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Startup-Dämmerung: Pleite reiht sich an Pleite

2017 wird jetzt schon als Jahr der gewichtigen Pleiten in die Annalen der Gründerszene eingehen. Und es werden weitere Start- und Grown-ups den Bach runter gehen. Denn im Grunde gab es in den vergangenen Jahren viel zu wenige hochkarätige Pleiten in der Start-up-Landschaft.
Startup-Dämmerung: Pleite reiht sich an Pleite
Freitag, 2. Juni 2017VonAlexander

Der Jahresbeginn 2017 war für die deutsche Gründerszene alles andere als schön. Gleich mehrere große und größere Start-ups gingen den Bach runter. Gerade erst erwischte es den schon länger in Schwierigkeiten steckenden Hunde-Feinkostshop Pets Deli. Lange Zeit galt das Berliner Start-up, 2014 gestartet, als Stern am E-Commerce-Himmel. Rund 15 Millionen Euro flossen in Pets Deli. “Grund für die Insolvenzantragstellung war, trotz eines sich positiv entwickelnden Geschäftsbetriebes, die Zahlungsunfähigkeit von Pets Deli”, teilt Investor Project A zu Pleite mit.

Kurz zuvor schlitterte das Münchner Start-up Gastrozentrale, ein Unternehmen rund um Gastronomieeinrichtungen, in die bittere Insolvenz. Die Beteiligungsgesellschaft Littlerock, die KfW und der Handelsriese Metro investierten erst im vergangenen Jahr eine siebenstellige Summe in Gastrozentrale. Mitgründer Moritz Grumbach nennt als Gründe für das überraschende Aus “hohe Außenstände, die sich in wenigen Wochen angehäuft” hätten. Die Insolvenz nennt er “hart und bitter”. Er ist aber sicher: “Die Insolvenz ist nicht das Ende”.

Ebenfalls im Mai ging der bekannte Versandhändler Jago, der sich selbst einen der “größeren E-Commerce-Versandhändler im deutschsprachigen Internet” nennt, über die Wupper. Das Grown-up, das rund 500 Mitarbeiter beschäftigt, wurde 2005 von Goran Jakovac gegründet. Das Unternehmen ist im elektronischen Handel ein ziemliches Schwergewicht – mit zuletzt mehr als 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Und auch das Berliner Start-up Cashboard, ein digitaler Anlagevermittler, schlitterte in die Insolvenz. Investoren wie Digital Space Ventures, Earlybird, Heilemann Ventures, Redalpine Venture Partners, 500 Startups und Business Angel Heiko Hubertz investierten in den vergangenen Jahren mehrere Millionen in das FinTech. Außerdem scheiterten zuletzt der Seedcamp-Alumni Gamewheel, Iconicfuture aus Hamburg, Sidestage, ein Marktplatz für Musiker, der Online-Shop Giggs, die Messaging-App Zoobe, das Berliner E-Learning-Start-up Super Eddy, das Oldtimer-Startup Bjooli, der Hamburger Roller-Vermieter Janoo, das Berliner Start-up legalBase, Clansweb, früher als Clans.de bekannt, und kwizzme aus Hamburg.

Das Hamburger Preisdienst spottster hingegen gab freiwillig auf. Eingeleitet mit den Worten “In Hamburg sagt man Tschüß” verkündete das Start-up Ende Mai sein Ende auf Facebook. “Nach 3,5 Jahren harter, inspirierender, kreativer, motivierender & unermüdlicher Teamarbeit, stellen wir Spottster ein”, teilte das junge Unternehmen, das von Freya Oehle und Tobias Kempkensteffen gegründet wurde, damals mit. Über die Plattform konnten Onliner Produkte samt Wunschpreis auf eine Liste packen und wurden informiert, wenn der Preis in einem Shop zu dem Kurs angeboten wurde. Über 200.000 Nutzer hatte spottster zuletzt. Großes Wachstum gab es zuletzt aber auch nicht mehr. Freiwillig gab zudem Schnuff & Co, das selbsternannte “airbnb für Haustiere, auf. Das 2013 gestartete Unternehmen, über das Tierbesitzer nach privaten Tiersittern suchen konnten, wird derzeit liquidiert.

Für reichlich Schlagzeilen sorgte zuletzt auch die Insolvenz von Panono. Die Jungfirma, die eine Wurfkamera entwickelt hat, die man nicht werfen konnte, sammelte in den vergangenen Jahren mehrere Millionen von Crowdanlegern ein – etwa 1,25 Millionen Dollar über Indiegogo und rund 1,7 Millionen via Companisto. Mit rund 2,7 Millionen Euro Crowdinvestment ist Panono eine der ganz großen Crowdpleiten in Deutschland. An Crowdpleiten gab es zuletzt zudem Lampuga (820.250 Euro), TripRebel (700.000 Euro) und Saustark Design (155.250 Euro) zu beklagen.

Überschattet werden alle diese Pleiten, Abschaltungen und Aufgaben aber von Auctionata und Protonet. 3 Millionen Euro sammelte Protonet 2014 via Seedmatch ein. Das Start-up schaffe es aber nicht, ein profitables Geschäft auf die Beine zu stellen. Anfang des Jahres platzte dann eine nötige Anschlussfinanzierung. Den Hamburgern blieb nur der Gang zum Amtsgericht. Zuletzt deutete sich aber ein weißer Ritter für Protonet an. Auctionata dagegen wollte niemand retten. Das Berliner Auktionshaus Historia übernahm gerade zumindest die “Web- und Namensrechte”. Die 100-Millionen-Pleite ist auf jeden Fall einer der größten Rückschläge für die deutsche Gründerszene seit Jahren.

In den kommenden Monaten werden wir sicherlich weitere Pleiten zu beklagen haben. Im Vergleich zu den Vorjahren wird es auch weiter viele Unternehmen treffen, die schon aus den Babyjahren heraus sind. Denn auch, wenn es in den vergangenen Jahren einige Insolvenzen gab, waren dennoch kaum – bis auf wenige Ausnahmen – herbe Verluste zu beklagen. Die Niedergänge von Auctionata, Jago und Protonet zeigen jedoch, dass die Luft dünner wird. Einige Unternehmen in der Szene wurden vielleicht viel zu lange durch gefüttert. Aber nein, es platzt hier keine Blase. Es geht nur ein wenig Luft aus dem Ballon.

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Foto (oben): Shutterstock

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.