Krisenzeiten – (de-)motivierend für Start-ups?
Seit dem Beginn der Finanzkrise geht die Angst um! Manche Start-ups bangen derzeit um die nächste Finanzierungsrunde. Werbefinanzierte Gründungen fürchten um ihre Einnahmequellen. Wiederum andere zittern um die Verkaufszahlen ihrer Produkte. Bei allen steigt die Angst vor steigenden Liquiditätsengpässen. Völlig ausgeklammert wurden die Auswirkungen auf die Motivation der Gründer und deren Mitarbeiter. Denn gerade in Situationen, in denen das Finanzkapital knapp ist, wird die Qualität des “Humankapitals” umso wichtiger.
Daher sollten sich Entscheider in Start-ups nicht nur Gedanken über die nächste Finanzierungsrunde machen, sondern auch darüber, wie sich die Finanzkrise auf sie selbst und das Team auswirkt und wie man ggf. positiv gegensteuern kann.
Wie wirkt sich die Krise auf die Gründer und die Mitarbeiter aus? Mit seinem Beitrag, einem Auszug seiner Dissertation zum Thema “Auswirkungen emotionaler Signale auf das unternehmerische Verhalten”, will Alexander Smeja, Promotionsstudent der WHU, erste Antworten geben:
Nicht jeder Mitarbeiter bekommt es bei den aktuellen Nachrichten sofort mit der Angst zu tun. Aber viele neigen in der derzeitigen Situation dazu, größere private Anschaffungen zu verschieben. Denn die meisten sind zu der Einschätzung gelangt, dass die Unsicherheiten gestiegen sind. Die Stimmung wird weniger euphorisch sein, als noch vor einem Jahr. Je höher die persönlich wahrgenommene Unsicherheit, desto negativer wird die Stimmung des einzelnen Mitarbeiters.
Das Führungsteam ist nicht immun
Dieser Effekt wird unter Umständen im Start-up durch den Gründer beziehungweise durch das Gründerteam noch einmal verstärkt. Auch das Führungsteam ist nicht immun gegen die allgemeine negative Stimmungslage aufgrund der Finanzkrise. Steht nun zu allem Überfluss auch noch eine neue Finanzierungsrunde an, kann die Stimmung der Gründer noch tiefer in den Keller sinken. Das bleibt dann von den Mitarbeitern nicht unbemerkt und erhöht erneut die wahrgenommene Unsicherheit und damit die negative Stimmung im Unternehmen.
Daher stellt sich in der gegenwertigen Situation die Frage, ob die negative Stimmung im Unternehmen positiv oder negativ für die Entwicklung ist. Pauschal lässt sich das nicht beantworten! Prinzipiell zeichnen sich erfolgreiche Gründungen dadurch aus, dass sie neue Opportunitäten erkennen, bewerten und dann entsprechend aktiv ausschöpfen. Aber nicht alle Start-ups und auch nicht alle Mitarbeiter befassen sich immer mit der gleichen Phase (Erkennen / Bewerten / Ausschöpfen).
Anspannung wird unterschiedlich verarbeitet
Wird von den Mitarbeitern vor allem verlangt neue Opportunitäten zu entdecken, was beispielsweise von Angestellten im Bereich R&D typischerweise erwartet wird, so kann eine negative Stimmung durchaus etwas positives mit sich bringen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass Menschen in angespannten Situationen dazu neigen mit einem stärkeren Fokus an die Arbeit zu gehen. Weitschweifige Überlegungen bleiben dann öfter aus. Geht es folglich um die Optimierung eines bestehenden Produkts kann die negative Stimmung durchaus positiv für den Entwicklungsverlauf sein. Soll sich andererseits der Verantwortliche für den Vertrieb neue Vertriebsformen überlegen, um das Produkt noch schneller oder öfter zu verkaufen, dann könnte sich dieses Fokussieren negativ auf die Anzahl potenzieller Ideen führen und damit verhindern die erfolgversprechendsten Ideen zu erkennen.
Voraberfahrungen bestimmen das Handeln
Entscheidend ist jedoch nicht nur das Erkennen sondern auch das Bewerten von Opportunitäten. Grundsätzlich ist bereits intuitiv davon auszugehen, dass in einer Finanzkrise die Entscheidungen eher risiko-avers ausfallen werden. Typischerweise werden bei der Bewertung einer Situation vergangene Erlebnisse berücksichtigt. Ein gutgelaunter Mensch neigt dabei dazu sich vor allem an die positiven emotionsequivalenten Erlebnisse bzw. Situationen zu erinnern und wird tendenziell zu einer positiveren Bewertung kommen. Nun hängt es folglich vor allem von den bisherigen Erfahrungen ab, ob eine negative Stimmung zu einem extrem risikounfreudigen Verhalten führt. Geht man davon aus, dass das Eingehen von Risiken zum Tagesgeschäft eines Start-ups gehört, so wird deutlich, dass eine negative Stimmung zur Entwicklungsbremse werden kann.
Letztlich ist zu klären welchen Einfluss die Stimmung auf die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft hat. Ein gut gelaunter Mitarbeiter, der Spaß an seiner Arbeit hat, wird grundsätzlich bereit sein mehr Zeit in seine Aufgaben zu investieren. Außerdem ist ein gut gelaunter Mitarbeiter vor allem im Kontakt mit Kunden und Geschäftspartner erfolgreicher. Also spielt die Stimmung auch eine Rolle in der Außenwahrnehmung des Start-ups. Denn schlecht gelaunte Mitarbeiter können dazu neigen, potenzielle Kunden im direkten Kontakt zu verprellen. Außerdem kann es passieren, dass potenzielle Kunden durch Dritte (beispielsweise durch die Presse) von der schlechten Stimmung im Unternehmen erfahren. Das hat zum einen Konsequenzen auf potenzielle Kunden, die dadurch seltener bereit sein könnten das Produkt oder die Dienstleistung des Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Zum anderen hat es auch Konsequenzen, wenn beispielsweise in bestimmten Bereichen neue Mitarbeiter benötigt werden.
Denn in solchen Situationen wird es schwierig neue erfahrene Mitarbeiter zu gewinnen. Das gleiche gilt auch für neue potenzielle Investoren. Investoren betonen immer wieder die Wichtigkeit eines guten Teams. Ein schlecht gelauntes Team wird folglich weniger in der Lage sein neue Investoren von der eigenen Idee zu überzeugen, wenn sie den Eindruck erwecken, dass sie selbst nicht “begeistert” sind.
In der Aufzählung der Auswirkungen der negativen Stimmung wurde deutlich, dass es oft besser wäre, ein positiv gelauntes Team zu haben als ein schlecht gelauntes. Damit dies auch in Zeiten einer Finanzkrise öfters passiert, ist ein entsprechendes Führungsverhalten der Gründer bzw. der Entscheider hilfreich.
Das A und O besteht zum einen darin, sich selbst darüber im Klaren zu sein, welche Auswirkung die eigene Stimmung auf die eigene Performance hat und zum anderen darin, sich in die Stimmung seiner Mitarbeiter hineinzuversetzen. Außerdem sollte man immer berücksichtigen, dass sich die gezeigten Emotionen auf die Stimmung der anderen abfärben. Dass dies tatsächlich so ist, kann jeder selbst für sich am folgenden Beispiel überprüfen. Sieht ein Erwachsener ein kleines Baby, das über beide Backen strahlt, so “zaubern” diese strahlenden Backen dem Erwachsenen ein Lächeln auf die Lippen.
Gründer müssen positive Zeichen setzen – ein paar Tipps
Konkret bedeutet das, dass die Gründer in Zeiten der Finanzkrise die persönliche negative Stimmung im Umgang mit den Mitarbeitern eher zurückhalten und stattdessen positive Signale setzen sollten. Ein vor allem im Sommer sehr geeignetes “Signal” könnte ein gemeinsames BBQ (auf der Dachterrasse) setzen. Jeder der schon mal mit Freunden und Bekannten gegrillt hat weiß, dass die Stimmung meistens recht ausgelassen ist. Selbst ein Regenguss tut da der Stimmung keinen Abbruch. Im Winter könnte ein gemeinsamer Bowling- oder Kegelabend eine ähnliche Wirkung erzielen.
Schlussendlich spielt die Art des “Events” keine Rolle, solange davon auszugehen ist, dass es etwas ist, was die meisten gerne machen. Möglich wäre auch ein Karaokeabend oder ein Kicker-Turnier. Abgesehen von einzelnen Events, sollte der Gründer darauf achten, dass der persönlich empfundene Druck, beispielsweise durch gereizte Investoren, nicht weitergegeben wird, vor allem nicht an Mitarbeiter, die sich um die Vermarktung und Verbreitung des bestehenden Produkts bzw. der Dienstleistung kümmern.
Transparente Kommunikation ist wichtig
Neben den “emotionalen Zeichen” die der Entscheider setzt, sollte er darüber hinaus vor allem in kritischen Zeiten möglichst transparent mit den Mitarbeitern kommunizieren. Müssen beispielsweise in Kürze Mitarbeiter entlassen werden, sollte die entsprechende Mitteilung möglichst zügig erfolgen. Das gibt auf der einen Seite denjenigen die gehen müssen, die Chance sich rechtzeitig aktiv um einen neuen Job zu kümmern und andererseits den verbleibenden Mitarbeitern Gewissheit darüber, dass ihr Arbeitsplatz zunächst sicher ist.
Ist der Gründer darüber hinaus auch noch hilfreich bei der Suche nach neuen Jobs für die ausscheidenden Mitarbeiter, setzt er damit ein weiteres wertvolles Signal an die verbleibenden Mitarbeiter: Der Chef kümmert sich um uns! Dadurch verschwenden die Mitarbeiter nicht mehr so viel Zeit darüber zu grübeln, was die nahe persönliche Zukunft bringt, sondern befassen sich wieder intensiv mit den Herausforderungen des Start-ups.
Zusammenfassend lässt sich dennoch sagen, dass es kein allgemein gültiges Rezept für den richtigen Umgang in der Krise gibt. Es wird immer von den aufgaben- und umweltspezifischen Situationen abhängen welche Stimmung die Mitarbeiter zur Höchstleistung anspornt. Grundsätzlich gilt jedoch, dass Stimmungen und Emotionen im Entrepreneurship-Kontext eine große Rolle spielen.
Zur Person:
Alexander Smeja (26) ist Doktorand an der WHU – Otto Beisheim School of Mangement und schreibt derzeit seine Dissertation zum Thema “Auswirkungen emotionaler Signale auf das unternehmerische Verhalten” bei Prof. Dr. Dietmar Grichnik am Lehrstuhl für Unternehmertum und Existenzgründung. Während seines Studiums bis 2006 war er für mehrere Auslandssemester in Paris und St. Louis (USA). Smeja hat zuvor eine Lehre zum Bankkaufmann im Bankhaus Oppenheim in Köln absolviert.