Olaf Jacobi im VC-Interview

“Als Investor fühle ich mit den Gründern”

"Das Team von Capnamic Ventures arbeitet auf Augenhöhe mit den Gründern. Wir verfolgen seit Jahren eine No-Bullshit-Policy. Wir verstehen uns als Mit-Unternehmer, Dienstleister und Wingman. Unser Team besitzt jahrelange Erfahrung als Investor in allen Phasen", sagt Olaf Jacobi, seit Ende 2015 bei Capnamic.
“Als Investor fühle ich mit den Gründern”
Donnerstag, 2. Februar 2017VonAlexander

Der Kölner Kapitalgeber Capnamic Ventures unterstützt junge Unternehmen, “die mit ihren Produkten die Zukunft gestalten möchten”. Capnamic investiert dabei in der Seed-Phase, Series A und auch in späteren Runden. In der ersten Finanzierungs­runde überweist Capnamic zwischen 500.000 und 2 Millionen Euro. Thematisch dreht sich die Capnamic-Welt um die Themen Mobile, E-Commerce, Gaming, Payment, Advertising und Software-as-a-Service. Im VC-Interview mit deutsche-startups.de spricht Olaf Jacobi, seit Ende 2015 bei Capnamic, über Game-Changer, Erreichbarkeit und tote Pferde.

Reden wir über Geld. Was genau reizt Dich daran, Geld in Unternehmen zu investieren?
Es geht nicht allein um Geld. Mich reizt, die vermeintlich richtigen Start-ups und Gründer-Teams zu finden, auszusuchen und diese dann mit Kapital, unserem gesamten Netzwerk, Know-how und dem Engagement des gesamten Capnamic-Teams zu unterstützen. Der größte Reiz besteht jedoch darin, die Unternehmen dann in den Jahren nach unserem initialen Investment zu unterstützen, zu entwickeln und beim Wachstum zu begleiten. Als Investor fühle ich mit den Gründern – das gilt für Tiefschlägegenauso, wie für Erfolge oder erfolgreiche Exits.

Wie wird man eigentlich Venture Capital-Geber?
Eigentlich gibt es keinen Königsweg um VC zu werden. Klar gibt es den ein oder anderen, der als Junior beim VC einsteigt, sich dann bewährt und irgendwann Partner wird. Das ist aber eine große Ausnahme. Venture Capital ist ein Handwerk und hat hinsichtlich des Investment-Prozesses und der späteren Unterstützung nur sehr wenig bis gar nichts mit Investment Banking oder Private Equity zu tun. Bevor ich VC wurde, habe ich als Gründer und Unternehmer drei Startups aufgebaut oder gegründet, mehrere nationale und internationale VC-Runden eingesammelt und Exits produziert. Sowas kann man nicht in der Uni lernen. Die selbstgemachte Erfahrung – meistens bestehend aus Fehlern – hilft insbesondere bei der Unterstützung der Start-ups und dem täglichen gemeinsamen Arbeiten mit den Gründern.

In der VC-Welt wird oftmals mit Millionenbeträgen hantiert, wird Dir da nicht manchmal mulmig zumute – bei diesen Summen?
Einfache Antwort – Ja. Ich verliere niemals den Respekt vor den Werten. Egal ob es Geld – Cash -, Unternehmensanteile oder andere Assets sind. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wenn man als VC Angst hat, dass es Ausfälle im Portfolio gibt, dann wird man keine Game-Changer finanzieren und unterstützen. Aber dennoch ist es wichtig, den Respekt niemals zu verlieren, Dinge zu Ende zu denken und die Evaluierung und Due Diligence sehr genau und gewissenhaft durchzuführen.

Was sollte jeder Gründer über Euch – als VC – wissen – wie etwa grenzt Ihr Euch von anderen Investoren ab?
Das Team von Capnamic Ventures arbeitet auf Augenhöhe mit den Gründern. Wir verfolgen seit Jahren eine No-Bullshit-Policy. Wir verstehen uns als Mit-Unternehmer, Dienstleister und Wingman. Unser Team besitzt jahrelange Erfahrung als Investor in allen Phasen. Viele von uns hatten in der Vergangenheit eigene Unternehmen und haben somit viel Erfahrung als Gründer sammeln können. Am besten sollte ein interessierter Gründer die Unternehmer fragen, mit denen wir in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben. Es gibt mehrere Dimensionen oder Attribute nach denen sich VCs voneinander unterscheiden bzw. abgrenzen. Die beiden wichtigsten sind der Investmentfokus bzw. die Investmentstrategie. Des Weiteren unterscheiden sich VCs in der Art und Weise, wie sie nach dem initialen Investment mit den Startups zusammenarbeiten und sie über mehrere Folge-Finanzierungsrunden unterstützen. Wir gehen am liebsten – eigentlich fast immer – in den Lead bei einem Investment, d.h. wir führen die Runde an und unterstützen die Gründer. Ein riesiger Vorteil für Gründer, die wir finanzieren, sind unsere Corporate-Investoren. Viele unserer Investoren sind große Unternehmen aus den unterschiedlichsten Industrien, die unsere Portfolio-Unternehmen stark unterstützen. Ob als potentielle Kunden, Co-Investoren oder Partner in Vertrieb und Produktentwicklung.

Welche Unterstützung bietet Ihr – neben Geld?
Die Bereiche in denen wir unsere Portfolio-Unternehmen unterstützen sind vielseitig. Neben HR, M&A und Finanzierungen, helfen wir oft auch aktiv im Business und Corporate Development. Sehr wichtig ist das gesamte Thema der Finanzierung. Da wir meist in A- und Seed-Runden investieren ist es von vornherein klar, dass unsere Portfolio-Unternehmen weitere Finanzierungsrunden vor sich haben. Hierbei unterstützen wir bei der Ansprache nationaler und internationaler Investoren sowie der Strukturierung der Finanzierungsrunden. Auch beim Recruiting kann und sollte ein VC aktiv unterstützen. Gerade in der Anfangsphase fehlen jungen Unternehmen oft die internen Ressourcen und auch das Netzwerk, um Top-Talente an Board zu bekommen.Als Investor und Board-Member sind wir ständiger Sparring-Partner und Wingman für jeden Gründer und Manager unserer Portfolio-Unternehmen.

Wie organisiert Ihr den Austausch mit Euren Portfolio-Firmen, welche Tools nutzt Ihr?
Das Wichtigste ist die Erreichbarkeit als Investor und Board-Member. Und zwar mehr oder wenig egal wann. Bei Start-ups kommen Fragen und auch manchmal brenzlige Situationen nicht ausschließlich zwischen 8 Uhr morgens und 19 Uhr abends oder nur an Werktagen vor. Als Investor sollte man wirklich immer für die Gründer da sein. Bestimmte Tools gibt es nicht. Wir nutzen abhängig vom einzelnen Start-up alles, was man mit einem Smart-Phone oder Notebook machen kann: Telefonieren, E-Mail senden, mit Slack, Whatsapp, Skype, etc. kommunizieren. Zudem treffen wir uns mit den Gründern regelmäßig und zwar nicht nur zum Board-Meeting.

Wie entscheidet Ihr, ob Ihr in ein Start-up investiert: Bauchgefühl, Daten, Beides oder was ganz anderes?
Es gibt verschiedene Ansätze eine Evaluierung durchzuführen. Bei uns ist es ein iterativer Prozess zwischen Bauchgefühl, Sammeln und Bewerten von Datenpunkten, Abgleichen der Ergebnisse mit dem Bauchgefühl – und wieder von Vorne. Eine Investmententscheidung basierend auf reinem Bauchgefühl wird es niemals geben. Rein datenbasierte Entscheidungen funktionieren ebenfalls nicht. Soft Facts und Skills lassen sich nur bedingt anhand von Daten bewerten. Fakt ist, dass man anhand von Datenpunkten mehr oder weniger jeden Deal kaputt-analysieren kann. Am Ende der Evaluierung und Due Diligence ist es größtenteils das Bauchgefühl, welches einen Investor springen lässt.

Nicht jedes Start-up läuft rund, nicht jedes wird ein Erfolg. Was macht Ihr, wenn eine Eurer Beteiligungen in Schieflage gerät?
Wie sagt man so schön – es gibt sehr viele Schönwetterpiloten. Ich habe es als Unternehmer selber erlebt, wie sich die VC Spreu vom Weizen trennt, wenn die ersten ernsten Probleme auftreten. Kein Start-up läuft von der Gründung bis zum Exit nur rund. Den Gründern und Managern unserer Portfolio-Unternehmen stehen alle Capnamic-Team-Mitglieder zur Verfügung. Meine Kollegen und ich haben Erfahrungen z.B. in den Bereichen Finance, Sales, Marketing, Product Management und Business Development. Die operative Verantwortung hat immer das Gründer-Team. Wir unterstützen als Investor, Board-Member und Sparring-Partner. Als Investor hat man viele Unternehmen gesehen. Die meisten Probleme tauchen nicht nur bei einem Start-up auf. Somit sind wir mit vielen Situationen vertraut und können mit Rat und Tat unterstützen.

Und woran merkt Ihr, dass Ihr bei einem Start-up die endgültige Reißleine ziehen müsst?
Puuuh. Das ist eine Frage, die man nicht in zwei bis zehn Sätzen erklären kann. Fakt ist, das Unternehmen gehört den Gründern und wird auch von den Gründern geführt. Sollte ein VC nicht mehr weiter investieren wollen, dann bedeutet das noch nicht das Aus für das Startup. Ein gutes Gründerteam erkennt selbst, ob sie auf einem “toten Pferd sitzen”oder nicht. Never try to ride a dead horse – einfach mal googlen. Was bedeutet es als Investor die Reißleine zu ziehen? Erstens: Man entscheidet, bei keiner der folgenden Finanzierungsrunden mitzumachen. Zweitens: Man versucht das Unternehmen gemeinsam mit den Gründern zu verkaufen – Soft Landing -, weil man erkannt hat, dass es alleine nicht überlebensfähig sein wird und immer wieder frisches Geld benötigen wird.

Gebt Ihr uns einen Einblick in Euer Anti-Portfolio – bei welchen, jetzt erfolgreichen, Firmen seid Ihr leider nicht eingestiegen?
Da gibt es sicherlich einige. Ich möchte zwei darstellen. Das eine ist relayr. Josef Brunner kam bei der ersten Finanzierungsrunde zu mir. Ich hatte Josefs letztes Start-up JouleX finanziert und vom Anfang bis zum Verkauf an Cisco unterstützt. Bei relayr fand ich den Markt für IoT-Management-Plattformen zu fragmentiert. Heute ärgere ich mich darüber. Mein Bauch sagte mir, dass ich einfach an Josef glauben sollte, aber ich hatte eine starke Meinung zum Markt. Aus diesem Grund habe ich damals nicht investiert. Josef und ich sind weiterhin gute Freunden und durch JouleX werden wir immer eine Verbindung behalten. Soundcloud habe ich damals als einer der ersten VCs gesehen. Weil wir das Team wirklich sehr gut fanden, sind wir gleich mit zwei Partnern und einem Associate an die Arbeit gegangen. Fazit: Wir fanden das damalige Geschäftsmodell nicht so richtig zwingend und überzeugend. Stefan Tirtey – damals bei Doughty Hanson – hat investiert und dann gemeinsam mit den Gründern das Modell gedreht – Respekt! Salesforce.com hat im Jahr 2000 meinem Partner Christian Siegele – damals bei 3i – präsentiert. Christian hätte das Investment gern gemacht, konnte aber seine Kollegen nicht komplett davon überzeugen.

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Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.