Gründen unter Palmen: Wie deutsche Gründer:innen Thailand erleben
Gründen, wo andere Urlaub machen? Ist das ein Traum oder eher Irrsinn? Alexander Nicolai von Sirius Minds, einem An-Institut der Uni Oldenburg und Martin Wrobel von der TH Brandenburg, sind der Sache auf den Grund gegangen. Diese fünf Dinge haben die beiden in Recherchen und in Gesprächen mit deutschen Investoren und Gründer:innen in Thailand gelernt:
Es ist kein Irrsinn
Wer befürchtet, dass sein Startup in Thailand unausweichlich im Sumpf von Bürokratie und Korruption versinkt, liegt falsch. Ja, es gibt undurchsichtige Vorschriften und im Korruptionswahrnehmungsindex rangiert Thailand auf einem unrühmlichen 108. Platz. Doch die befragten Gründer:innen sind sich einig: Die damit einhergehenden Probleme sind beherrschbar. Das unterstreicht Marco Barth. Barth hat als McKinsey-Berater und bei Immobilienscout24 in Deutschland gearbeitet, bevor er in Bangkok die Immobilienplattform PropertyScout aufbaute: “Was ich so aus Deutschland höre, da habe ich nicht den Eindruck, dass die Sachen dort flüssiger laufen”. Ganz ähnlich sieht das Alexei Schaller, der Gründer des Cannabis-Startups Bloom. Für ihn ist Thailand ein “Wilder Westen” im positiven Sinne. Es lassen sich mehr Sachen ausprobieren, ohne dass die öffentliche Verwaltung einen ausbremst. Alexander Radach hat die Premium Mineralwassermarke Sai Yok Springs gegründet und musste intensiv mit den Behörden zusammen arbeiten, denn sein Startup besitzt eine eigene Produktion. “Letztendlich sind die Thai-Vorschriften oft nicht eindeutig, oft auch mit Absicht nicht eindeutig”, aber “Gott sei Dank sind die Bauschriften viel geringer”, so dass Radach seine Fabrik letztlich rasch aufziehen konnte.
Lifestyle hat Magnetwirkung
Für die deutschen Gründer:innen in Thailand ist der Faktor Lebensqualität von entscheidender Bedeutung. Alexei Schaller war ursprünglich nur für ein dreimonatiges Projekt des Berliner Frühinvestors Project A in Südostasien. Mittlerweile sind 10 Jahre daraus geworden. Schaller fühlt sich “sehr, sehr heimisch” in Bangkok: “Was mich auch immer wieder begeistert, wenn ich zurückkomme nach Bangkok aus dem Urlaub, ist, wie unglaublich freundlich die Menschen hier sind, dass einfach jegliches Problem oder jegliche Interaktion erst einmal mit einem Lachen begonnen wird”. Das sei so ganz anders als in Berlin, da “schnauzt man sich erst mal an, wenn man beim Bäcker reinkommt oder wenn es an der Kasse nicht schnell genug geht”. Carlo Herold, Gründer der Performance Marketing Agentur Heroleads Asia, hebt hervor, wie angenehm das Leben für junge Familien ist. “Du hast hier vielleicht ein bisschen mehr Hilfe, die du in Europa und Deutschland nicht hättest, also in Bezug auf Kinderbetreuung etc.”, so dass “die Eltern auch genug Zeit haben und nicht die ganze Zeit gestresst sind”.
Berliner Startup-Szene strahlt aus in die Ferne
Es gibt enge Verbindungen zwischen der Berliner Gründerszene und dem Land des Lächelns. So hat der Berliner Company Builder Rocket Internet tiefe Spuren in der thailändischen Startup-Landschaft hinterlassen. In Rocket-Internet-Manier passen viele deutsche Gründer:innen ein andernorts bereits erfolgreiches Geschäftsmodell auf den dortigen Markt an. Johannes von Rohr hat beispielsweise für Rocket Internet Lazada mit aufgebaut, die thailändische Version von Amazon. Beim Verkauf an Alibaba erzielte Lazada eine Bewertung von über drei Milliarden US-Dollar. Später zog von Rohr seinen eigenen Company Builder in Bangkok auf, aus dem wiederum Rabbit Care hervorging, die führende Versicherungsplattform des Landes.
Nichts für jede/n
So angenehm die thailändische Kultur für Deutsche auch ist, sie verlangt von Gründer:innen einige Umstellungen ab. Wer nicht dazu bereit ist, für den ist Thailand nichts, sagt Dennis Keller, Gründer und CEO des Wasserflugzeug-Startups Seaplane Asia. Dazu gehört etwa, dass die thailändische Kultur viel indirekter ist als die deutsche. “Damit klarzukommen ist, glaube ich, gerade für Deutsche wahnsinnig schwierig, weil man nie weiß, wo man wirklich dran ist. Man muss es spüren, man muss fast schon … Gedanken lesen können oder Emotionen lesen können um damit klarzukommen”. Bestimmte Eigenschaften, die in Deutschland toleriert werden, führen in Thailand schnell ins Abseits. Wenn man auch nur eventuell als arrogant angesehen wird, “hat man null Möglichkeiten, hier irgendwas zu machen”. Mit so einem Charakterzug sei man hier “sehr, sehr fehl am Platz”. Flexibilität ist dafür umso wichtiger. Als Carlo Herold einen Bewerber für die Head of Sales-Rolle bat, für ein bevorstehendes Vorstellungsgespräch zwei Referenzen mitzubringen, war er beim Interviewtermin “etwas verwundert, dass noch zwei weitere Personen vor der Tür saßen”. Der Kandidat hatte kurzerhand die beiden Referenzen als persönliche Begleitung mitgebracht. Herold ließ sich nicht anmerken und hat nur gesagt, “okay, super, dann kommt doch alle mit rein”. Das Ergebnis: Ein Vorstellungsgespräch zu viert und am Ende ein neuer Mitarbeiter mit “super ausgesuchten” Referenzen.
Es hat gerade erst begonnen
Noch ist die junge Startup-Szene in Thailand klein, jedenfalls, wenn man sie mit Deutschland oder Singapur vergleicht. Doch bei den Gründer:innen und Investor:innen ist ein großer Optimismus zu verspüren. So blickt Marco Barth positiv in die Zukunft: “Ich sehe einige sehr gute Gründer, die in letzten Jahren nach Thailand gekommen sind. Ich glaube auch, dass sich der Bereich Finanzierung weiter entwickeln wird”. Thailand sei “als Markt, der ein attraktives Lebensumfeld bietet und gleichzeitig eine große Ökonomie hat, ein guter Mix”. Der Thailändische Staat verstärkt den Positivtrend und unterstützt seit einigen Jahren die Ansiedlung von Technologie-Gründungen.
Martin Wrobel ist Professor für Unternehmensgründungen an der Technischen Hochschule Brandenburg und assoziierter Forscher am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin.
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