#Gastbeitrag
Was der B2C-Onlinehandel vom B2B-Geschäft in der Kundenbindung lernen kann
Auch im vergangenen Jahr konnte der Onlinehandel in Deutschland ein erneutes Wachstum verzeichnen. Wie die mittlerweile alljährliche Studie des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) Ende 2019 feststellte, lag das Branchenwachstum im Vergleich zum Vorjahr bei gut zwölf Prozent. Erstmalig wurde so die Umsatzgrenze von 70 Milliarden Euro geknackt. Alles in allem also rosige Zeiten für den deutschen E-Commerce? Es stimmt: Der Branche geht es gut. Doch in Zeiten, wo das nächste Angebot für Konsumenten nur einen Klick entfernt ist, dürfen insbesondere Online-Merchants im B2C-Segment ihre Bestandskunden nicht als selbstverständlich erachten. Der Wettbewerb wird härter. Obwohl bereits sechs Prozent abwandernde Kunden pro Monat den Kundenstamm für E-Commerce-Unternehmen innerhalb eines Jahres halbieren können, legen immer noch zu wenige den Fokus auf Kundenbindungsprogramme. Im B2B-Geschäft ist der Fokus auf Bestandskunden deutlich präsenter, da der Wert des einzelnen Kunden höher ist. Kundenbindung ist essentiell für den Unternehmenserfolg im B2B.
Während B2C-Onlinehändler einen Großteil ihres Marketingbudgets vor allem für die Neukundengewinnung aufwenden, zeigt die Realität, dass Bestandskunden mindestens genauso wichtig sind – wenn nicht gar wichtiger. Denn die Customer Retention, also die Fähigkeit, Besucher zum Wiederkauf zu bewegen, geho?rt neben Traffic, Conversion und der Warenkorbgro?ße zu den entscheidenden Umsatzfaktoren im E-Commerce. B2B-Unternehmen stellen die Customer Retention deutlich häufiger in den Mittelpunkt – auch, weil Upselling und Folgekäufe „günstigeren” Umsatz versprechen als die Neukundengewinnung allein. Ein Prinzip, das auch Gründer und Marketeers im B2C-Onlinehandel berücksichtigen sollten. Zufriedene Kunden sind gu?nstiger und leichter zu aktivieren, sie kehren zuru?ck und ta?tigen ha?ufiger Wiederka?ufe und bringen so mehr Umsatz und Gewinn. Im Ergebnis sorgen zufriedene Kunden durch ho?here Wiederkaufsraten und ho?here Warenkorbgro?ßen bei gleichzeitig niedrigen Investitionskosten fu?r einen positiven Return on Investment.
Retention als Umsatzgarant
Bei jedem Online-Merchant geht es unterm Strich immer um die alles entscheidende Frage: Wie lässt sich auf lange Sicht der Umsatz gezielt und nachhaltig steigern. Die Antwort darauf sind vier Faktoren – Traffic, Conversion, Warenkorb und die Retention. Die Praxis zeigt, dass Kundenbindung dabei der entscheidendste ist. Bereits eine nur geringfügig höhere Retention Rate kann den Umsatz im E-Commerce stark ansteigen lassen. Um also langfristig das Umsatzpotenzial im E-Commerce auszuschöpfen, ist es notwendig, möglichst viele Stammkunden zu halten und Neukunden durch erfolgreiche Bindungsmaßnahmen in Fürsprecher des eigenen Unternehmens zu verwandeln. Doch wie lässt sich die Customer Retention zufriedenstellend messen und basierend darauf ableiten, welche Maßnahmen getroffen werden müssen?
Die zentralen Customer-Experience-Metriken:
NPS
NPS steht für Net Promoter System und bezeichnet eine Umfragemethodik, die 2003 von der Unternehmensberatung Bain & Company zur Ermittlung und Verbesserung der Kundenzufriedenheit und -bindung entwickelt wurde. NPS zeichnet sich durch eine hohe Rücklaufquote aus und ermittelt sowohl qualitativ als auch quantitativ, mit welcher Wahrscheinlichkeit Kunden ein Produkt oder einen Service weiterempfehlen würden. Kunden werden hier – entsprechend ihrer abgegebenen Wertung – in Promotoren (Bewertung von 9-10), Passive (Bewertung von 7-8) und Detraktoren (Bewertung von 0-6) geclustert. Daraus errechnet sich der Net Promoter Score. Unzufriedene, potenziell abwandernde Kunden lassen sich so schnell erkennen, mit personalisierten Maßnahmen zurückzugewinnen und Abwanderungsgründe analysieren sowie Verbesserungen identifizieren. Promotoren können wiederum durch Loyalty-Programme noch stärker an die eigene Marke gebunden und im besten Fall als aktive Fürsprecher gewonnen werden. Bekannte Marken, die auf die NPS-Methodik setzen, sind beispielsweise Douglas, momox, Penta, ATU, Mister Spex, Foodspring, Carhartt oder Jochen Schweizer.
CSAT
CSAT steht für Customer Satisfaction Score. Mit ihm lässt sich die Kundenzufriedenheit anhand der ju?ngsten Interaktion erheben – oft ein Kauf oder ein Anruf aus dem Kundendienst. Der CSAT kann flexibel und individuell an die jeweilige Situation angepasst werden. Im CSAT-Format ko?nnen auch mehrere Fragen gestellt werden, deren Antworten dann fu?r einen zusammengesetzten CSAT-Score gewichtet werden. Dennoch ist es ratsam, die Umfrage einfach zu halten. Auch hier kann mit einer offenen Folgefrage gearbeitet werden, um den jeweiligen Touchpoint der Customer Journey genauer zu analysieren und Verbesserungspotenzial im Unternehmen zu identifizieren.
CES
Der CES, abgekürzt für Customer Effort Score, wird auf einer numerischen Skala bewertet und fragt den Kunden: „Wie aufwendig war die Bearbeitung Ihrer Anfrage?”. Ziel ist es, die „Mu?helosigkeit” als wichtiges Attribut fu?r Kundenzufriedenheit zu ermitteln. Der CES wir oft im Kundenservice oder Support eingesetzt und ermo?glicht die Identifikation und Behebung von Hindernissen entlang der Customer Journey. Auch mit dem CES lassen sich Wiederkaufsraten voraussagen, was ihn zu einer wichtigen CX-Metrik macht und zu einer Grundlage fu?r die Steigerung des Customer Lifetime Values.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass B2C-Merchants insbesondere in puncto Kundenbindung von B2B-Unternehmen lernen können. Während B2C-Onlinehändler noch zu oft den Ansatz „Aus den Augen, aus dem Sinn” in Bezug auf ihre Kundschaft vertreten, haben B2B-Unternehmen verstanden, dass Customer Retention ein integrales Werkzeug für den nachhaltigen Unternehmenserfolg darstellt. Die Praxis zeigt, dass insbesondere E-Commerce-Unternehmen im B2C-Bereich Methodiken zur Messung von Kundenzufriedenheit und -bindung nutzen sollten. Die relevantesten Metriken sind hier NPS, CSAT und CES.
Über den Autor
Paul Schwarzenholz ist Mitgründer und Geschäftsführer von zenloop, einer Experience-Management-Plattform. Die SaaS-Lösung wurde 2016 von Schwarzenholz, Björn Kolbmüller und Lukasz Lazewski gegründet und sitzt mit rund 60 Mitarbeitenden in Berlin. Nach dem Abschluss seines Studiums in Business Administration an der HHL Leipzig Graduate School of Management startete Paul Schwarzenholz seine berufliche Karriere im Bereich Unternehmensberatung bei Bain & Company. Anschließend gründete er zusammen mit Björn Kolbmüller die Online-Parfümerie Flaconi, die erfolgreich an ProSiebenSat.1 verkauft wurde.
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