#Interview

“Das richtig Team kann der größte Game-Changer sein”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag gibt es bei mir nicht, und deswegen liebe ich auch, was ich tue. Aber eine Konstante ist auf jeden Fall der Check-in mit dem Team", sagt Valentina Ullrich, Gründerin von Frieda.
“Das richtig Team kann der größte Game-Changer sein”
Freitag, 14. Februar 2025VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Valentina Ullrich, Gründerin von Frieda. Das Berliner FemTech kümmert sich um “die Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Frauen in der Menopause”. Der Longevity-Company Builder Maximon investierte zuletzt 2,5 Millionen Euro in das Unternehmen.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag gibt es bei mir nicht, und deswegen liebe ich auch, was ich tue. Aber eine Konstante ist auf jeden Fall der Check-in mit dem Team. Mein wichtigstes Ziel ist es, jedes Teammitglied bestmöglich zu befähigen. Diesbezüglich bin ich noch nah dran, behalte den operativen Überblick so gut ich kann und beginne den Tag damit, Aufgaben zu priorisieren, Blocker innerhalb der Departments aufzulösen und meine persönlichen Tagesziele zu ordnen. Und natürlich, wenn es geht, starte ich mit einer Sporteinheit und Zeit für mich zwischen dem Aufstehen und dem Laptop.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Am Anfang konnte ich das kaum, und durch lange Arbeitszeiten sind die Grenzen zu einem sogenannten Feierabend auch verschwommen. Mittlerweile bin ich darin deutlich besser geworden. Für mich funktioniert Aktivität und sozialer Austausch am besten. Ich bin nicht der Typ, der den Feierabend auf der Couch verbringt. Ich nutze die Zeit häufig, um tiefer in einzelne inhaltliche Themen einzusteigen, z. B. das Feedback unserer Nutzerinnen, wozu mir sonst im Alltag die Zeit fehlt.

Was hättest Du gerne über das Gründen vor der Gründung gewusst?
Dass man höchstwahrscheinlich nicht die Ausnahme ist, bei der das Business fliegt und nach Plan A läuft. Dass man sehr schnell emotional involviert ist und dadurch schwer abschalten kann. Dass andere auch nur mit heißem Wasser kochen und man sich nicht vergleichen darf. Dass man nach Hilfe fragen und auch zugeben darf, dass man als Gründerin auch nicht alles weiß und kann. Dass die richtigen Co-Founder, Investoren und das richtige Team der größte Game-Changer sein können.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Der Weg dahin verlief schnell, und ich hatte tolle Investoren und Mentoren von Anfang an. Aber im Laufe der Gründerzeit wurde es herausfordernd. Ich habe am Anfang nicht verstanden, was andere Gründer mit “Es ist ein Marathon und kein Sprint!” meinten. Sich die Kräfte einzuteilen ist so essenziell und so schwierig, weil alles immer dringlich ist und es immer etwas zu tun gibt. Das Maß an Resilienz und Durchhaltevermögen zählt ebenfalls dazu. Eine meiner Investorinnen hat einmal zu mir gesagt, dass Hingabe über mehrere Hürden und Durststrecken hinweg die wahre Spreu vom Weizen trennt, und das stimmt. Das habe ich mit viel Selbstzweifel gelernt. Hinzu kommt, dass der Gesundheitsmarkt wahnsinnig komplex ist und es gefühlt mehr Hürden als freie Rennstrecken gibt.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Eine häufige Falle – besonders für Erstgründer – ist es, nicht auf die eigene Intuition zu hören und aus Druck oder Angst heraus zu agieren. Der eigenen Überzeugung zu folgen und parallel auf einen klugen Rat zu hören, muss gelernt sein. Zudem hätte ich häufiger nach dem 80/20-Prinzip arbeiten können. Man tendiert dazu, zu lange an einem perfekten Produkt zu arbeiten, anstatt mit einfachen MVPs an den Markt zu gehen. Die Kundin – in unserem Fall – wird dir schon sagen, ob dein Produkt gebraucht wird, nicht die extensiven Marktanalysen. Außerdem würde ich mich noch früher aus operativen Details herausziehen, um das Große und Ganze klar vor Augen zu haben.

Wie findet man die passenden Mitarbeitenden für sein Startup?
Das kommt wirklich sehr auf die Art des Unternehmens an. Bei uns beginnt alles mit der Leidenschaft für das Thema. Jeder einzelne Mitarbeitende bei uns glaubt an die Mission, die Versorgungslücke für die Wechseljahre zu schließen, und ist intrinsisch motiviert. Zusätzlich braucht es eine klare Strategie für die zu besetzende Stelle: Was brauchen wir wirklich, und welche Eigenschaften und Fähigkeiten ergänzen das restliche Team? Außerdem ist ein Mix aus seniorigen und juniorigen Mitarbeitenden entscheidend. Natürlich darf die Payroll nicht frühzeitig zu teuer werden, aber mit vielen Junior-Positionen oder Praktikantinnen verliert man an Geschwindigkeit und ist zu viel mit Managementaufgaben beschäftigt.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründerinnen?
Sucht euch eine Mission aus, an der ihr wirklich Spaß habt und an die ihr glaubt. Das ist die halbe Miete. In meinen Augen ist es dafür nicht so wichtig, dass es ein persönliches Thema sein muss, von dem ihr betroffen seid, oder dass es ein Bereich sein muss, in dem ihr Erfahrungen habt. Außerdem ist das richtige Setting und Team entscheidend. Solo-Entrepreneure sind aus gutem Grund selten, denn emotionale Unterstützung durch Co-Founder, aber auch durch Mentoren und die richtigen Investoren ist essenziell. Und zu guter Letzt: Lasst euch niemals einschüchtern und das Impostor-Syndrom gewinnen. Selbstvertrauen kann auch erarbeitet werden, es wird aber definitiv gebraucht.

Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Ohne smarte Tools wären wir aufgeschmissen. Tatsächlich arbeiten wir mit dem gesamten Team in ausgeklügelten Sprint-Logiken, um noch näher am Kundinnenfeedback und mit dem Tech-Team zu arbeiten. Jira und Atlassian sind daher unsere besten Freunde. Wir haben viele Abhängigkeiten zwischen den Departments, und eine klare Definition sowie eine saubere Planung der Aufgaben sind für uns Tagesordnung. So können wir uns selbst verfolgen und uns fortlaufend in unserer Effektivität, der Einschätzung des Arbeitspensums und der Zusammenarbeit verbessern.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Wir arbeiten gemeinsam als ein Team und für eine Mission. Wir gewinnen und verlieren gemeinsam. Wir helfen einander aus und feiern uns für kleine Meilensteine. Von Anfang an nehmen wir uns die Zeit, alle zwei Wochen als gesamtes Team einzuchecken und uns ehrliches Feedback zu geben, damit alle gesehen werden. Das sehe ich sehr selten, gerade bei jungen Startups, obwohl es wesentlich hilfreicher ist als ein Obstkorb. Aber wir haben auch regelmäßige Offsites, gemeinsame Abende und Events sowie gemeinsame Bürozeiten, um uns als Team zu fühlen und auch mal über Privates zu reden.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
In den 4,5 Jahren habe ich vieles erlebt. Ich habe Calls mit potenziellen Investoren gehabt, die sich währenddessen betranken. Ich habe gesehen, was es braucht, eine digitale Therapie zu entwickeln und wie Startup-Mentalität auf Behörden trifft. Aber am wildesten ist immer noch der Fakt, dass man eines Morgens mit einer Idee aufwacht, die dann in kurzer Zeit zu einer digitalen Klinik für die Wechseljahre wird, welche die Lebensqualität so vieler Frauen verbessert. Das ist magisch und – wild.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Frieda