“Wir brauchen keinen Neuen Markt” – Offener Brief an Wirtschaftsminister Rösler
Der neue Neue Markt sorgt weiter für Gesprächsstoff – siehe dazu auch “Neuer Markt 2.0: Zwischen Wahlkampf, Sommerloch und verheerenden Signalen” und “Blase 2.0? Rösler will Neuen Markt wiederbeleben“. Heute folgt ein Offener Brief an Wirtschaftsminister Philipp Rösler. Verfasst wurde er von Ben Esser, Mitgründer des Online-Shops Urbanara (www.urbanara.de). Tenor: “Wir brauchen keinen Neuen Markt.
Zum Hintergrund: Im September will Urbanara über die Crowdinvesting-Plattform Bergfürst (www.bergfuerst.de) bis zu 3,75 Millionen Euro Kapital aufnehmen. Sollte dies gelingen, wäre es nach Firmenangaben die größte Crowdinvesting-Aktion in Europa. Urbanara ist der erste Bergfürst-Emittent. So weit die Hintergründe zum Verfasser und dessen eigener Motivation. nun dokumentieren wir den Offener Brief an Wirtschaftsminister Rösler in voller Länge:
Offener Brief an Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) : Wir brauchen keinen Neuen Markt – Crowdinvesting schließt bereits die Lücke zwischen Risikokapital und Börse
Bitte keine Wiederbelebung gescheiterter Modelle: Crowdinvesting schließt bereits die Lücke zwischen Risikokapital und Börse. Wir brauchen keinen Neuen Markt.
Sehr geehrter Herr Rösler,
mein Name ist Ben Esser. Gemeinsam mit meinen beiden Mitgründern Claire Davidson und Martin von Wenckstern habe ich 2010 Urbanara gegründet, eine Online-Marke für hochwertige Wohntextilien. Urbanara wird bereits von professionellen Investoren finanziert, verfügt über 25.000 Kunden und erwartet 5 Mio. Euro Umsatz in diesem Jahr. In wenigen Wochen werden wir über die Crowdinvesting-Plattform Bergfürst 3 bis 3,75 Mio. Euro privates Kapital aufnehmen.
Mein Angebot: Helfen Sie Unternehmen wie Urbanara, Vertrauen für die neuen öffentlichen Beteiligungssysteme aufzubauen, anstatt diese mit dem Wiederbeleben gescheiterter Modelle zu torpedieren.
Dies sind die aus unserer Sicht wichtigsten Argumente gegen einen wiederbelebten Neuen Markt:
(1) Junge Unternehmen brauchen keine Börse “light”.
Derzeit fehlt es in Deutschland vor allem an Finanzierungsmöglichkeiten für junge Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich bereits am Markt bewährt hat und die eine Finanzierung im Bereich zwischen 2 und 10 Millionen Euro anstreben.
Denn im Rückblick hat der Neue Markt der Deutschen Börse bewiesen: Hohe Erwartungen von Anlegern und niedrige Transparenzstandards verführen zu Missbrauch. Schwache Corporate Governance-Regelungen führten dazu, dass Bilanzen verfälscht, Adhoc-Pflichten missachtet und Risiken verschwiegen wurden. Bis heute wirkt der Vertrauensverlust des Neuen Marktes nach und macht einen sauberen Neustart unmöglich. Der geregelte Markt dagegen definiert seit Jahrzehnten überzeugend eine Börsenreife – nicht zuletzt über den Entry Standard, der aktuell 189 Werte führt.
(2) Wir haben in Deutschland Nachholbedarf – an Partizipation, nicht an Geld.
2012 wurden rund 240 Mio. EUR Risikokapital in Deutschland investiert. Das ist wenig im Vergleich zu den rund 32 Mrd. USD, die in den USA allein 2011 flossen*. Internationales Kapital steht aber prinzipiell auch Unternehmen hierzulande zur Verfügung: Erfolgreiche deutsche Start-ups wie Soundcloud, Wooga oder Zalando nutzen internationale Beteiligungen. Die Kriterien für die Kapitalbeschaffung über Risikokapitalinvestoren sind weltweit vergleichbar und allgemein bekannt. Heute haben nachhaltig ausgerichtete Start-ups generell weniger Probleme als noch zu Zeiten des Neuen Marktes, eine Wachstumsfinanzierung zu erhalten.
Wer sich bislang nicht an jungen Unternehmen beteiligen konnte, ist der von einem Anbieter überzeugte Kunde. Urbanara hat ein großes Interesse daran, seine Kunden zu beteiligen. Sie sind wichtige Investoren für Start-ups. Kunden als Teilhaber schaffen Reputation und Loyalität, verhelfen dem Unternehmen zu mehr Bekanntheit und geben wichtige Impulse für die Ausrichtung der Produkte und Dienstleistungen. In Sachen Partizipation besteht gerade am deutschen Markt ein großer Nachholbedarf.
(3) Crowdinvestments schließen die Lücke zwischen Risikokapital und Börse.
Technologieunternehmen brauchen keine Sonderwirtschaftszone, sondern ein solides Umfeld: Einen zentralenr Marktplatz muss mit klaren Corporate Governance Regelungen wie einer dreijährigen Lock-up Periode, Adhoc-Pflichten und einer transparenten Finanzplanung Investoren informieren und schützen.
Um unsere Kunden an unserer Entwicklung zu beteiligen, haben wir uns daher für einen Crowdinvesting-IPO entschieden. Diese “Schwarmmittelbeschaffung” ist in unseren Augen aktuell die beste Möglichkeit, nicht-institutionelle Investoren vor der eigenen Börsenreife als Teilhaber zu gewinnen. Anfang September bieten wir Kunden und Interessenten über die Plattform Bergfürst an, jederzeit handelbare Aktien zu erwerben und so zu Miteigentümern unseres Unternehmens zu werden. Bergfürst ist durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (Bafin) zugelassen und hat damit die Erlaubnis, die Platzierung und Anlagevermittlung von Aktien durchzuführen. Die Bafn beaufsichtigt gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften und Gesetze. Urbanaras Wertpapierverkaufsprospekt wird durch die Bafin akkreditiert. Nur so können wir volle Transparenz für den Anleger garantieren.
(4) Transparenz beim Crowdinvesting macht Anlageberatung überflüssig.
Nicht zu unrecht ist die Anlageberatung von provisionsorientierten Banken und externen Dienstleistern in Kritik geraten. Crowdinvesting verfolgt den umgekehrten Ansatz: Der Investor soll eine eigenständige Entscheidung treffen – anhand der Transparenz, die Urbanara im Vorfeld der Investition bietet.
Crowdinvesting-Plattformen haben den Bedarf der Finanzierung für junge Unternehmen längst erkannt und bedienen ihn schon heute. Ihre Idee, den Neuen Markt wiederzubeleben, würde direkt gegen existierende Modelle wie dieses wirken.
Gerne nehmen wir Ihre Unterstützung entgegen, das Vertrauen in diese neuen Kapitalmärkte weiter auszubauen. Investieren Sie Ihre Aufmerksamkeit bitte richtig. Aber nicht in den Neuen Markt.
Hochachtungsvoll
Ben Esser, Gründer und CEO der Urbanara AG