App auf Rezept

Für Versicherte der TK gibt’s Tinnitracks jetzt gratis

Health-Start-up Tinnitracks hat einen bahnbrechenden Deal eingetütet: Ab sofort bekommen die bei der Techniker Krankenkasse versicherten Tinnitus-Patienten die Kosten für die Tinnitracks-App erstattet. Das könnte Signalwirkung für die digitale Health-Szene insgesamt haben.
Für Versicherte der TK gibt’s Tinnitracks jetzt gratis
Donnerstag, 17. September 2015VonElke Fleing

Sonormed wird von der Investitions- und Förderbank Hamburg (IFB) gefördert und räumte schon diverse Preise ab. Das Tool, das hilft, dem Gehirn störende Tinnitus-Geräusche abzutrainieren wurde zum EU-weit innovativsten Health Start-up durch das European Institute of Innovation & Technology (EIT) gekürt, zu dessen Netzwerk die Hamburger gehören. Tinnitracks hat es in den offiziellen SXSW-Accelerator 2015 geschafft und nicht nur das: Die Hamburger gewannen sogar den Großen Preis des renommierten Start-up Wettbewerbs ‘South by Southwest (SXSW) Accelerator’ in der Kategorie ‘Digital Health & Life Sciences Technologies’.

Seit Juli 2015 macht Sonormed mit einer App die Therapieoption für Tinnitus ab sofort überall und für jeden verfügbar. Sie bietet erstmals einen integrierten audiologischen Ansatz, der sich von isolierten Lösungen abhebt. Die App kombiniert die Kompetenz der lokalen Akustiker vor Ort mit der Technologie Sonormeds und optional mit der Hardware Sennheisers: Audiologie, Technologie und Hardware sind in einem Konzept vereint. Die App ist sowohl als Android-Version für Google-Smartphones als auch als iOS-Version für Apple iPhones verfügbar und somit auf fast allen Smartphones nutzbar.

Jörg Land, Gründer und Geschäftsführer der Sonormed: “Die App ist das Ergebnis zweijähriger Ingenieursarbeit. In die Entwicklung sind die Erfahrungen mit unserer Web-Lösung eingeflossen, die etablierte Grundtechnologie und der direkte Austausch mit unseren Kunden sowie die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit HNO-Ärzten und Hörakustikern. Die Entwicklung des Produkts bis zur Marktreife war dank der Anerkennung und der finanziellen Unterstützung öffentlicher Institutionen möglich.”

Und jetzt das: Ab Anfang Oktober 2015 gibt es als erste App überhaupt die Tinnitracks-App für Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK) auf Rezept – verschrieben von Hamburger Hals-Nasen-Ohrenärzten. “Mit Tinnitracks wird die App zum Therapeuten. Und sie kann eine Alternative zu den konventionellen Behandlungsmöglichkeiten sein”, sagt Klaus Rupp, Leiter des Versorgungsmanagements der TK. Denn hat der Hals-Nasen-Ohrenarzt erst einmal die individuelle Tinnitus-Frequenz exakt ermittelt, erfolgt die Therapie allein via Smartphone.

Die TK übernimmt die monatlichen Kosten von 19,90 Euro für die App sowie die Kosten für die genaue Frequenzbestimmung durch den HNO-Arzt oder Hörgeräteakustiker.

Das Ziel: Erste Erfahrungen mit Tinnitracks als Behandlungsalternative unter Routinebedingungen zu sammeln und das Behandlungskonzept bei Erfolg bundesweit auszurollen. Aus diesem Grund machen rund 30 Hals-Nasen-Ohrenärzte in Hamburg den Anfang. Patienten können unabhängig von ihrem Wohnort teilnehmen, wenn sie bei einem dieser Ärzte in Behandlung sind.

Genauere Zahlen infrage kommender Patienten finden sich im Hamburger Abendblatt: “Die Techniker Krankenkasse hat in Hamburg allein 10.000 Tinnitus-Patienten, bundesweit gibt es zwei bis drei Millionen Patienten. Von einem zwischenzeitlichen Tinnitus sind noch deutlich mehr Menschen betroffen. Die Folge des Tinnitus’ können Schlafstörungen, Depressionen und häufig Arbeitsunfähigkeit sein.”

Durch die Vereinbarung mit der TK wird Sonormed zum Vorreiter, was die Zusammenarbeit von Health-Start-ups und den Krankenkassen angeht. Denn, so das Hamburger Abendblatt im bereits zitierten Artikel: “Für Handys und Tablet-Computer gibt es rund 379.000 Gesundheits-Apps. Nach Einschätzung von Experten sind fast alle Schrott.” Die Tinnitacks-App kann die Akzeptanz für Digital-Health-Lösungen insgesamt fördern. Nach sinnvollen Health-Apps, die sich kostensenkend auswirken, suchen die Krankenversicherer mit viel Druck, weil die Gesundheitskosten immer mehr aus dem Ruder laufen.

Seit längerem schon bezuschussen immer mehr Krankenkassen auch präventive Maßnahmen wie Fitness-Kurse, weil sie endlich eingesehen haben, dass Vorbeugung vor Krankheiten in der Regel deutlich preisgünstiger ist als die Behandlung von Krankheiten.

Und vor ein paar Wochen schlug die Meldung, dass die einige gesetzliche Krankenkassen sogar Fitness-Tracker wie die Apple-Watch für ihre Versicherten bezuschussen, reichlich Wellen.

Eine Diskussion, die auch Politiker zur Einmischung veranlasste: “Einen ‘fragwürdigen’ Bonus, nannte Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach den Zuschuss. Die Krankenkassen hätten offensichtlich vor, mit der Aktion gut gebildete, junge und gesunde Mitglieder von anderen Versicherungen abzuwerben, sagte der SPD-Politiker dem Spiegel vor einigen Wochen.”

Wie auch immer: Für Health-Start-ups ist das beginnende Umdenken der Krankenkassen jedenfalls eine Riesen-Chance, mit wirklich nutzwertigen Produkten in den Versicherern Partner zu finden, die einen gewaltigen Traction-Schub bringen können.

Elke Fleing

Elke Fleing aus Hamburg liefert Texte aller Art, redaktionellen Content und Kommunikations-Konzepte. Sie gibt Seminare, hält Vorträge und coacht Unternehmen. Bei deutsche-startups.de widmet sie sich vor allem Themen und Tools, die der Erfolgs-Maximierung von Unternehmen dienen.