Gastbeitrag von Sophie Engelhardt
Adblocking: Mitmischen oder abwehren?
Bevor sie sich am Markt etabliert haben, sind gerade junge Unternehmen auf Finanzspritzen durch Werbeeinnahmen angewiesen. Doch Werbefilter, die sogenannten Adblocker, greifen immer mehr um sich und bedrohen die Existenz so mancher Startups. Wie sie sich wehren können, erläutert Rechtsanwältin Sophie Engelhardt.
Adblocking ermöglicht dem Nutzer die Abwehr von Werbung im Internet. Plugins sperren den Datenstrom, der vom Server des Werbetreibenden an den Nutzer fließt. Werbeelemente werden dann gar nicht erst heruntergeladen und der Browser zeigt die Webseite ohne Werbung an. Der bekannteste Anbieter – Adblock Plus – kann kostenfrei für alle gängigen Browser (Firefox, Internetexplorer u.a.) installiert werden. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, „blocken“ Adblocker Werbeformate jedoch nicht komplett – sie filtern. Im Wege des sogenannten Whitelistings lässt zum Beispiel Adblock Plus ausgewählte Werbeeinblendungen grundsätzlich wieder zu.
Von den großen Webseitenbetreibern lässt Adblock Plus sich den Platz auf der Whitelist teuer erkaufen. Bis zu 30 % ihrer Werbeeinnahmen müssen Unternehmen abtreten, bei denen über 10 Millionen Ad Impressions pro Monat blockiert würden. Von Webseitenbetreibern mit geringerer Reichweite, wie kleineren Internetseiten und Shops, wird der Unternehmensdarstellung von Adblock Plus zufolge keine Vergütung verlangt.
Whitelist: Garantierte Befreiung von der Blockade?
Shopbetreibern steht es frei, sich auf der Whitelist von Adblock Plus registrieren zu lassen. Voraussetzung ist, dass die in ihrem Onlineshop angezeigten Werbeformate den vom Unternehmen selbst aufgestellten „acceptable ads“-Kriterien entsprechen. Die Kriterien sind sehr restriktiv ausgestaltet und schränken Webseitenbetreiber in der Wahl ihrer Werbeformate stark ein. Als nicht akzeptabel gilt zum Beispiel animierte Werbung, Werbung mit Pop-ups oder Overlay-Werbung. Was als erlaubt übrig bleibt, bringt vergleichsweise wenig Klicks. Werbekunden stellt sich die Frage, ob sich die Schaltung einer Kampagne im Onlineshop überhaupt noch rechnet. Für Webseitenbetreiber ist es daher nur schwerlich durchsetzbar, von ihren Werbekunden die Einhaltung der Whitelist-Regeln zu fordern.
Doch damit nicht genug: Selbst wenn Onlinehändler ihre Werbeformate an die Vorgaben der Whitelist anpassen, garantiert ihnen das nicht, dass die Werbung Beachtung findet. Hierfür müssen sie eine weitere Hürde überwinden, überdies eine, auf die die Shopbetreiber keinen Einfluss ausüben können: Der Nutzer von Adblock-Plus muss der Anzeige von Whitelisting-Werbung zustimmen. Er darf die Funktion „Einige nicht aufdringliche Werbung zulassen“ nicht deaktiviert haben. Da der Nutzer eines Adblockers ja aber gerade keine Werbung sehen will, wird genau das oft passieren. Denn der von Adblock Plus an die Nutzergemeinde gerichtete Aufruf, durch selektives Zulassen für bessere Werbung zu sorgen, bietet kaum einen echten Anreiz.
Gerichtliche Klärung: Adblocking als legitimes Geschäftsmodell?
Den Adblockern mit juristischen Mitteln das Handwerk zu legen, ist noch nicht gelungen. In bislang fünf Verfahren sind Verlage und große Medienunternehmen vor Gericht gezogen, um den Einsatz von Adblock Plus auf ihren Onlineportalen verbieten zu lassen. Fünf Mal sind die Kläger mit ihrem Unterfangen gescheitert. Zu klären war jeweils die Frage, ob ein Verstoß gegen Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vorlag. Das Landgericht München verneinte diese Frage mit der Begründung, dass schon kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien bestehe. Das Landgericht Hamburg ging zwar von einem Wettbewerbsverhältnis aus, sah aber keinen Wettbewerbsverstoß auf Seiten von Adblock Plus: Dem Unternehmen hinter Adblock Plus schrieb das Gericht keine unzulässige gezielte Behinderungsabsicht zu. Stattdessen handele es sich um ein für den betroffenen Webseitenanbieter zwar lästiges, aber legitimes Geschäftsmodell.
Ein weiteres Verfahren, geführt von Spiegel Online, erneut gerichtet gegen Adblock Plus, ist noch am Landgericht Hamburg anhängig.
Adblocker-Sperren: Gegenwehr mit technischen Mitteln?
Wenn die Whitelist das Problem nicht lösen kann und auch juristische Mittel (noch) versagen, müssen Webseitenbetreiber andere Saiten aufziehen. Immer mehr reagieren daher mit technischer Gegenwehr auf Adblocking. Dies kann offen oder versteckt gehandhabt werden.
In der versteckten Variante können Onlinehändler auf einen der zahlreichen Dienstleister zurückgreifen, die sich auf die Entwicklung technischer Abwehrmaßnahmen spezialisiert haben. Die Softwarelösungen helfen Webseitenbetreibern, trotz Adblock-Plugins Werbung anzuzeigen. Erkennt die Software, dass der Besucher einen Adblocker verwendet, lässt sie es so aussehen, als handele es sich bei der Werbung um Hauptinhalte des Seitenbetreibers, die nicht – wie oben beschrieben – von einem gesonderten Adserver abgerufen werden. So ist ein Weg gefunden, Werbung einzublenden, die von Adblockern nicht unterbunden werden kann.
Die offene Variante verwendet zum Beispiel Bild.de. Hier erkennt eine spezielle Software, dass der Besucher einen Adblocker verwendet und verwehrt zunächst den Aufruf der Website. Erst wenn der Adblocker deinstalliert worden ist, wird die Seite vollständig angezeigt.
Auf dem technischen Sektor liefern sich Inhalteanbieter und Adblocker ein Ping-Pong-Spiel. Adblock Plus hat auf die Adblocker-Sperre von Bild mit einer Software reagiert, mit deren Hilfe die Adblocker-Sperren umgangen werden konnten. Dieses Vorgehen hat wiederum Bild allerdings erfolgreich vom Landgericht Hamburg untersagen lassen.
Im Ergebnis versprechen derzeit die technischen Maßnahmen gegen die Adblocker den größten Erfolg. Mit Spannung darf aber auch der Ausgang des Spiegel Online-Verfahrens erwartet werden. Für alle Webseitenbetreiber, die zur Finanzierung auf das Anzeigengeschäft angewiesen sind, wäre ein weitreichendes Verbot des Adblockings sicherlich von größtem Nutzen.
Zur Person
Sophie Engelhardt arbeitet seit 2002 als Rechtsanwältin. Nachdem sie zunächst in London und Hamburg tätig war, trat sie 2005 in die Kanzlei Rasch Rechtsanwälte ein und spezialisierte sich dort zur Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht. Ihr besonderes Interesse gilt dem Schutz geistigen Eigentums im Internet sowie wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen im E-Commerce.