Startup Challenges
Rockt eure Produkt-Optimierung mit dem Product Field
Nachdem Ihr in den letzten Folgen gelernt habt, mit Frame, Map und Check zu arbeiten, werdet ihr nun euer Produktdenken bewerten, aus positiven und negativen Bewertungen ein Gesamtbild eurer Situation erzeugen und Muster erkennen, die euch genau zeigen, wo welcher Handlungsbedarf besteht.
Warum nicht einfach eine Checkliste für mein Projekt?
Wie ihr sicher aus eigener Erfahrung wisst, ist die Arbeit an eurer Arbeit, die Verbesserung eurer Fähigkeiten und Prozesse eine immerwährende Aufgabe – aber eine, die viel Wert schafft. Eure Stärken und Schwächen unterscheiden sich jedoch von denen anderer, und sie verändern sich über die Zeit – schließlich arbeitet ihr ja an ihnen.
Deshalb halten wir es nicht für sinnvoll, euch zur Selbstverbesserung einfach eine Checkliste mit häufigen Fehlern und generischen best practices zu geben – die träfe in vielem nicht auf eure aktuellen Herausforderungen zu, sie nähme euch nicht wirklich ernst.
Stattdessen versuchen wir euch mit dem Product Field in der Find-Phase zu helfen, selbst regelmäßig zu überprüfen und herauszufinden, woran ihr wie arbeiten solltet.
Wie hilft mir ‘Find’?
Vorab ein Überblick, danach zeigen wir euch Schritt für Schritt, wie man zu den Ergebnissen kommt:
Identifiziert, kennzeichnet und bewertet im Product Field gemeinsam einzelne Stärken und Schwächen, Risiken und Potenziale.
Dazu schaut ihr euch gemeinsam die einzelnen Attribute an, die ihr ins Product Field eingetragen und bereits auf ihre Konsistenz gecheckt habt, und diskutiert, wie gut ihr in jedem dieser Aspekte aufgestellt seid. So erzeugt ihr ein geteiltes Verständnis von eurer Situation.
Auf Basis dieser Bewertung könnt ihr dann entscheiden und planen, mit welchen Tools und Methoden ihr an euren Stärken und Schwächen arbeiten wollt.
Außerdem könnt ihr aus der Bewertung eine Visualisierung generieren, die euch die Kräfte zeigt, die euer Produkt zum Erfolg schieben (push) oder ziehen (pull) – oder es davon abhalten, erfolgreich zu sein.
Diese Visualisierung reduziert Komplexität und hilft euch, eure Herausforderungen und Aktivitäten danach zu priorisieren, wie zentral sie für den Erfolg eures Produkts sind.
Zu guter Letzt verstärken und klären die Muster, die ihr durch die Visualisierung findet, das big picture eurer Innovation und helfen euch nicht nur, mit allen Stakeholdern klar zu kommunizieren, sondern auch, Veränderung und Fortschritt nachzuverfolgen.
Schritt 1: Positive Aspekte identifizieren
Je genauer ihr die Stärken eurer Produktinnovation kennt, desto besser könnt ihr sein ganzes Potenzial verwirklichen, indem ihr die Vorteile nutzt, die ihr gegenüber anderen habt.
Solche Vorteile können Erfahrungen oder Kompetenzen sein, die ihr anderen voraus habt und die ihr nutzen könnt, oder beispielsweise direkter Zugang zu bestimmten Nutzern oder Marktsegmenten.
Denkt bei der Diskussion der einzelnen Attribute an so unterschiedliche Stärken wie technologisches Know-How, Führungsstärke, bestehende Produktionsmittel oder treue Stammkundschaft.
In unserem Beispiel des Safety Bike sind z. B. klare Stärken der Unternehmer- und Erfindergeist von John Kemp Starley, die Erfindung des Kettenantriebs, die er sich zunutze machen konnte, und die starke Motivation des britischen Mittelstands, sich autonomer fortbewegen zu können.
Wie an diesen Beispielen deutlich wird, konzentriert ihr euch beim ‘Find’ auf den ‘Kontext’ eurer Produktinnovation. So arbeitet ihr an dem, was euch zur Verfügung steht (Treiber, Ressourcen, Produktionsmittel, Marktzugang etc.), um damit im ‘Kern’ ein besseres Produkt zu bauen.
Praxistipps positive und negative Aspekte
Um die positiven und negativen Aspekte zu markieren, benutzt ‘Dot Voting’: Klebt im Team kleine farbige Klebepunkte auf die konsolidierten Sticky Notes – grüne für positive, rote für negative Aspekte. Für uns funktionieren dabei die folgenden Regeln am besten:
Benutzt acht grüne Punkte für die positiven Aspekte des Kontexts: 3 Punkte für den wichtigsten positiven Aspekt, 2 mal 2 Punkte für die zweitwichtigsten Aspekte und 1 Punkt für den drittwichtigsten Aspekt.
Benutzt sechs rote Punkte für die negativen Aspekte des Kontexts: 3 Punkte für den wichtigsten negativen Aspekt, 2 Punkte für den zweitwichtigsten Aspekt und 1 Punkt für den drittwichtigsten Aspekt.
Schritt 2: Negative Aspekte identifizieren
Ein klares Verständnis der Unzulänglichkeiten und Schwächen eures Vorhabens hilft euch, Risiken zu beherrschen und Fallen zu umgehen.
Die Schwächen können dabei so unterschiedlich sein wie eure Stärken: Fehlende Orientierung kann genauso schädlich sein wie mangelndes Know-How, zu geringe Produktionskapazitäten oder nicht genutzte Distributionskanäle. Außerdem kann eine Schwäche auch darin bestehen, dass einzelne Komponenten eures Vorhabens nicht oder nur schlecht ineinandergreifen.
Das Safety Bike etwa hatte damit zu kämpfen, dass Starley nicht der Einzige war, der Ende des 19. Jahrhunderts mit solchen Erfindungen erfolgreich sein wollte. Die größte Schwäche aber waren die fehlenden Distributionskanäle – es gab schließlich noch keinen Fahrrad-Fachhandel, geschweige denn ganze Märkte oder Versandhändler.
Wenn ihr im letzten Schritt, dem ‘Check’, festgestellt haben solltet, dass bestimmte Attribute in eurem Produktdenken fehlten, dann solltet ihr diese jetzt als negative Aspekte im Product Field markieren.
Schritt 3: Kraftfeld generieren
Sobald ihr die positiven und negativen Aspekte eurer aktuellen Situation markiert habt, kann das Product Field daraus ein Kraftfeld generieren, das den Status quo visualisiert.
In dieser Visualisierung sehr ihr die Kräfte, die euer Produkt von innen nach außen, vom Labor zum Markt schieben oder ziehen. Zugleich seht ihr die Lücken und Gegenkräfte, die euer Produkt zurückhalten und dafür sorgen, dass die Kraftpfeile nicht bis nach rechts, in den Markt reichen.
Diese Lücken und Gegenkräfte markieren die Punkte, an denen für euch der dringendste Handlungsbedarf besteht: An diesen Punkten enstehen aktuell die größten Risiken für ein Scheitern. Konzentriert euch darauf, diese Risiken in den Griff zu bekommen. Dabei solltet ihr auch die positiven Kräfte so nutzen und verstärken, dass sie die Lücken und Gegenkräfte zu überwinden helfen.
Für die Arbeit an den Stärken und Schwächen könnt ihr zum einen auf eine ganze Reihe an Methoden und Werkzeugen zurückgreifen, von Design Thinking und Business Model Canvas bis zu Customer Development und agilen Prozessen.
Zum anderen werden sich ganz klare Aufgaben wie Recruiting, Funding-Akquise oder Aufbau von Vertriebskanälen ergeben.
Praxistipps Kraftfeld generieren
Um das Kraftfeld zu generieren, könnt ihr unser Online-Tool benutzen.
Projiziert dazu das Browserfenster auf euren Canvas, justiert die Ausrichtung und mappt die physischen Klebepunkte auf die virtuellen Kraftquellen, die das Kraftfeld generieren.
Schritt 4: Fortschritt sichtbar machen
Wenn ihr erfolgreich an den problematischen Aspekten eurer Produktinnovation gearbeitet habt, wird sich die Bewertung eurer Situation und damit das resultierende Kraftfeld verändern.
Der neue Stand eurer Produktinnovation sollte jetzt einen sehr viel stetigeren Fluss von links nach rechts zeigen, der einen Produkt-Erfolg wahrscheinlicher macht: Ihr habt Risiken minimiert, so dass weniger Gegenkräfte entstehen, und Stärken weiter gefördert, so dass die positiven Kräfte stärker sind als zuvor.
In unserem Beispiel, dem Safety Bike, haben Starley und seine Mitstreiter das Distributions-Defizit mit dem Ausweichen auf einen bestehenden Kanal, den Eisenwarenhandel, und mit der Installation von Clubs und Veranstaltungen neutralisiert, die das neue Produkt bekannt machten. Und siehe da: die Kraftpfeile reichen nun viel weiter nach rechts, die Erfolgschancen für das Safety Bike sind gestiegen.
Die Identifikation von Stärken und Schwächen, die Visualisierung der resultierenden Kräfte und die Verbesserung des Kraftflusses von links nach rechts könnt (und solltet!) ihr iterativ wiederholen. So macht ihr euer Vorhaben Schritt für Schritt immer erfolgversprechender.
Am nächsten Dienstag zur selben Zeit geht diese Serie weiter mit reichlich Stoff zum Validation-/Expermiment-Board, einem weiteren genialen Tool, das hilft, ein Produkt zum Kracher werden zu lassen.
Zu den Personen:
Entwickelt haben das Product Field Wolfgang Wopperer Beholz, Co-Founder mindmatters und betahaus Hamburg, Klaus-Peter Frahm, Leiter Business Development news aktuell und Michael Schieben, Geschäftsführer precious design studio .
Die drei haben mit dem Product Field erfolgreich in so unterschiedlichen Kontexten wie dem dpa next lab, dem Hamburger next media lab und der comdirect Startup Garage gearbeitet. Das Tool ist also gründlich praxiserprobt und hilft Startups, Acceleratoren und etablierten Unternehmen dabei, ihr Product Thinking zu schärfen.
Bisher erschienen in der Serie Startup Challenges:
Ohne die richtige Motivation ist alles nichts
Kreativität: So kommt man auf richtig gute Ideen
Product Thinking mit dem Product Field – so geht es!
Productfield: So funktioniert die Validierung
Kennen Sie schon unseren #StartupTicker? Der #StartupTicker berichtet tagtäglich blitzschnell über die deutsche Start-up-Szene. Schneller geht nicht!
Bilder alle © Product Field