French Tech boomt
Frankreich wacht aus seinem Dornröschenschlaf auf
Das französische Start-up-Ökosystem gewann in den letzten Jahren an Dynamik: Nicht nur, weil Gründer der Generation Millennials mehr als je zuvor gewillt sind ein Risiko einzugehen, sondern weil sie vermehrt wachsende Unterstützung sowohl von wirtschaftlicher als auch staatlicher Seite erfahren. Mit Xavier Niel finanziert einer der wichtigsten Unternehmer Frankreichs die Initiative “1.000 Start-ups” in Paris, einen riesigen Co-Working Space, in dem nächstes Jahr rund eintausend Start-ups Platz finden sollen. Auch der französischen Regierung wird die wachsende Bedeutung der Szene bewusst, denn sie will die “French Tech” zunehmend mit Subventionen und Krediten unterstützen, von denen “JEI – jeune entreprise innovante” und CIR, eine Steuergutschrift für Forschungsausgaben, nur einige sind. All diese Trends werden die französische Szene in den kommenden Jahren nachhaltig beeinflussen und ihr den notwendigen Antrieb geben, eines der führenden Tech-Länder Europas zu bleiben.
Französische Investoren und Gründer wachen aus ihrem Dornröschenschlaf auf
Dabei sah es zunächst nicht so rosig aus für Frankreichs Gründer und Investoren: Sie litten in den vergangenen Jahren besonders stark unter dem langsamen Wachstum der europäischen Wirtschaft und verpassten es, sich rechtzeitig für internationale Märkte und Investoren zu öffnen. Briten, Deutsche und Skandinavier agieren schon lange im Ausland, um internationale Erfahrungen zu sammeln und zu investieren. Wohingegen man in Frankreich gerade erst anfängt, auch internationales Geld anzunehmen, so dass französische Unicorns entstehen können. Im Prinzip hat es von tausenden von französischen Unternehmen nur das Start-up Blablacar geschafft, eines dieser bewunderten Geschöpfe zu werden. Der Rest der “Rising Stars” der europaweiten Start-up-Szene (Delivery Hero, Farfetch, Home24, Shazam, Transferwise) stammt aus Deutschland oder Großbritannien.
Es gibt also keinen Zweifel daran, dass Frankreich Interesse hat, genau jetzt den Abstand aufzuholen: Nun gibt es eine neue Generation von Investoren, die historische Finanzierungsrunden für neue Ventures zulassen, wie etwa Ex-Elaia Partner Marie Ekeland. Das ist die neue Zunft von VCs, die die rasant wachsende Start-up-Bewegung in Frankreich unterstützt und zur Aufholjagd unter anderem im E-Commerce und Tourismus bläst – doch hat Frankreich in diesen Bereichen wirklich so viel aufzuholen im Vergleich zu Deutschland? Bastien Duclaux, Mitgründer und CEO von Twenga, und Eric La Bonnardière, Mitgründer und CEO von Evaneos.de, sehen sowohl im E-Commerce als auch im Tourismus momentan eher Frankreich vorn.
“Das deutsche Verbrauchergesetz ist im direkten Vergleich mit dem französischen sehr streng”
“In Frankreich hat der Handel eine sehr wichtige, historische Tradition: Carrefour ist zum Beispiel der drittgrößte Händler überhaupt in der Welt”, erklärt Bastien Duclaux, Mitgründer und CEO von Twenga. “Die französischen Retailer hatten sich zunächst nur sehr langsam dem digitalen Wandel geöffnet, aber nun kommen sie umso stärker zurück und forcieren Kooperationen mit Start-ups, um an innovativen Ansätzen zu arbeiten. Signifikante Unterschiede im Konsumentenverhalten und in den Marktbedingungen zwischen Frankreich und Deutschland machen den französischen E-Commerce viel zugänglicher für Nachwuchsunternehmen: Allein das deutsche Verbrauchergesetz ist im direkten Vergleich mit dem französischen sehr streng und kleine Händler haben Schwierigkeiten, die unterschiedlichen Regelungen einzuhalten, da diese viele technische und finanzielle Ressourcen verlangen. Dafür sind deutsche Kunden in der Regel loyalere Kunden, jedoch bevorzugen sie es, eher auf einer etablierten Händlerseite einzukaufen, da sie sich dort sicherer bei ihrer Online-Transaktion fühlen. Sie müssen zudem selten ihre Bestellung sofort bezahlen – was natürlich sicherer für den Kunden ist, aber eine hohe Flexibilität vom Händler verlangt –, während das Gegenteil normal für den französischen E-Commerce ist. Es sind Faktoren wie diese, die es neuen Start-ups in Deutschland erschweren, den E-Commerce-Markt zu knacken und einen Kundenstamm aufzubauen.”
“Der deutsche Markt birgt großes Potenzial: Immer mehr deutsche Reisende wollen individuell reisen”
Auch für Eric La Bonnardière, Mitgründer und CEO von Evaneos, ist es im Bereich Tourismus tatsächlich der deutsche Markt, der sich eher an den digitalen Wandel anpassen muss statt der französische: “Frankreich ist eines der meistbesuchten Länder Europas und hat daher eine sehr starke touristische Geschäftskultur. Franzosen lieben es zu reisen und sie haben ein großes internationales Netzwerk in dem Bereich, gleichzeitig wächst der digitale Tourismus ungemein – der Bereich ist die Nummer eins für neue Online-Konzepte! Etablierte und große Player am Markt wie Fluglinien, Hotels und Tour Operators bieten jungen, schnellwachsenden Unternehmen die perfekte Gelegenheit, neue Ideen zu entwickeln, um den Markt aufzumischen und die Wertschöpfungskette nachhaltig zu verändern. Zwar mag man beispielsweise in Deutschland momentan noch lieber bei klassischen ersetzten durch Reiseveranstalter wie TUI buchen, doch wir merken hier bei Evaneos, dass der deutsche Markt großes Potenzial birgt: Immer mehr deutsche Reisende wollen individuell reisen und direkten Kontakt mit lokalen Agenten haben statt anonymer Massenabfertigung. Die Digitalisierung der Tourismusbranche beginnt erst jetzt wirklich in Deutschland.”
Zu den Personen
Bastien Duclaux hat Twenga 2006 zusammen mit Cédric Anès gegründet mit dem Ziel, die größte Produkt- und Preissuchmaschine im Internet zu schaffen. Seit 2014 bietet das Unternehmen fortschrittliche Akquise-Lösungen für die wichtigsten Werbeplattformen im E-Commerce (https://www.twenga-solutions.com/de/), die es Online-Händlern ermöglichen, den ROI ihrer Kampagnen erheblich zu verbessern.
Eric La Bonnardiere ist Mitgründer und Geschäftsführer des 2009 gestarteten Internetportals Evaneos.de. Auf der Plattform können Kunden ihre Reisen direkt zusammen mit lokalen Reiseagenturen zusammenstellen und profitieren von einem individuelleren Reiseerlebnis bei bis zu 20 Prozent niedrigeren Kosten.