Gastbeitrag

Investoren stehen bei uns Schlange?

Die wichtigsten Voraussetzungen für ein gelungenes Fundraising sind neben guter Kommunikation und perfekter Vorbereitung vor allem eines: Ausreichend Zeit. Wollen Start-ups vermeiden, mitten im Fundraising plötzlich ohne Geld dazustehen, sollte der Prozess geplant werden.
Investoren stehen bei uns Schlange?
Montag, 7. Mai 2018VonTeam

Im deutschsprachigen Raum bleibt es schwierig, an gute InvestorInnen heranzukommen. Nur rund 1% der Startups, die InvestorInnen ansprechen, erhalten auch ein Investment. Die wichtigsten Voraussetzungen für ein gelungenes Fundraising sind neben guter Kommunikation und perfekter Vorbereitung vor allem eines: Ausreichend Zeit. Wollen Start-ups vermeiden, mitten im Fundraising plötzlich ohne Geld dazustehen, sollte der Prozess mit einem Zeitfenster von 9 Monaten geplant werden.

Der geplante Erfolg: InvestorInnen stehen Schlange, um zu investieren

„Sie hatten Traction, ein perfekt ausgeglichenes Team mit viel Branchen-Erfahrung, sehr realistische Bewertungsvorstellungen und wussten wie sie ihren Markt bearbeiten. Eigentlich waren wir als InvestorInnen angestellt. Jeder wollte da rein!“
Investment-Manager eines österreichischen Fonds über sein Lieblings-Seed-Investment.

„Wir sehen in der Praxis immer wieder, wie sehr die Wissensschere zwischen InvestorInnen und Start-ups auseinander geht”, sagt Petra Wolkenstein, Geschäftsführerin der Boutique-Beratungsfirma konsultori.  

Während es das Kerngeschäft von Fonds und Business Angels ist, mit Start-ups Verhandlungen über Shares, Termsheets und Bewertungen zu führen, ist es für GründerInnen oft die erste Erfahrung in diesem Bereich. Es fehlt an realistischer Einschätzung, wie lange der Prozess insgesamt dauert und wie man sich gut darauf vorbereitet, damit potenzielle InvestorInnen überzeugt werden können. Eine zweite Chance, InvestorInnen anzusprechen gibt es oft nicht – daher wird der Erstkontakt zum alles entscheidenden Gate.

Wenn die ersten InvestorInnenkontakte nicht wie erwartet laufen, ist auf Start-up-Seite oft Feuer am Dach, da plötzlich das Geld auszugehen droht.

Das ist schade, denn dadurch bleiben gute Produkte mit hohem Potenzial und hervorragenden GründerInnen unnötigerweise auf der Strecke.

Was kann ein GründerInnenteam also tun, um in die angenehme Situation zu kommen, dass InvestorInnen Schlange stehen?

Die Vor-Kommunikationsphase

Bevor InvestorInnen direkt angesprochen werden, sollten Start-ups in ihrer Kommunikation auf zukünftige potentielle InvestorInnen Bedacht nehmen. Worüber sollte geschrieben werden? Zum einen bietet sich die Expertise des GründerInnen-Teams als Thema an und zum anderen alles was mit Traction zu tun hat.

Über das GründerInnen-Team sprechen

InvestorInnen mögen Start-ups, die ein breiter aufgestelltes GründerInnenteam haben. GründerInnen, die aus der Branche kommen und die Erfahrung in den Bereichen Produktentwicklung, Marketing & Sales und Finance sind definitiv ein Pluspunkt und dürfen in der Kommunikation durchaus selbstbewusst hervorgehoben werden.

Über Traction sprechen

Traction ist der Beweis dafür, dass es für das Produkt tatsächlichen Bedarf gibt. Wer schon zahlende User hat, auf Kooperationen verweisen kann oder unterschriebene Letter of Intent hat, ist klar im Vorteil.

Der Fundraising Prozess

Da der Prozess das eigene Start-up Investor Ready zu bekommen ziemlich aufwändig ist, kann das GründerInnenteam leicht unter Zeitdruck kommen, wenn das Geld knapp wird.

Fundraising dauert genauso lange wie ein Baby zu bekommen

In Bezug auf den idealen Zeitpunkt um InvestorInnen anzusprechen gibt es eine leicht zu merkende Regel: Der Fundraising-Prozess dauert in Europa im Schnitt 6-9 Monate (in den USA hingegen nur 3 Monate). Es ist also ungefähr so, als würden Sie sich auf die Geburt Ihres Babys vorbereiten.

Wollen Start-ups vermeiden, mitten im Fundraising plötzlich ohne Cash-Reserven dazustehen, sollte der Prozess spätestens mit einem Zeitfenster von 9 Monaten gestartet werden.

„Wir erleben das leider immer wieder. Die Cash-Reserven reichen nur mehr für 2 Monate und die InvestorInnen-Ansprache wurde noch nicht gestartet.“ meint Petra Wolkenstein.

Profiling: Die richtigen InvestorInnen ansprechen

Gerade in der Anfangsphase sind die GründerInnen stark auf die Produktentwicklung fokussiert und denken erst dann daran InvestorInnen an Bord zu holen, wenn die Mittel bereits knapp werden.

Dies führt dazu, dass Start-ups mehr schlecht als recht vorbereitet eine lange Liste von InvestorInnen anschreiben und eine ebenso lange Liste an Absagen bekommen.

„Sie sollten sich auf jeden Fall vorher darüber informieren, ob der/die InvestorIn, den Sie anschreiben überhaupt in Ihrem Bereich, Ihrer Region und Ihrer Phase investiert und ob er/sie noch Platz im aktuellen Portfolio hat“ – alles andere sei nur vergebene Mühe, meint Petra Wolkenstein.

Trotzdem ist es wichtig, auch ausreichend Menge zu machen, denn nicht alles lässt sich vorab recherchieren oder im Netzwerk erfragen. Die Recherche und das sogenannte Profiling sollten zumindest 20 potenzielle InvestorInnen ergeben.

„Nearly a quarter pitched 20+ firms“ FirstRound Capital über die Umfrage  State of Startups Survey und die Anzahl an InvestorInnen, die ein Startup ansprechen sollte.

Wenn Sie dann InvestorInnen ansprechen, ist es am vorteilhaftesten, über gemeinsame Kontakte vorgestellt zu werden. Auch hier gilt: GründerInnen legen einen Kontakt zu einem/einer InvestorIn nur, wenn sie auch selbst von dem Start-up überzeugt sind.

“Around 5% of the investments we do, cold emailed us in the first contact.” …. “When somebody is introducing a company, this person already filtered the quality of the startup”
Rodrigo Martinez von Point Nine Capital.

Egal ob cold-emailing oder warm-contacting, gute Vorbereitung ist immer notwendig.

Bestens gewappnet für die InvestorInnen-Gespräche

Was braucht es also nun für die professionelle Ansprache? Reicht es nicht, das Pitch-Deck zu mailen und in einem knackigen Text, das eigene Start-up mit ein paar plausiblen Zahlen positiv darzustellen?

„So einfach ist es leider nicht“, sagt Petra Wolkenstein. Man müsse bedenken, dass gefragte InvestorInnen zwischen 100 und 150 Pitches pro Monat bekommen. „Übers Jahr gesehen investieren sie dann in vielleicht 10 bis 15 Start-ups.“. Das ist eine Ablehnungsquote von über 90%.

„Es gibt die Pipeline-Arbeit, wo man ganz schnell aussieben muss. Wir erhalten etwa 1,500 Anfragen im Jahr. Wir machen 10-15 Investments pro Jahr.“
Oliver Holle, Partner VC Fonds Speedinvest im Interview

Das Essentielle

„Sie müssen in wenigen Sätzen erklären können was Ihr Start-up tut. Welches Problem es löst, wie groß der Markt dafür ist und wie Sie planen, Ihr Produkt am Markt zu verkaufen“, beginnt Fr. Wolkenstein zu erklären.

„Echte KO.-Kriterien sind ein qualitativ schlechter Pitch.“
Oliver Holle, Partner VC Fonds Speedinvest im Interview

InvestorInnen werfen einen sehr genauen Blick auf das GründerInnenteam: Welches Wissen ist im Team vorhanden, welches Wissen muss zugekauft werden. Wie sehen die Exit-Strategien aus und wurde darüber überhaupt schon gesprochen?

Das GründerInnenteam muss einen konkreten Plan entwickeln, wie sich die Produktentwicklung, die Marktbearbeitung und den Verkauf ihres Produktes in den nächsten 12-18 Monaten gestaltet.

All die strategischen Ziele und Überlegungen müssen im Finanzplan mit konkreten Zahlen untermauert werden.

In ihrer Beratungstätigkeit für Start-ups nimmt das Thema Strategieentwicklung regelmäßig einen großen Teil der Zeit in Anspruch: „Die Strategie ist die vision for growth“ erklärt Petra Wolkenstein. „GründerInnen unterschätzen oft wie aufwändig es sein kann, Marktdaten zu recherchieren, Konkurrenzanalysen zu machen und verschiedene Was-wäre-wenn Szenarien durchzuspielen“, meint Frau Wolkenstein.

Checklist

Zusammengefasst hier die wichtigsten Punkte, die Start-ups für die professionelle InvestorInnenansprache bedenken sollten:

  1. Eine solide Analyse des Marktpotentials: Wie groß ist der Markt, welche anderen Player gibt es, wie unterscheidet sich unser Produkt, etc.
  2. Eine durchdachte Strategie für die Marktbearbeitung. Welche Marktsegmente werden wann und wie bearbeitet?
  3. Die Product Roadmap für die nächsten 12-18 Monate: Wann müssen welche Features entwickelt werden und wie tragen diese zum Wachstum bei?
  4. Einen Finanzplan, der es erlaubt, verschiedene Szenarien durchzuspielen und Annahmen zu testen.
  5. Eine klare Strategie und Positionierung des GründerInnenteams: Welche Kompetenzen sind vorhanden und müssen ergänzt werden. Wie sehen die Exit-Strategien der GründerInnen aus?
  6. Traction – welche Erfolge konnten schon am Markt erzielt werden.
  7. All das sollten Sie in ein ansprechendes Dokument übersichtlich verpacken, sodass es von InvestorInnen rasch verstanden werden kann.

Über die Autorin
Petra Wolkenstein ist die Geschäftsführerin von konsultori  – einer in Wien ansässigen Boutique-Beratung für Business Development, die seit mehr als fünf Jahren mit Start-ups, der Kreativwirtschaft und Hidden Champions in ganz Europa zusammenarbeitet. Mit der Online-Platform Key2investors.com versucht konsultori jungen Unternehmen eine kostengünstigen Weg anzubieten, sich professionell auf die InvestorInnenansprache vorzubereiten. Darin sind notwendiges Wissen, Werkzeuge und Vergleichswerte zu einem praxiserprobten Framework verbunden, das es GründerInnen ermöglich, gut vorbereitet mit InvestorInnen auf Augenhöhe zu verhandeln.

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Foto (oben): Shutterstock