkeiten in der Branche zu informieren etc.  Dann geht es nach Hause, ich nehme mir Zeit für die Familie. Und wenn dann noch was Wichtiges ansteht, arbeite ich auch gern nochmal so ab 22 Uhr für ein paar Stunden.

Wie schaltest du nach der Arbeit ab?
Ich bin frisch Vater geworden. Wenn ich die Kleine sehe, dann kann ich super abschalten. Aber eigentlich muss ich nicht groß abschalten, denn ich denke immer gerne an die Firma und die tollen Möglichkeiten, die wir haben, um Hausgold weiter zu entwickeln. Mir persönlich macht es einfach Spaß an einer Firma zu arbeiten, besonders wenn sie noch so große Potenziale hat. 

Was über das Gründer-Dasein hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Manchmal ist es auch gut, wenn man nicht alles weiß und es durch „Try and Error“ lernt. Deshalb wäre ich auch immer wieder den Weg gegangen, direkt aus der Uni als Unternehmer zu starten. Eins kann man aber sicher festhalten: Es ist sehr viel Arbeit, es dauert immer alles länger als gedacht und man darf sich nie sicher sein, dass alles so bleibt, wie es gerade ist – im Guten wie im Schlechten. 

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Von Beginn an lag die größte Herausforderung wohl in der Besonderheit unseres Modells: Vom ersten Kundenkontakt bis zum Verkauf einer Immobilie vergehen mehrere Monate. Da wir erst beim Verkauf des Objekts unseren Umsatz erwirtschaften und wir als Asset-Light-Plattform mit selbstständigen Maklern zusammenarbeiten, ist es nicht einfach, den gesamten Prozess zu begleiten und die Umsätze zu realisieren. Das führte zum Beispiel dazu, dass es eine Herausforderung war, Investoren zu überzeugen. Insbesondere weil die Umsätze aus den hohen Marketingkosten und auch der Erfolg von weiteren Maßnahmen erst spät gemessen werden konnten. Auch der Aufbau eines richtig guten Maklernetzwerk hat lange gedauert und war kostspielig. Dafür kann ich jetzt sagen: Die Begleitung dieses langen Prozesses ist mittlerweile unsere Stärke. Denn wir haben mit unserer transaktionsbasierten Plattform und Dateninfrastruktur mittlerweile ein sehr gutes Fundament aufgebaut. Wir können zukünftige Umsätze sehr genau prognostizieren und die Tests im Marketing oder bei neuen Prozessen frühzeitig bewerten. Zudem bildet ein Netzwerk aus mehr als 3.000 Maklern die Grundlage für unser Geschäft. In Zahlen heißt es: In deutlich weniger als sechs Monaten – früher war es über ein Jahr – haben wir mittlerweile unsere Marketing- und Personalkosten zurückverdient. Genau der richtige Augenblick also, um noch mehr aufs Gaspedal zu drücken. 

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Ich bin seit 10 Jahren Unternehmer und weiß, dass Fehler auf dem Weg zum Ziel dazugehören. Um welche zu nennen: Es ist schon passiert, dass wir den falschen Partnern vertraut oder zu lange an Mitarbeitern festgehalten haben, die gar nicht wirklich zum Aufgabenprofil passen. Organisatorische Fehler sehe ich darin, dass die Arbeit zeitweise zu wenig zielgerichtet verlief. Letztlich bringen Fehler uns aber weiter – und wir lernen daraus. 

Wie findet man die passenden Mitarbeiter für sein Startup?
Da gibt es mehrere Wege: Mitarbeiter kommen zum Beispiel über Empfehlungen, über Bewerbungen oder über Direktansprachen. Davon kriegen wir genügend, schwer ist es dann aber, ein wirklich gutes Teamgefüge hinzubekommen und die passenden Mitarbeiter für unser Umfeld zu finden. Wir haben auch schon erlebt, dass an sich gute Mitarbeiter bei uns im Startup mit kurzen Wegen, Hands-on Mentalität und der Geschwindigkeit nicht glücklich waren und nicht ihre volle Leistung einbringen konnten. Wir versuchen deshalb neben der normalen fachlichen Leistung besonders auch das Teamgefüge mit zu berücksichtigen. Personalentscheidungen treffen wir nicht nach Bauchgefühl, sondern führen mehrere, standardisierte Gespräche und greifen auf Persönlichkeitstests zurück, um das Team fachlich und persönlich optimal zusammenstellen zu können. Ohne ein gutes Team geht es nicht.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer?
Überlegt euch vor der Gründung genau, was die Erfolgsfaktoren sind, um euer Geschäft erfolgreich zu machen. Stellt euch die Fragen: Können wir diese selbst gut abdecken oder haben wir zumindest einen Plan wie dieses zukünftig geschehen soll? Denn irgendwo wird es ein anderes Team geben, das genau an der gleichen Idee arbeitet. Und da hilft es schon, bei den entscheidenden Faktoren besser zu sein. Wenn ihr das für euch geklärt habt, solltet ihr möglichst schnell und ohne große finanzielle Mittel eure Annahmen für ein erfolgreiches Business validieren. Oft reicht es, einfach mal den Hörer in die Hand zu nehmen und ein paar potenzielle Kunden anzurufen. Bevor man eine umfassende Website baut und eine Firma gründet, sollte man ein Gefühl für den Markt, den Kunde und die Umsetzbarkeit bekommen. 

Ohne welches externes Tool würde dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Ehrlich gesagt sind wir auf externe Tools gar nicht so festgelegt. Natürlich nutzen wir auch Slack, Github, Outlook etc., das ist heutzutage Standard. Aber am Ende merken wir immer wieder, dass die Diskussion um das richtige Tool uns nie so richtig weitergebracht hat und kriegsentscheidend war. Es geht mehr darum, das richtige Mindset zu haben und schnell zu sein. Dabei können Tools helfen, sind aber nicht der entscheidende Erfolgsfaktor. Für uns deutlich wichtiger: Die Frage, wie wir die Zusammenarbeit zwischen Verkäufer, freien Maklern und Hausgold mit unserer Plattform so stark vereinfachen und transparenter machen, dass wir wirklich den Immobilienverkauf nachhaltig verändern.

Wie sorgt ihr bei eurem Team für gute Stimmung?
Ganz wichtig: Offene und ehrliche Kommunikation. Klare Ziele und Leitplanken vorgeben. Wir versuchen also alles, damit die Rahmenbedingungen stimmen, dann kann der Mitarbeiter seine optimale Leistung bringen. Ich lege Wert darauf, unsere Mitarbeiter mit regelmäßigen Entwicklungs- und Feedbackgesprächen zu unterstützen und auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. So wird die Motivation hoch gehhalten und die Mitarbeiter dazu zu gebracht, Außergewöhnliches zu leisten. Am Ende muss der Mitarbeiter dann aber auch den Willen haben, diesen Weg mit uns zu gehen. Klar machen wir auch Teamevents, es gibt kostenlose Getränke und andere Benefits, was man halt so im Startup macht.  Aber das ist aus meiner Sicht nicht das Entscheidende, damit unsere Leute gern zu Arbeit kommen.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Für mich gibt es jetzt nicht DAS wildeste Startup-Erlebnis, sondern eher mehrere bzw. ein Startup zu gründen ist per se ja schon wilder Ritt! Wir bewegen uns immer auf neuen Wegen, müssen um die Ecke denken und testen Dinge, die sich vielleicht erst mal verrückt anhören. Das ist unser tägliches Brot und genau das macht Spaß. Gerade am Anfang geht es sehr wild zu, insbesondere wenn die Firma schnell wächst. Dann heißt es, zügig Strukturen reinzukriegen, Gehälter zahlen, Prozesse einführen, das Team auf Spur bringen etc. Parallel dazu muss man sich mit unvorhergesehenen Dingen beschäftigen, wie zum Beispiel Betrugsversuche und Co. und ich als Gründer muss trotzdem alle Bälle gleichzeitig in der Luft halten. 

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

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Foto (oben): Hausgold

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.