#Gastbeitrag
Warum fehlende kulturelle Integration in Startups enormen Wert zerstört

Startups wachsen schnell – sei es organisch oder durch Übernahmen. Während Synergien in Produkt, Technologie und Marktanteilen oft im Fokus stehen, bleibt ein entscheidender Erfolgsfaktor häufig unbeachtet: die kulturelle Integration. Eine schlecht umgesetzte Integration bremst jedoch nicht nur die Effizienz, sondern kann den gesamten Wert einer Übernahme zunichtemachen.
Als COO der Celebrate Company und mit Stationen bei Kalera, Planet Sports und Bain habe ich beide Seiten kennengelernt – die des Käufers und die des Gekauften. Meine Erfahrung zeigt: Ohne Vertrauen, gemeinsame Werte, Klarheit und konsequente Entscheidungen bleibt eine Integration oft nur eine Illusion.
Kulturelle Integration wird systematisch unterschätzt
“Corporate culture eats strategy for breakfast – and all your synergies for lunch if you’re not careful.” Dieses Zitat hat sich in meiner Laufbahn immer wieder bestätigt. Die kulturelle Dimension wird in M&A-Prozessen oft vernachlässigt, weil sie schwer messbar ist. Doch wenn Teams aus unterschiedlichen Unternehmenskulturen nicht zusammenfinden, entstehen Unsicherheiten, Reibungsverluste und ineffiziente Doppelstrukturen.
Ein typisches Beispiel: Bei einer Unternehmensübernahme, die ich begleitet habe, wurden operative Synergien geplant – doch die kulturelle Integration blieb lange auf der Strecke. Statt eines gemeinsamen Unternehmens entstanden zwei Firmen unter einem Dach. Teams arbeiteten nebeneinander, aber nicht miteinander. Fehlender Austausch und mangelndes Vertrauen führten dazu, dass wichtige Projekte verzögert oder gar nicht erst umgesetzt wurden.
Wie kann man also verhindern, dass eine Fusion in zwei parallelen Systemen endet? Ich sehe drei zentrale Hebel:
Die entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine gelungene Integration
1. Vertrauen durch persönliche Beziehungen und Zusammenarbeit aufbauen
Integration beginnt nicht mit Prozessen, sondern mit Menschen. Es braucht enorm viel Zeit, um sich gegenseitig kennenzulernen. Für Führungskräfte bedeutet das, an allen Standorten präsent zu sein, Townhalls zu organisieren und unzählige Gespräche zu führen. Entscheidend ist, dabei auch etwas Persönliches von sich zu teilen und sich verletzlich zu zeigen. Wer als Führungskraft in Vorleistung geht, schafft eine Vertrauensbasis – ohne die eine echte Integration nicht möglich ist.
Dabei gibt es in jedem Unternehmen Schlüsselpersonen, die den Wandel vorantreiben können. Es ist essentiell, genau diese Menschen zu identifizieren und eng mit ihnen zusammenzuarbeiten. Besonders offen und neugierig auf Veränderungen reagierende Mitarbeiter:innen sollten gefördert und in Verantwortung gebracht werden – unabhängig von Hierarchie oder bisherigen Strukturen. Das setzt positive Signale, stärkt das Vertrauen im Team und beschleunigt die Integration erheblich.
Zusammenarbeit im engsten Sinne des Wortes – auf Englisch: Co-Creation – ist eine sehr effektive Methode, um Vertrauen aufzubauen und letztlich gemeinsame Ziele Realität werden zu lassen.
2. Gemeinsame Wertebasis schaffen
Neben Vertrauen ist die Schaffung einer geteilten Wertebasis ein wichtiger Bestandteil von gelungener Integration. Das erfordert zunächst ein Bewusstmachen der eigenen Unternehmenswerte und ggfs. ein gezieltes “Cultural Onboarding”. Zudem ist jede Firma anders – ganz besonders dann, wenn zwei Unternehmen aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen. Das Wissen darüber und das Arbeiten mit der Unterschiedlichkeit und nicht dagegen, bzw. das Nicht-Gleichschalten-Wollen ist als Haltung für kulturelle Integration essentiell.
3. Klare Entscheidungen treffen und konsequent kommunizieren
Führung bedeutet, konsequente Entscheidungen zu treffen – auch wenn sie nicht immer einfach sind. Gerade in Transformationsprozessen braucht es Klarheit: Welche Strukturen funktionieren? Wo gibt es Spannungen? Und wie können wir alle Mitarbeiter:innen bestmöglich in den Veränderungsprozess einbinden?
Nicht jeder wird sich in der neuen Kultur wohlfühlen – und das ist normal. Wichtig ist, diesen Prozess aktiv zu begleiten, transparent zu kommunizieren und gemeinsam Lösungen zu finden. In vielen Fällen geht es nicht um “Blockieren” oder “Durchsetzen”, sondern darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Seiten wiederfinden. Wenn das nicht gelingt, braucht es ehrliche Gespräche darüber, wie der beste Weg für alle Beteiligten aussehen kann.
Das Team als Schlüssel zur erfolgreichen Integration
Ein entscheidender Faktor, den viele Unternehmen unterschätzen, ist die Rolle des Teams. Integration ist keine Top-Down-Entscheidung – sie muss von den Mitarbeiter:innen getragen werden. Meine Aufgabe als Führungskraft ist es nicht, alles selbst zu wissen oder zu entscheiden. Es geht darum, großartige Teams mit einer gemeinsamen Wertebasis zu formen, in denen jeder Einzelne besser ist als ich selbst. Nur wenn sich Menschen als Teil eines gemeinsamen Unternehmens fühlen, funktioniert Integration wirklich.
Startups, die das frühzeitig verstehen, sichern sich nicht nur operative Synergien – sondern vor allem eine gemeinsame Unternehmenskultur, die langfristig Wert schafft.
Über den Autor
Henner Schwarz ist Chief Operations Officer (COO) und Geschäftsführer der Celebrate Company. Zuvor führte er das Indoor-Farming-Unternehmen &ever zum Exit an Kalera und dort an die NASDAQ. Henner studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und erwarb einen MBA an der Kellogg School of Management.
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