#Interview

Ist Köln die neue Startup Hochburg?

Ralph Hünermann, Gründer des Kölner Startup odoscope, erzählt über Vor- und Nachteile des Standorts Köln, welche Hürden Startups anfangs meistern müssen und an welchen Stellen der Staat helfend eingreifen sollte.
Ist Köln die neue Startup Hochburg?
Mittwoch, 1. August 2018VonTeam

2015 ging odoscope in Köln an den Start. Das Unternehmen wertet anhand von Operational Intelligence Datenquellen in Echtzeit aus, um etwa Anpassungen von Webseiten automatisch vornehmen zu können. Gründer Ralph Hünermann spricht mit deutsche-startups.de über bürokratische Hürden und den Startup-Standort Köln im Vergleich zu anderen deutschen Hotspots.

Reden wir über Köln. Wenn es um Startups in Deutschland geht, richtet sich der Blick sofort nach Berlin. Was spricht für Köln als Startup-Standort?
Ohne Zweifel bietet sich Berlin als vibrierender, internationaler und dynamischer Standort für junge StartUps an. Den Hype um die Stadt gibt es aus meiner Sicht vollkommen zu Recht. Gleichzeitig lenkt er aber davon ab, dass auch eine Reihe anderer Orte in Deutschland beste Voraussetzungen für junge Gründer bieten.

So ist auch Köln ein wichtiger, florierender Hotspot für die deutsche StartUp-Szene. Ein klarer Vorteil ist dessen günstige geografische Lage: Die Rheinmetropole im Herzen Deutschlands liegt gleichzeitig sehr nah an Ländern wie den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich. Sie dient außerdem als bedeutender Knotenpunkt sowohl für nationale, als auch internationale Bahnbetriebe. Wenn Du dich in Köln in den Zug setzt, erreichst Du Deine Kunden oder Investoren in München, Hamburg, Berlin, Stuttgart, Paris oder Brüssel in weniger als fünf Stunden. Und über die nächstgelegenen internationalen Flughäfen in Köln/Bonn, Düsseldorf und Frankfurt gelangst Du schnell in den Rest der Welt. Mit solch einem hohen Mobilitätspotenzial kann Berlin nicht mithalten.

Auch mit seinem Einzugsgebiet von fast 18 Millionen Menschen übertrifft Köln als Teil der dicht besiedelten Metropolregion Rhein-Ruhr die Stadt Berlin um Längen. In Kombination mit der hohen Dichte an Universitäten verschiedenster Fachrichtungen im Umkreis (z.B. Köln, Bonn, Aachen, Münster, Düsseldorf), die Berlin so nicht aufweisen kann, stellt dies einen erheblichen Standortvorteil dar: Denn gerade StartUps in der Wachstumsphase benötigen einen großen, vielfältigen Auswahlpool, um schnell genügend Fachkräfte zu finden. Außerdem erleichtert dies angehenden Gründern gerade akademische Spin-Offs sowie die Vernetzung mit gleichgesinnten Studierenden und Jungunternehmern.

Dennoch bin ich insgesamt der Meinung, dass wir die verschiedenen Spots nicht gegeneinander ausspielen, sondern gemeinsam als wertvolle Teile von StartUp-Deutschland begreifen sollten.

Was genau macht den Reiz der Startup-Szene in Köln aus?
Der besondere Reiz der Kölner StartUp-Szene liegt für mich in ihrer vibrierenden Kultur: Die szene-typische junge, internationale und dynamische Atmosphäre verbindet sich in Köln mit der weltoffenen, zugänglichen Art der Rheinländer. Eine perfekte Symbiose. Viele StartUp-Hubs sind im Szeneviertel Ehrenfeld angesiedelt. Das multikulturelle Veedel bietet alles, was das Herz begehrt: Internationale Restaurants und Läden, angesagte Bars und Clubs, vielfältige Einkaufsmöglichkeiten. Studenten, künstlerische Bohème und junge Familien wissen die Vorteile zu schätzen und leben gemeinsam auf relativ kleinem Raum. Das sorgt für großen Zusammenhalt und lebendiges Miteinander. Trotz Internationalität und Weltoffenheit ist die Atmosphäre also sehr familiär und teils fast dörflich – eine einzigartige Kombination.

Was ist in Köln einfacher als im Rest der Republik?
Wie schon angeschnitten ist es viel einfacher und komfortabler, von A nach B zu kommen – sowohl innerhalb der Stadt, als auch in andere Teile von Deutschland und der ganzen Welt. Neu zugezogene Gründer werden sich in Köln schnell zurechtfinden und dank der rheinischen Offenheit bald Kontakte und echte Freundschaften schließen. Auch Internationals fällt das hier leicht: Die Rheinmetropole strahlt selbst viel Weltoffenheit aus und zieht daher viele open-minded people an. Weil Köln die Medienhauptstadt Deutschlands und YouTube-Hochburg ist, sitzen wir hier außerdem am Puls von herkömmlicher Berichterstattung und Influencer-Kultur.

Die hohe Dichte an unterschiedlichster Bevölkerung im Kölner Raum erleichtert StartUps in der Wachstumsphase, schnell viele Fachkräfte zu finden: Hier haben sie einen großen Auswahlpool. Gerade für uns ist dies von hoher Bedeutung: Wir haben einen disruptiven Ansatz für die Kundenansprache von morgen entwickelt. Um diese Disruption zu ermöglichen, müssen wir innerhalb unseres Unternehmens Synergien durch verschiedenste Mindsets herstellen. Eine vielfältige Arbeitnehmerschaft im Hinblick auf Herkunft, Disziplinen und Ausbildung hat bei uns deshalb hohen Stellenwert.

Was fehlt in Köln noch?
So leicht die Vernetzung anfangs auch fällt – für junge Unternehmer, die die Gründungsphase hinter sich haben, wird sie immer schwerer. Wir bei odoscope beispielsweise konnten bereits langfristige Investoren und Kunden gewinnen sowie uns in der E-Commerce-Welt des DACH-Raums einen gewissen Namen machen. In dieser Wachstumsphase ist die Skalierbarkeit unserer Strukturen und Prozesse eine wichtige Herausforderung. Dazu würden wir uns gerne mit Gleichgesinnten austauschen – wofür wir keine geeignete Plattform kennen.

Neben intensivem Austausch mangelt es in Köln auch an geeigneten Räumen für wachsende junge Unternehmen. Es gibt mehrere Hubs und Inkubatoren, die sich aber – ähnlich wie die Vernetzungsangebote – eher an StartUps in der Gründungsphase richten. Außerdem muss man sich hier oft für fünf Jahre binden, was einem wachstumsorientiertem StartUp nicht gerecht wird. Mit einem wachsenden Team kommt zwangsläufig der Need nach festeren Strukturen und Privatsphäre im Büro, was dort weniger gegeben ist. Aufgrund dieser Schwierigkeiten sind wir schließlich als Untermieter in die Leitrad-Lofts nach Köln-Ehrenfeld gezogen. Dort haben wir großzügige Büroräume, umgeben von vielen anderen jungen Unternehmen besonders aus der Tech-Szene, gefunden.

Zum Schluss hast Du hast drei Wünsche frei: Was wünscht Du Dir für den Startup-Standort Köln?
Ich würde mir wünschen, dass sich die Stadt des letztgenannten Problems annimmt und für eine adäquate Anzahl an neuen, flexiblen Bürolösungen sorgt: Mit Größen zwischen 200 und 1.000 Quadratmetern, variablen Mietzeiträumen und vielfältigen Modellen, die die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse von jungen Unternehmen berücksichtigen.

Zudem wünsche ich mir eine zentrale Anlaufstelle für neue, internationale Arbeitnehmer: Als disruptives Unternehmen stellen wir kompetente Fachkräfte aus aller Welt bei uns ein. Die größte Hürde dabei ist nicht, diese zu finden, sondern alle Formalitäten und bürokratischen Hürden aus dem Weg zu räumen. Mit einer zentralen Anlaufstelle könnte die Stadt den Visa-Prozess erleichtern sowie Internationals bei Dingen wie Versicherungen, Bankkonten oder der Wohnungssuche unterstützen.

Eine große Baustelle in Köln ist für mich außerdem die Mobilität, die der urbanen Fortbewegung der Zukunft weit hinterherhinkt. Wir brauchen ein neues, innovatives Konzept, das insbesondere Fahrradfahrer als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer betrachtet. Dies muss von starken baulichen Veränderungen für eigene Fahrradspuren oder Radschnellwegen begleitet werden. Am Beispiel von Vorreitern wie Kopenhagen, Rotterdam oder London sehen Sie, dass dies tatsächlich für mehr Radverkehr sorgt. So wird nicht nur der Klimaschutz vorangetrieben, sondern auch die urbane Lebensqualität verbessert.