Von Alexander
Donnerstag, 27. Februar 2025

Circunomics – und das große Geschäft mit Alt-Akkus

Unter dem Slogan "Battery Matchmaking" baut das Team von Circunomics ein "Kreislaufsystem für Batterien aus Elektrofahrzeugen" auf. GET Fund und Schaeffler Invest sowie Altinvestoren wie Orlen investierten zuletzt 8 Millionen Euro in das Unternehmen.

Das Mainzer Startup Circunomics, 2019 von Felix Wagner und Jan Born gegründet, setzt auf ein “Kreislaufsystem für Batterien aus Elektrofahrzeugen von der Erst- und Zweitverwendung bis hin zum Recycling der Rohstoffe”. “Nach dem ersten Leben in einem Fahrzeug oder in einem Batteriespeicher machen wir eine  Batterieanalyse und ein Monitoring und können danach sagen, wie gesund die Batterie noch ist und was sie noch leisten kann”, sagt Gründer Wagner.

“Danach helfen wir der Batterie ein zweites Leben zu schenken, indem wir sie für den Besitzer bzw. rechtlichen verpflichteten Rücknehmer, also einen Automobilhersteller, an Zweitverwender weiter veräußern. Dies machen wir über einen digitalen Marktplatz, wo Verkäufer und Käufer zueinander finden”, führt der Circunomics-Macher weiter aus. Das Konzept kommt an! Der Münchner GET Fund und Schaeffler Invest, ein Ableger des Unternehmens Schaeffler, sowie Altinvestoren wie Orlen investierten zuletzt 8 Millionen Euro in das Unternehmen.

Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Circunomics-Macher Wagner einmal ausführlich über den Stand der Dinge bei Circunomics.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Circunomics erklären?
Jede Batterie verliert über die Dauer ihrer Nutzung an Kapazität, das kennen wir beispielsweise von nachlassenden Handy-Akkus. Jetzt stellen wir die Mobilität und Energieinfrastruktur auf Batteriebetrieb um, beispielsweise Autos vom Verbrennungs- auf den Elektromotor, und hier ergibt sich der gleiche Effekt. Je länger wir ein Fahrzeug nutzen, desto weniger weit kommen wir damit, die Leistung der Batterie lässt nach, die Reichweite des Autos wird kürzer. Jetzt ist der Effekt für die Umwelt bei der Nutzung von diesen Akkus in Fahrzeugen oder Speichern natürlich ein anderer, da der Akku viel größer ist und wir zukünftig Millionen von Fahrzeugen auf der Straße haben werden bzw. zahllose Speicher für die Energiewende benötigen. Wir kümmern uns mit unserem Startup darum, dass die Batterie möglichst lange lebt. Nach dem ersten Leben in einem Fahrzeug oder in einem Batteriespeicher machen wir eine  Batterieanalyse und ein Monitoring und können danach sagen, wie gesund die Batterie noch ist und was sie noch leisten kann. Danach helfen wir der Batterie ein zweites Leben zu schenken, indem wir sie für den Besitzer bzw. rechtlichen verpflichteten Rücknehmer, also einen Automobilhersteller, an Zweitverwender weiter veräußern. Dies machen wir über einen digitalen Marktplatz, wo Verkäufer und Käufer zueinander finden. Wir unterstützen dabei, welche Batterien sich noch für welchen Anwendungszweck eignen. Und am Ende des Batterielebens, helfen wir dann auch noch die Batterie geordnet in das Recycling zu überführen. Beide Produkte zusammen, die Analyse und der Marktplatz, nennen wir Battery Lifecycle Management Solution.

War dies von Anfang an Euer Konzept?
Unsere ursprüngliche Geschäftsidee ist im Kern unverändert geblieben. Die Idee des Startups hat sich aus Gesprächen mit Automobilherstellern entwickelt, die vor einigen Jahren noch überhaupt keine bzw. keine vollumfängliche Lösung für eine Kreislaufwirtschaft von Batterien nach dem First Life aufzeigen konnten. Dabei war damals schon absehbar, welche gigantische Welle auf alle zurollt: In 2030 werden weltweit zwischen 200 und 300 Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen unterwegs sein. Das heißt, dass ab 2030 jährlich fünf bis sechs Millionen gebrauchte Batterie-Rückläufer auf den Markt kommen. Hier haben wir angesetzt und unseren digitalen B2B-Marktplatz sowie die KI-unterstützte Software für eine detaillierte Analyse des State of Health (SoH) und der Hochrechnung, wie sich die gebrauchte Batterie in einem Second Life Einsatz verhalten wird, entwickelt und zur Marktreife gebracht. Selbstverständlich haben wir uns seit 2019 weiterentwickelt und es werden inzwischen nicht nur Komplettbatterien gehandelt. Wir bieten auch einen Marktplatz für gebrauchte Module und Zellen, für Batterie-Produktionsausschuss aus dem Hochlauf neuer Batterie-Fabriken und wir vermitteln auch an qualifizierte Recycling-Unternehmen, wenn die Batterien, Module und Zellen für eine Zweitverwendung nicht mehr geeignet sind. Und das Angebot wird ständig weiterentwickelt und erweitert. So ist bald auch das Thema Black Mass, also die Schwarze Masse aus dem Recycling für uns hoch interessant, oder neue digitale Services, über die ich aktuell noch nicht sprechen möchte, wofür ich um Verständnis bitte. In der Gesamtbetrachtung verbinden wir Industriepartner über alle Stufen der Batterielieferkette, um die Wiederverwendung und das Recycling von Batterien zu erhöhen. Die Vorteile aus dieser nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sind eindeutig ersichtlich: Der CO2-Fußabdruck wird zum Wohle der Umwelt verringert, die Verwendung von wertvollen, seltenen Materialien wird reduziert und für die beteiligten Unternehmen ergibt sich eine erheblich verbessere Kostensituation, die dazu beitragen kann, die Elektromobilität erschwinglicher zu machen.

Wie hat sich Circunomics seit der Gründung entwickelt?
Wir sind ein international aufgestelltes Team mit aktuell 27 MitarbeiterInnen aus 16 Ländern. Wir treffen uns Anlass-gegeben regelmäßig in kleineren oder größeren Gruppen temporär am Standort Mainz, es wird ansonsten sehr viel remote, also von zu Hause oder unterwegs gearbeitet. In unserem ersten vollen operativen Geschäftsjahr 2023 wurde ein Volumen von 279 Megawattstunden über unseren digitalen Marktplatz gehandelt, in 2024 lagen wir darüber. Die finale Zahl liegt noch nicht vor. Das gehandelte Volumen ist für uns der bedeutendste Richtwert, da sich die Gesamtleistung aus gehandelten bzw. analysierten Batterien, Modulen und Zellen je nach Auftrag und Volumen sehr unterschiedlich zusammensetzt und die Erträge dementsprechend unterschiedlich ausfallen. Ich nenne aber gerne drei andere Zahlen, die unser Wachstum im Vergleich der Jahre 2023 und 2024 verdeutlichen: Auf Seiten der Käufer haben wir den Kreis der Kunden um 109% steigern können, auf Seiten der Verkäufer um 184%. Dadurch stieg die Anzahl der Handelsaktionen um 280%.

Was war zuletzt das Highlight bei Euch?
Das war auf jeden Fall die im Dezember 2024 erfolgreich abgeschlossene Series-A-Finanzierungsrunde mit einem Invest von insgesamt über acht Millionen Euro und der Gewinn zweier bedeutender neuer Investoren: GET Fund und die Schaeffler AG. Auch die Bestandsinvestoren haben sich alle wieder beteiligt. Das zeigt das Vertrauen in unser Geschäft und das zukünftige Potenzial. Dabei sind es nicht nur Investoren aus dem Mobilitätssektor, die die Zukunft von Circunomics und eine engere Kooperation positiv sehen, hier nenne ich Schaeffler, sondern es ist auch eine Venture Capital Gesellschaft wie GET Fund dabei, die wir von unserer Arbeit überzeugen konnten. Sie investieren ausschließlich in Startups mit grünen Technologien im Bereich Energie, Mobilität und Industrie, die mit ihrem Geschäftsmodell sich für eine nachhaltige Zukunft einsetzen. Zudem konnten wir mit einigen größeren Fahrzeugherstellern Partnerschaften eingehen, die inzwischen sehr konkret und bald fixiert sind. Hierzu hoffen wir, zeitnah auch öffentlich berichten zu können. Ein anderes Highlight – abseits des rein Geschäftlichen – war im vergangenen Jahr die Auszeichnung mit dem Safety&Environment Award 2024 durch die Automobil-Fachzeitschrift auto motor und sport und den Versicherungskonzern HUK-Coburg. Das war eine weitere Anerkennung auch von bedeutenden Journalisten und einer führenden Versicherungsgesellschaft, die unsere Geschäftsidee honorieren.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Ich würde sagen, die vielen optimistischen Forecasts, wie sich der Markt mit der Elektromobilität entwickeln wird, sind so richtig schiefgelaufen! Das macht die Geschäftssituation für ein Startup natürlich besonders herausfordernd. Innerhalb von etwa sechs Monaten hat sich im vergangenen Jahr der Markt komplett gedreht: Von einem Käufermarkt, es gab deutlich mehr Nachfrage nach gebrauchten Batterien als Angebote vorhanden waren, zu einem Verkäufermarkt mit einem deutlichen Überschuss beim Batterieangebot. Für unser Produkt war das per se kein Problem, aber wir mussten unsere komplette Sales Story umstellen und uns der Situation anpassen.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Für uns war es ein erster großer Erfolg, dass wir von Beginn an Investoren gefunden haben, die uns nicht nur finanziell unterstützen, sondern sehr eng auch beratend zur Seite standen und weiterhin stehen. Aufgrund ihrer weitreichenden Kontakte haben sich für uns bereits im frühen Stadium unseres Bestehens Möglichkeiten eröffnet, zu denen wir ansonsten wahrscheinlich nicht so einfach oder keinen Zugang bekommen hätten. Hier nenne ich an erster Stelle die ehemaligen Automobil-Topmanager Dr. Peter Mertens und Bram Schot. Und im weiteren Verlauf kamen dann bedeutende Konzerne wie Orlen VC und die Schaeffler AG hinzu, die mit ihrer Marktpräsenz und professionellen Organisation uns auf ein neues Level bringen können. Mit unserem konsequenten Festhalten an der Idee, mit einer Battery Lifecycle Management Solution einen spürbaren Beitrag zur nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu leisten und Batterien in einem Second Life weiterzuverwenden bzw. qualifiziert zu recyceln, haben wir etwas geschaffen, das einzigartig ist. Das gibt uns zunächst einmal ein gutes Gefühl und viel Motivation, die nächsten Schritte zu machen. Weiterhin war es rückblickend richtig, sich auf einen großen Teil der Wertschöpfungskette zu konzentrieren, wohingegen unsere Mitbewerber immer nur einzelne Schritte der Kette abdecken. Wir sehen, dass gerade die Automobilhersteller gerne eine One-Stop-Shop-Solution bevorzugen.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Wenig überraschend vermutlich: Glaubt an eure Idee. Lasst euch nicht unterkriegen von den diversen Absagen von Investoren und Kunden. Vermutlich habe ich selbst bereits um die 250 bis 300 Investorengespräche geführt. Der Großteil erklärt dir, warum wir nicht erfolgreich sein werden. Mich hat das eher immer angespornt. Aber das ist sicherlich ein individuelle Typsache.

Wo steht Circunomics in einem Jahr?
Unser Ziel für das Jahresende 2026 ist ein Volumen von 3 Gigawattstunden, die dann über unseren digitalen Marktplatz gehandelt werden. Aus heutiger Sicht entspricht das ca. 50.000 Komplettbatterien aus einem aktuellen Mittel-/Oberklasse-Elektrofahrzeug. Um dieses Ziel zu erreichen, benötigen wir weitere MitarbeiterInnen und spezifische Kompetenzen. Eine Gesamtzahl von 50 bis 60 Personen ist dann durchaus realistisch. In besonderem Fokus steht derzeit unsere Internationalisierung, denn die Herausforderung, gebrauchten und überschüssigen Batterien eine zweite Chance zu geben, ist weltweit und sie wird angesichts der zunehmenden Elektromobilität immer größer. In besonderem Fokus steht jetzt im ersten Schritt die Erweiterung unserer Präsenz auf dem wichtigen US-Markt. Hier sind wir seit Jahresbeginn 2025 auch mit einem Büro und Mitarbeiter vertreten. Parallel verfolgen wir die globale geopolitische Entwicklung und werden im nächsten Schritt entscheiden, ob und wo wir nach den USA eine weitere Präsenz sicherstellen. Das ist aber kein kurzfristiges Projekt.

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Foto (oben): Circunomics