“Das Mantra der ‘ständigen Verfügbarkeit’ mag für den Massenmarkt bedeutsam sein” – Hans-Georg Pestka von Genusshandwerker

Beim Web-Lebensmittelshop Genusshandwerker (www.genusshandwerker.de) können Onliner nicht nur Butter, Käse und Büffelmozzarella bestellen, sondern auch Frischfleisch und fangfrischen Fisch. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Mitgründer Hans-Georg Pestka über geschlossene Kühlketten, schmerzhaftes Lehrgeld und […]

Beim Web-Lebensmittelshop Genusshandwerker (www.genusshandwerker.de) können Onliner nicht nur Butter, Käse und Büffelmozzarella bestellen, sondern auch Frischfleisch und fangfrischen Fisch. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Mitgründer Hans-Georg Pestka über geschlossene Kühlketten, schmerzhaftes Lehrgeld und das Mantra der ständigen Verfügbarkeit.

Der Verkauf von Lebensmitteln über das Netz ist momentan eines der Trendthemen. Mit Genusshandwerker verkaufen sie bereits seit 2007 regionale Spezialitäten über das Netz. Was ist die größte Herausforderung, die Sie jeden Tag meistern müssen?
Eindeutig die Logistik. Wir verkaufen Lebensmittel, die handwerklich und regional erzeugt werden und die wir jede Woche direkt von unseren Produzenten beziehen. Mit Großhändlern arbeiten wir kaum, daher widmen wir uns der Logistik in beide Richtungen – vom Produzenten zu uns und von uns zum Kunden. Viele unserer Produkte müssen zu dem temperaturgeführt transportiert werden, also unter strikter Einhaltung einer geschlossenen Kühlkette.

Geschwindigkeit ist somit Trumpf. Wie kommen ihre Waren so frisch wie möglich beim Kunden an?
Zunächst in dem sie so schnell wie möglich vom Erzeuger zu uns gelangen. Wir arbeiten da ganz konsequent ohne Lagerhaltung und ordern nur den Wochenbedarf. Die Ware ist dann maximal einen Tag bei uns im Kühllager, bei Frischfisch sind es wenige Stunden. Kundenseitig liefern wir unsere Genusswaren per Expresskurier in einer gekühlten Isolierverpackung aus. Unsere Kunden bestellen grundsätzlich auf Termin, wissen also genau, wann die Sendung ankommen wird.

Sie liefern Bestellungen nur an einem festen Liefertag aus. Warum?
Weil man nur so ein wirkliches Top-Produkt liefern kann. Das Mantra der “ständigen Verfügbarkeit” mag für den Massenmarkt bedeutsam sein, in unserem Segment gelten andere Bedingungen und unsere Kunden sehen und wertschätzen diesen Zusammenhang.

Und was, wenn dennoch mal etwas schief geht und die Ware unterwegs schlecht wird?
Ein Fall der kaum auftritt, aber natürlich sind wir alle nur Menschen. In so einem Fall versuchen wir schnell zu ermitteln, wo ein Fehler aufgetreten ist – damit er sich nicht wiederholt – und finden mit dem Kunden eine zufriedenstellende Kulanzregelung.

Wie sieht der typische Nutzer von Genusshandwerker aus und welche Produkte legt er in seinen Warenkorb?
Unsere Kunden sind Menschen, die gern gut essen und kochen. Dabei legen sie Wert auf hochwertige Kochzutaten, die nicht nur sehr gut schmecken müssen, sondern auch unter Nachhaltigkeitsaspekten “gut” und nachvollziehbar sind. Besondern gern gekauft werden bei uns Produkte aus dem Frischesortiment, also Käse und Geflügel, Fleisch und Fisch.

Was ist Ihr absoluter Verkaufsschlager?
Da wir unser Sortiment auch saisonal ausrichten gibt es keinen absoluten Spitzenreiter. Im Sommer wird zum Beispiel Büffelmozzarella stark nachgefragt, im Winter sehr viel Geflügel wie Gans und Ente, aber auch Fleisch für Schmorgerichte wie etwa Ochsenbacken.

Ab 100 Euro liefern Sie kostenlos. Ansonsten verlangen Sie zwischen 10 und 25 Euro für Isolierverpackung und Übernachtexpress. Akzeptieren ihre Kunden diese stattlichen Kosten?
Kostenlos ist nicht der richtige Begriff, denn der Aufwand für Expresstransport und Isolierverpackung ist natürlich nicht unbeträchtlich. Wenn man diese Leistung in Bezug zu den Versandkostenanteilen setzt, dann sind das faire Bedingungen. Unsere Kunden sehen das mehrheitlich so.

Wie viele Menschen sorgen für den reibungslosen Ablauf bei Genusshandwerker?
Bei uns selbst je nach Saison zwischen drei und zwölf Personen. Daneben natürlich etliche weitere Menschen im gesamten Kontext der Logistik.

Blicken Sie bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Im Nachhinein haben wir in der Planungsphase an einigen Stellen wohl keine optimale Beratung gehabt und Investitionsentscheidungen getroffen, die sich recht bald als suboptimal herausstellten. Das gilt insbesondere für den Bereich Software und das Online-Marketing. Da haben wir wirklich Lehrgeld gezahlt und das hat ordentlich weh getan.

Und wo haben Sie Ihrer Meinung nach alles richtig gemacht?
Der Grundgedanke des Konzeptes erweist sich als richtig. Und den sollte man auch dann nicht aus dem Blick lassen, wenn das Tagesgeschäft links und rechts des Weges die ein oder andere scheinbar lukrative Verlockung verheißt, die aber Kompromisse erfordern würde.

Seit kurzem versenden sie auch nach Österreich. Haben Sie weitere Länder auf der Agenda?
Zunächst nicht, der Logistikaufwand über die Landesgrenzen ist einfach zu kostenintensiv.

Wie steht es in finanzieller Sicht um die Genusshandwerker, lohnt sich das Geschäft bereits?
Die Genusshandwerker nehmen in ihrem Segment sicher eine führende Rolle ein. In einem wachsenden Markt liegen wir mit unseren Wachstumsraten im Plan und arbeiten operativ profitabel. Gleichwohl hatten wir hohe Anfangsinvestitionen, die wir noch mitfinanzieren müssen.

Amazon experimentiert mit dem Versand von Lebensmitteln, Otto überlegt den Einstieg. Wen sehen Sie als Ihre größten Konkurrenten?
Zunächst ist es absolut begrüßenswert, wenn das Thema Lebensmittelversand – und hier insbesondere der Frischebereich – mehr Akteure und damit Aufmerksamkeit bekommt. Derzeit kommt wieder Bewegung in den Massenmarkt, also im Wettbewerb zum stationären Lebensmitteleinzelhandel und Discounter. Auf Seiten der Spezialisten gibt es einige Mitbewerber im Fleischbereich und einige Plattform-Ansätze für regionale Produkte. Insgesamt sollte da genug Platz für die sein, die eine gute Geschäftspolitik mit einer ebensolchen Praxis umsetzen.

Bei Amazon sind sie selbst auch vertreten. Rechnet sich die Kooperation bisher für Sie?
Das lässt sich noch nicht wirklich beurteilen. Was die neuen Erfahrungen betrifft, profitieren bestimmt bereits alle davon. Im Einzelnen wird man schauen müssen, was die Kunden bei Amazon für ein Angebot erwarten und wie sich so viele verschiedene Geschäftskonzepte unter ein Dach integrieren lassen. Wir zum Beispiel arbeiten auch für die Amazon-Kunden strikt nach unseren Prinzipien, also mit festem Liefertermin und Expresszustellung. Das ist erklärungsbedürftig und findet in so einem festen Gefüge nicht immer gleich den richtigen Raum und Platz.

Wo steht Genusshandwerker in einem Jahr?
Weiterhin an der Spitze eines interessanten Nischenmarktes.

Zur Person
Hans-Georg Pestka gründete gemeinsam mit Andreas Hegmann den Internet-Lebensmittelshop Genusshandwerker. Daneben prägte er sechs Jahre lang als geschäftsführendes Vorstandsmitglied die Entwicklung der deutschen Slow-Food-Bewegung und kümmerte sich um deren finanzielle und organisatorische Belange. Zu seinen italienischen Wurzeln – der Mama aus Bologna – kehrte er aus Liebe zur Küche zurück. Als Foodscout entdeckte er so manche Leckerei und vermittelte dieses an den Fachhandel.

Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.