#Interview
“In Momenten der Rückschläge zeigt sich der wahre Unternehmergeist”

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antworten Benedikt und Jakob Sons. Die Brüder haben 2017 gemeinsam den heutigen Marktführer für Medizinalcannabis, die Cansativa Group, gegründet.
Wie startet Ihr in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Benedikt: Mein Bruder und ich stehen beide immer um fünf Uhr morgens auf und arbeiten direkt zwei Stunden im Fokus. Danach checken wir um sieben Uhr ein. Da kommen uns dann die besten Ideen für unser Geschäft. Die wichtigste Zeit des Tages findet bei uns früh morgens statt. Das frühe Arbeiten verschafft uns einen guten Überblick und feste Strukturen für den Tag.
Wie schaltet Ihr nach der Arbeit ab?
Jakob: Mein Bruder versucht, mindestens zwei Mal die Woche auf dem Golfplatz zu sein, um einen mentalen Ausgleich zu bekommen. Mit der Erholung kommen neue Ideen, es ist wie eine Kreativquelle. Ich schalte am besten in der Natur ab, am liebsten auf ausgedehnten Touren mit meiner Familie durch den Wald. Wenn es das Wetter nicht zulässt, findet man mich mit einem Buch auf dem Sofa.
Was über das Gründer:innen-Dasein hättet Ihr gerne vor der Gründung gewusst?
Benedikt: Wir hätten gerne vorher gewusst, wie wichtig es ist, eine Performancekultur im Unternehmen zu etablieren. Dazu gehört zu verstehen, welcher Antrieb und welche Motivation die Mitarbeitenden individuell reizt. Bei manchen sind es monetäre Anreize, bei anderen ist es pure Anerkennung. Das muss man individuell ausloten, damit die Person genau das bekommt, was sie braucht, um ihr Leistungsmaximum zu erreichen. Ich selbst gehe fünf Tage die Woche an mein Maximum. Umso wichtiger ist es, das Wochenende zur Entspannung zu nutzen.
Was waren die größten Fehler, die Ihr bisher gemacht habt – und was habt Ihr aus diesen gelernt?
Jakob: Mit der Veröffentlichung des ersten Eckpunktepapiers von Gesundheitsminister Karl Lauterbach Ende Oktober 2022 zerschlug sich der Traum einer schnellen Legalisierung. Die in das Projekt involvierten Ministerien tauschten sich mit der EU-Kommission in Brüssel über die Vereinbarkeit mit europäischem Recht aus schufen restriktivere Leitplanken, als erwartet. Nach dem zweiten Eckpunktepapier im Frühjahr 2023 war klar, dass es nicht zu einer Volllegalisierung kommen wird, wie wir erwartet hatten. Diese Entscheidung im Oktober 2022 auf Bundesebene hatte erhebliche Auswirkungen auf unser Startup. Der neue B2B-Marktplatz, für den mehr als 500.000 Euro investiert wurden, ein Patientenbeirat, neue Produkte, zahlreiche Mitarbeitende und ein zu großes Büro mussten eingestampft werden. Es waren keine einfachen Tage für uns. Wir mussten die Reißleine ziehen und unser Unternehmen schnell der gegebenen Situation anpassen. Cansativa war zu schnell gewachsen, 30 Prozent der Mitarbeitenden mussten sofort entlassen werden, und alle neuen Projekte wurden gestoppt. Dieser Rückschlag war existenzbedrohend – andere Unternehmer wären daran möglicherweise gescheitert. Insgesamt hatte Cansativa bis zu diesem Zeitpunkt fünf Millionen Euro verbrannt. Dieses “Lehrgeld” wurde genutzt, um aus den Fehlern zu lernen und künftig besser zu agieren. Ich glaube weiterhin an den deutschen Markt und richten unser Geschäft entsprechend neu aus: Jetzt machen wir 4 Millionen Euro Umsatz pro Monat und sind sehr profitabel.
Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Benedikt: Indem man sein Unternehmen nach außen durch ein geschicktes Employer Branding so positioniert, dass man sich direkt selbst bewerben würde. Dabei muss man kritisch hinterfragen, ob einen der aktuelle Auftritt des Unternehmens anspricht. LinkedIn wird dabei eine immer wichtigere Plattform. Eine überzeugende Unternehmenskultur ist dabei am wichtigsten. Für uns ist bspw. High-Performance extrem wichtig: Wen das anspricht, ist bei uns genau richtig. Das kann man über LinkedIn super nach außen tragen, beispielsweise über das Engagement von Mitarbeitenden – durch eigene Posts, oder die Interaktion mit Unternehmensinhalten. Wir gehen auch verschiedene, sehr innovative Wege in der Interaktion mit potenziellen Talenten auf anderen Plattformen abseits von LinkedIn.
Welchen Tipp habt Ihr für andere Gründer:innen?
Jakob: In Momenten der Rückschläge zeigt sich der wahre Unternehmergeist. Anstatt sich von diesen entmutigen zu lassen, nehmen wir die Herausforderung an und analysieren präzise, was schiefgelaufen ist. Wir nutzen Krisen als Chance zur Neuausrichtung, passen unsere Strategie an und setzen auf die Stärke des Teams. Durch das Fokussieren auf unsere Kernkompetenzen und das gezielte Einholen von externem Rat gelingt es uns, neue Wege zu finden und das Startup wieder auf Kurs zu bringen. Dieser resiliente Ansatz stärkt nicht nur das Unternehmen, sondern schärft auch die Vision für die Zukunft. Gebt euer Business nicht auf, ohne alles gegeben zu haben.
Ohne welches externe Tool würde Euer Startup quasi nicht mehr existieren?
Benedikt: Wir haben bereits 2017 bei nur 5 Artikeln im Sortiment ein großes ERP-System ausgerollt. Damals erschien das überzogen. Mittlerweile haben wir daran zahlreiche individuell entwickelte Integrationen in Produktinformationssysteme, Website, Webshop, CRM und weitere Systeme angeschlossen. Dieses Gesamtcluster ist eine wesentliche Engine für unser Wachstum, auch wenn es weitaus mehr als nur ein Tool ist.
Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Jakob: Unsere Highlights sind der Cansativa Summercruise und unsere vorweihnachtliche Jahresfeier. Dieses Jahr haben wir uns etwas ganz Besonderes ausgedacht und freuen uns schon auf die überraschten Gesichter. Ansonsten gilt im Alltag: Mit gutem Beispiel vorangehen. Als Unternehmer gibt es keine schlechten Tage und damit auch keinen Grund schlechter Stimmung zu sein – Es fällt nicht immer einfach, aber am Ende ist unsere Organisation auch ein Spiegel unserer eigenen Stimmungslage. Daran kann man gut arbeiten!
Was war Euer bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Benedikt: Am 22.12., zwei Tage vor Heiligabend, hatten wir um 08:00 Uhr morgens den Notartermin zur Beurkundung einer Finanzierungsrunde. Wir haben bis morgens um 03:30 Uhr mit den Anwälten aller Parteien an Lösungen gefeilt und gearbeitet, aber mussten dann die Finanzierungsrunde vertagen und absagen. Damit war der heftige Workload über Wochen in einem Schlag umsonst. Das war für uns als Gründer der Moment, in dem man lernt, was Demut und Resilienz bedeuten. Wir dachten, dass wir unter dem Weihnachtsbaum eine schicke neue Finanzierungsrunde haben, stattdessen lag dort ein vertagter Prozess, der dennoch sehr erfolgreich abgeschlossen wurde – aber eben erst acht Wochen später.
Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.