#Hintergrund
Mit dem Bulli zum Multimillionenexit
Mitten in der Bochumer Innenstadt, nur einen kurzen Fußweg voneinander entfernt, haben Stefan Peukert und Daniel Schütt innerhalb weniger Jahre bereits zwei bemerkenswerte Startups aufgebaut. Zu einen schufen die beiden Jungunternehmer 2011 die Firma Employour. Der milliardenschwere Medienkonzern Bertelsmann übernahm im Jahre 2015 das Startup, das bis heute mehrere Website zu den Themen Karriere- und Berufsplanung betreibt. Zu Employour, das damals wie heute im Bermuda3eck residiert, gehörten Plattformen wie Meinpraktikum.de, Ausbildung.de, Karista.de, Trainee.de und Meineuni.de. Das Unternehmen beschäftigte rund um den Verkauf etwa 85 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz in Höhe von rund fünf Millionen Euro. Der Kaufpreis – wenige Jahre nach dem Start – soll ein ordentlicher zweistelliger Millionenbetrag gewesen sein. Dieser Exit ist weiterhin einer der größten der jungen Startup-Szene im Revier. Zudem brachte der Verkauf an Bertelsmann die Digitalwelt im Ruhrgebiet bundesweit auf die Agenda vieler Menschen.
Nach dem Exit wollten die Ruhrpreneure Peukert und Schütt eigentlich mehrere Jahre bei Bertelsmann bleiben, den Konzern digitalisieren und Employour noch größer, noch bekannter machen. In die behäbige und vor allem langsame Konzernwelt passten die beiden umtriebigen und ehrgeizigen Gründer dann aber doch nicht – und so trennten sich die Wege der Employour-Macher und des Konzerns schneller als geplant. Peukert zog für mehrere Monate in die USA, nach San Francisco. Vor allem um „irgendwie Abstand zu bekommen und über alles zu reflektieren“. Schütt, Vater zweier Kinder, blieb dagegen im Ruhrgebiet.
Nach einer Phase der Rückschau dachten beide aber schnell wieder über ein neues Projekt nach. Und an diesem Projekt werkelt das dynamische Ruhrpott-Duo derzeit – und zwar mit Blick auf den Bochumer Husemannplatz. Hinter Masterplan verbirgt sich ein megaspannender Video-Lerndienst, der sich an Unternehmen und deren Mitarbeiter richtet. Das Startkapital dafür stammte selbstredend unter anderem aus dem Verkauf von Employour.
„Die Geschichte von Masterplan, sie ist quasi die Fortsetzung der Geschichte von Employour“, sagt Revierler Peukert. Es geht darum, die Chancen und Herausforderungen in Sachen Digitalisierung zu erlernen. Die kostenpflichtigen Videokurse kann jeder Nutzer im eigenen Internetbrowser direkt starten. Ergänzt werden die lehrreichen Filmchen der Plattform, die ein klein wenig an die gigantische Videoplattform Netflix erinnert, am Schluss durch kurze Wissensfragen. So kann jeder das zuvor Erlernte überprüfen und wie bei vielen Onlinespielen Punkte für richtige Antworten sammeln. Gamification nennt sich dieses Mischung aus spielerischen Elementen und Dingen, die sonst gar nichts mit Spielereien zu tun haben.
Neben den Masterplan-Gründern glauben bereits auch einige Business Angels – darunter der Poco-Gründer Peter Pohlmann, der Trivago-Gründer Rolf Schrömgens und der Kölner Seriengründer Thomas Bachem – an das lehrreiche Konzept. Zudem investierte auch der bekannte Essener Geldgeber Tengelmann Ventures in Masterplan – und dies nicht nur aus Liebe zum Standort Ruhrgebiet. E-Learning, die Weiterbildung über das Internet, gilt als ganz großer Zukunftsmarkt. Und solvente Unternehmen als Zielgruppe, die im besten Fall gleich Abos für dutzende Mitarbeiter abschließen, sind deutlich lukrativer als klamme Privatpersonen, die nur für sich selbst zahlen. Kurzum: Wenn das Konzept von Masterplan, das schon über 30 Mitarbeiter beschäftigt, aufgeht, kann das Unternehmen noch viel größer als Employour werden. Der Weg dahin dürfte aber schwieriger als bei Employour sein. Weiterbildung ist zwar ein Riesenthema, die Zielgruppe, also Unternehmen, braucht aber immer sehr lange, bis sie Gelder für solche Maßnahmen dann endlich mal freigibt.
Mit wie viel Ehrgeiz die Masterplan-Gründer ein Unternehmen hochziehen können, haben sie bei Employour bereits eindrucksvoll bewiesen. Keimzelle war die Website Meinpraktikum.de. Von Anfang an entwickelte sich die Online-Plattform von einer reinen Bewertungsseite für Unternehmen zu einem Bewertungsdienst samt angeschlossener Stellenbörse sowie einer Präsentationsfläche für Firmen, die auf der Suche nach Praktikanten sind. An die Anfänge in Witten kann sich Peukert noch sehr gut erinnern: „Wir sind im Bulli durch die Gegend gefahren und haben Studenten Papierbögen ausfüllen lassen, die wir abends in den Computer getippt haben.“ Merke: Die Digitalisierung einer Branche fängt halt manchmal mit Papier und vor Ort, also offline, an.
Kennengelernt haben sich Stefan Peukert und Daniel Schütt beim Studium an der Universität Witten/Herdecke. Peukert wurde 1983 im fernen Mühlhausen in Thüringen geboren, lebt aber bereits seit seinem fünften Lebensjahr in Bochum. Schütt wiederum erblickte 1985 in Würselen bei Aachen das Licht der Welt. Erst fürs Studium zog er in den Pott. Anfangs bauten die leidenschaftlichen Gründer Employour komplett ohne fremde Geldgeber auf. Erst später investierte etwa Poco-Gründer Pohlmann ins Unternehmen. Dessen Folgeinvestment in Masterplan zeigt, dass man sich gegenseitig schätzt und vertraut.
Bis Employour damals aber in die Gänge kam, war es ein langer, harter und ein sehr lehrreicher Weg. Zunächst setzten die Jungunternehmer 80000 Euro aus eigener Tasche auf ihre Idee, Praktikumsplätze über das Internet zu vermitteln und die Arbeitsverhältnisse von Praktikanten in bestimmten Unternehmen zu bewerten. „Wir haben wirklich alles zusammengekratzt, was da war. Einschließlich einer Privatbürgschaft. Wenn Employour nicht geklappt hätte, wäre alles weg gewesen“, erinnert sich Peukert. Und das wäre auch kurz nach dem Start fast passiert.
Rund 35 000 Euro ihres Startkapitals investierten die unerfahrenen Gründer in eine sogenannte SEO-Agentur. Search Engine Optimization, kurz SEO, gilt für viele Startups als der Heilige Gral. Nur wer seinen Online-Auftritt fit für Google macht, der kann auch wirklich von seinen potenziellen Nutzern und den Kunden gefunden werden. Suchmaschinenoptimierung, so der deutsche Fachbegriff für dieses Unterfangen, ist aber kein leichtes Spiel. So war es auch bei Employour. Der schnelle Erfolg der teuren Maßnahme blieb aus. Auch nach anderthalb Jahren gab es noch keinen messbaren Erfolg. „Wir haben dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion allen Agenturen und externen Dienstleistern fristlos gekündigt – mit allen Vertragsstrafen, die damit fällig wurden – und uns gesagt: Wenn etwas so wichtig für den Erfolg des Unternehmens ist, dann müssen wir es selber lernen“, erzählt Peukert sehr selbstbewusst. Und das taten die Ruhrgebietler dann auch.
Und es ging alles noch viel weiter: Ab diesem Zeitpunkt musste auch jeder Vertriebsmitarbeiter bei Employour wissen, was SEO ist und wie es funktioniert. Der Erfolg kam danach zwar nicht über Nacht, aber alleine bei Ausbildung.de stiegen die Seitenabrufe innerhalb von drei Jahren von 5000 auf fünf Millionen pro Monat. „Daraus ist die Erkenntnis gewachsen, dass man als Unternehmen nur erfolgreich sein kann, wenn das Knowhow in der Organisation vorhanden ist“, lautet das Fazit von Peukert. „Man muss die eigenen Mitarbeiter fit und schlau machen“, führt er weiter aus und zieht einen Bogen von Employour zum jetzigen Unternehmen. So sei schon damals die Grundidee zu Masterplan entstanden.
Die Erkenntnis kam dann allerdings erst Ende 2016, als sie zusammen im Sauerland – gemeinsam mit Sebastian Deutsch vom Bochumer Unternehmen 9elements – nach neuen Ideen für eine weitere Gründung suchten. Die Ruhrgebietler grübelten zwei Tage lang über unzählige Ideen. Am Ende waren sie nicht schlauer als zuvor und hatten alle Einfälle zerredet und verworfen. „Schließlich hatten wir gar nichts mehr“, erinnert sich Peukert. Und so besannen die Jungunternehmer sich zurück zu ihren Ursprüngen, machten sich Gedanken darüber, wie sie als Betriebswirtschaftler es überhaupt hatten schaffen können, erfolgreich ein Digitalunternehmen aufzubauen. „Erst nachdem wir wirklich jedem in unserem Unternehmen digitale Kompetenz beigebracht hatten, ging Employour richtig ab“, bringt es Peukert, der in seiner Freizeit gerne Poker spielt – und zwar richtig gut – auf den Punkt. „Die Zeit im Sauerland hat im Endeffekt dazu geführt, dass die Idee zu Masterplan entstanden ist“, erinnert sich Familienvater Schütt. Und viele der Erfahrungen aus dem Aufbau von Employour nutzen die Masterplan-Macher, um ihre zweite gemeinsame Gründung schneller zum Erfolg zu führen.
Ohne Missgeschicke lief es aber auch beim zweiten Mal nicht. „Man macht halt neue Fehler“, sagt Schütt. Es sei aber jetzt etwas anders, führt er weiter aus. „Wir sind jetzt noch gieriger.“ Und dies sei positiv zu verstehen. Die Bochumer würden nicht noch mehr Geld verdienen wollen, sie wollten einfach ein noch größeres Unternehmen aufbauen. Ihr Ziel: aus Masterplan ein „globales Bildungsunternehmen“ machen. Und langfristig, da solle Bochum deswegen nicht der einzige Standort bleiben. Das Motto: In Bochum daheim, in der Welt zu Hause. „Wir sind mittlerweile sehr verankert in Bochum. Wir mögen die Stadt sehr, sehr gerne. Nur der VfL könnte ein bisschen erfolgreicher sein.“
Ein Auszug aus dem großen Startup-Buch “Wann endlich grasen Einhörner an der Emscher“. #EmscherEinhörner
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#Ruhrgebiet: Gemeinsam mit dem ruhr:HUB berichtet deutsche-startups.de regelmäßig über die Startup-Szene im Ruhrgebiet. Mit hunderten Startups, zahlreichen Gründerzentren und -initativen, diversen Investoren sowie dutzenden Startup-Events bietet das Ruhrgebiet ein spannendes Ökosystem für Digital-Gründer – mehr im Startup Guide Ruhrgebiet. Das Buch “Wann endlich grasen Einhörner an der Emscher” wiederum erzählt die spannendsten Startup- und Grown-Geschichten aus dem Ruhrgebiet.
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