Kolumne von Sabine Engel
Die zehn Gebote der PR: Mach’s dir selbst!
Sabine Engel gründete vor fünf Jahren das Genuss-Start-up Miomente. Das junge Unternehmen verkauft kulinarische Events wie Kochkurse, Weinproben und exklusive Firmenfeiern in ganz Deutschland. Inzwischen beschäftigt Engel 12 feste Mitarbeiter. In Ihrer Kolumne für deutsche-startups.de, berichtet die Unternehmerin über Hürden, Tricks und Erlebnissen im Gründeralltag.
Ich halte mich für einen sehr höflichen Menschen. Und unter Höflichkeit verstehe ich etwas mehr, als „Bitte“ und „Danke“ zu sagen. Ich gebe mir Mühe, mich in andere Menschen hineinzuversetzen, bin zuvorkommend, höre zu, unterbreche Leute nicht im Gespräch.
Aber wenn ich etwas in den letzten Jahren als Gründerin gelernt habe, dann dass man mit reiner Höflichkeit und Zurückhaltung allein nicht besonders weit kommen wird.
Auch wenn man selbst die eigene Idee und das eigene Unternehmen für die beste Erfindung seit der Entdeckung des Selbstbräuners hält: niemand hat auf dich gewartet. Und niemand wird sofort Feuer und Flamme für dein Start-Up sein und bereitwillig einen enthusiastischen Artikel in der größten deutschen Tageszeitung über dich schreiben.
Markenaufbau und PR sind ausgesprochen mühsame, zeitintensive und langwierige Tätigkeiten. Und immer wieder fragt man sich, was der 5-Zeiler in einer schwäbischen Regionalzeitung bringen soll und ob es sich wirklich lohnt, dafür wochenlang durch die Republik zu tingeln und die Klinken der Verlagshäuser zu putzen.
“PR-Termine sind ganz klar Chefsache”
Worum du als Gründer also nicht herumkommst, sind die Pressereisen bzw. PR-Termine. Und die solltest du als Gründer selbst machen – denn niemand kann deinen Gründungsmythos so überzeugend verkörpern und verkaufen, wie du selbst. Auch, wenn dein Unternehmensbaby inzwischen in den Kindergarten geht und ein paar Kindergärtner es betreuen: Nur du kannst die Geschichte seiner Geburt mit all ihren Qualen und Freuden erzählen. Daher sind PR-Termine für mich ganz klar Chefsache.
Aber jeder, der schon Mal versucht hat, einen Termin bei einem Redakteur zu bekommen, erhält per Mail kategorisch oft gar keine Antwort – und telefonisch die hektische Standard-Replik: „Tut mir leid, aktuell gar keine Zeit, nein, wirklich nicht, rufen Sie doch vielleicht noch mal nächstes Jahr an.“ Wer jetzt entmutigt den Hörer sinken und alle Hoffnung fahren lässt, wird als Gründer vermutlich nicht weit kommen wird seine Marke vermutlich nie richtig bekannt machen.
Wie also doch Eintritt ins Herz der Redakteure dieses Landes gewinnen und endlich eine bekannte Marke werden? Wenn man nicht gerade den Luxus besitzt, mit ein paar Millionen eine aufwändige TV-Kampagne zu starten, der kleine Bruder eines angesagten YouTubers oder mit Joko Winterscheidt befreundet ist?
Neben der Suchmaschinenoptimierung und den bezahlten Kampagnen via Google Adwords und Facebook ist die direkte PR für den Markenaufbau und die Steigerung der direkten Besuche deiner Webseite unerlässlich. Und nur so kannst du deinem Unternehmen auch ein Gesicht geben. Doch wie geht gute PR?
Die 10 Gebote der PR
Das erste Gebot:
Das erste Gebot hatte ich bereits erwähnt: Mach es selbst! Du bist das Gesicht und die stolze Mutter deines Unternehmens! Wie geht es jetzt weiter? Zunächst solltest du als höflicher Mensch, der die Zeit der anderen respektiert und wertschätzt, versuchen, telefonisch einen Termin zu bekommen. Aber Hand aufs Herz: Wir leben in hektischen Zeiten. Wenn uns jemand anruft und versucht, uns am Telefon den nächsten neuesten Schrei zu vertickern, werden wir auch nach wenigen Sekunden müde abwinken, „Danke Nein“ in den Hörer murmeln und auflegen.
Also lautet das zweite Gebot der PR:
Überrumpel sie! Fahr hin. Nur wenn man persönlich vor Ort auftaucht, hat man Chancen, am Türsteher vorbei ins Herz der Aufmerksamkeit zu dringen. Denn welcher Geschäftsführer taucht schon persönlich beim Verlag auf? Den VW-Vorstand haben diese Redakteure sicher noch nicht an ihrem Schreibtisch stehen sehen. Nutze also deinen Vorteil als junger Gründer. Denn damit bist du automatisch cool, hipp, anders und definitiv interessant. Und es fällt deutlich schwerer, jemandem die Tür zu weisen, als einfach den Hörer aufzulegen.
Gebot Nr. 3:
Kenne den Namen des Redakteurs, den du sprechen willst. Den findest du im Impressum oder auf Xing schon raus. Oft sogar fein säuberlich untergliedert in die verschiedenen Ressorts. Natürlich hat man oft keinen Termin. Das macht nichts. Sobald man erst Mal unten steht, mit festem Blick die Empfangsdame fixiert und darum bittet, vorgelassen zu werden, kommt man in 9 von 10 Fällen auch rein. Frechheit siegt. Das persönliche Erscheinen irritiert nach wie vor und als persönlicher Besucher bist du neben dem täglich erscheinenden Postboten und Lunchlieferanten ein echtes Einhorn, das sich der Redakteur dann doch Mal in echt anschauen will.
Gebot Nr. 4:
Erstelle vorher eine anständige Pressemappe. In der steht kurz und knackig drin, wer du bist und was du machst. Auch hier gilt: Das Auge isst mit. Setze dem Redakteur keine strukturlosen Bleiwüsten in Times New Roman vor, sondern strukturiere die Mappe, so dass mit einem Blick gut das Wesentliche erfassbar ist. Und verwende Bilder. Der Redakteur liest am Tag tausende von Seiten – er ist froh, wenn er ein paar sprechende Fotos sieht. Am besten hast du in der Mappe dann noch einen Link oder QR-Code, unter dem die Mappe mit ihren Informationen auch noch elektronisch aufgerufen werden kann – zwecks praktischem Copy-Paste bei der Artikelerstellung.
Gebot Nr. 5:
Bring Geschenke. Redakteure erhalten den ganzen Tag irgendwelche schriftlichen Unterlagen. In Erinnerung bleibst du damit nicht – sondern wanderst womöglich recht schnell in die runde Ablage. Daher: mach deine Pressemappe so bunt, auffällig und schick wie möglich, so dass sie aus dem anderen Papierkram herausragt. Und bring ein Goodie mit. Und damit meine ich keinen Kugelschreiber oder Block mit deinem Unternehmenslogo. Denn wisse: Redakteure erhalten auch unglaublich viele Mitbringsel. Daher sollte dein Geschenk entweder wirklich nützlich sein, oder etwas ganz Besonderes. Ist dein Mitbringsel verzehrbar, läufst du Gefahr, mit einem Happs auch schon wieder vergessen zu sein.
Gebot Nr. 6:
Redakteure sind in der Regel überarbeitet und müssen ununterbrochen neue Schlagzeilen aus dem Hut zaubern. Wer schon Mal zum 70. Geburtstag von Onkel Willi ein Gedicht oder eine Rede schreiben musste, kennt ihn, den horror vacui: Die entsetzliche Gedankenleere angesichts eines weißen Blatt Papiers. Darum lautet das sechste Gebot: Unterstütze den Redakteur bei seiner Arbeit und liefere ihm oder ihr möglichst schon ein paar spannende Ideen für einen Artikel, ein Gewinnspiel oder ein cooles Feature. Denn niemand kennt dein Produkt so gut, wie du selbst. Der Redakteur muss ansonsten erst Mal mühsame Recherchen über dein Unternehmen anstellen, eine Idee für eine passende Einbindung entwickeln und dann an klangvollen Sätzen feilen. Das kannst du ihm abnehmen, indem du dich vorab ein wenig mit dem Magazin beschäftigst, in dem du erscheinen möchtest. Gibt es da eine bestimmte Rubrik, in die du gut passen würdest? Kannst du da schon einen kurzen Artikelvorschlag liefern, der als Idee dient? Perfekt!
Gebot Nr. 7:
Sei spießig. Schreib mit. Auch, wenn du dann wirkst wie eine altmodische Stenotypisten. Du wirst in den nächsten Wochen dutzende solcher Gespräche führen und anschließend nicht mehr wissen, was du jetzt bei Frauenzeitschrift Nr. 8 genau vereinbart hast. Daher notiere brav schriftlich, was das Ergebnis des Gesprächs ist, fasse das in einer hübschen Wrap-Up Mail zusammen und schicke es auch nochmal an den Redakteur – und falls vorhanden: Deine PR-Assistentin im Büro. So behältst du den Überblick und der Redakteur ist happy über eine Zusammenfassung und kann sich während eures Gesprächs voll und ganz auf dich konzentrieren.
Gebot Nr. 8:
So, du hast den Kuchen quasi in den Ofen geschoben – jetzt heißt es warten. Es wäre völlig naiv zu erwarten, dass morgen schon ein mehrseitiger Artikel mit Bildern über dein Unternehmen erscheint und in den Zeitungskiosken der Republik ausliegt. Die meisten Magazine arbeiten mit Redaktionsplänen, die bereits Monate im Voraus produziert werden. Du willst in die Weihnachtsaugabe? Dann kannst du gut und gerne schon im Juli in die Redaktion spazieren und hoffen, dass da für dich noch ein Plätzchen frei ist. Und bis zum Erscheinungstermin geht noch viel Wasser den Jordan runter – daher darfst du dich jetzt nicht entspannt zurücklehnen. Die gleiche Hartnäckigkeit, die du an den Tag gelegt hast, um endlich ein Date mit dem Redakteur zu bekommen, ist auch jetzt wieder gefragt. Ruf immer wieder an und frag nach dem Stand, dem konkreten Veröffentlichungstermin und ob du Ihm noch Arbeit abnehmen kannst. Diese Penetranz fällt gerade sehr höflichen und bescheidenen Menschen etwas schwer, ist aber absolut essentiell – sonst war deine ganze Mühe umsonst.
Gebot Nr. 9:
Jetzt darfst du doch noch etwas deine Höflichkeit ausleben: Sag Danke. Für den schönen Artikel. So bleibst du letztlich trotz deiner nervigen Anrufe in positiver Erinnerung und darfst wiederkommen. Dieses Mal sogar mit Termin. Denn das musst du. Siehe das zehnte Gebot.
Gebot Nr. 10:
Nach der Veröffentlichung ist vor der Veröffentlichung! Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen ist kurz. Es reicht nicht, wenn man einmal im Spiegel stand. Auch, wenn in manchen Arztpraxen Deutschlands die gesammelten Werke Rudolf Augsteins von 1987 bis heute zerfleddern – nichts ist so alt, wie die Nachrichten von gestern. Die Halbwertzeit eines Coffeetable-Magazins übersteht nicht mal eine durchschnittliche Grippeperiode. Daher packe deinen Koffer mit frischen Socken und frischen Mappen, ruf wieder an und komm mit einer tollen neuen Story um die Ecke!
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