Von Team
Freitag, 31. Januar 2025

KI-Schulungspflicht: Diese EU-Verordnung trifft fast jedes Unternehmen 

Die neue KI-Verordnung verpflichtet Anbieter von KI-Systemen, u.a. ihre Mitarbeitenden zu schulen. Was nach Bürokratie klingt, könnte sich als Vorteil erweisen. Ein Gastbeitrag von Moritz Heininger, der in Abstimmung mit Rechtsanwalt Tobias Weigand entstanden ist.

Die EU überrascht die Wirtschaft mit einem schnellen Inkrafttreten von Artikel 4 der KI-Verordnung: Bereits ab dem 2. Februar 2025 müssen Unternehmen, die KI-Systeme anbieten oder auch nur ChatGPT nutzen, die KI-Kompetenz ihrer Mitarbeitenden sicherstellen. Eine Verpflichtung, die angesichts der rasanten KI-Entwicklung zwar wichtig, in ihrer Kurzfristigkeit aber durchaus herausfordernd ist.

Die neue Pflicht zur KI-Kompetenz

Artikel 4 der KI-Verordnung verpflichtet Unternehmen, “nach besten Kräften sicherzustellen”, dass Mitarbeitende über “ausreichende KI-Kompetenz” verfügen. Die Verordnung definiert diese Kompetenz als “die Fähigkeiten, die Kenntnisse und das Verständnis”, die es ermöglichen, “KI-Systeme sachkundig einzusetzen sowie sich der Chancen und Risiken von KI und möglicher Schäden bewusst zu werden”. Wichtig dabei: Die Regelung gilt nicht nur für Hochrisiko-KI-Systeme, sondern für jeglichen KI-Einsatz im Unternehmen.

Regulierung als versteckte Chance

Während andere Regionen auf freie Marktkräfte setzen, wählt die EU ihren charakteristischen Weg über Regulierung. Doch diesmal könnte dieser Ansatz gar nicht so schlecht sein: Die Verordnung schafft einen verbindlichen Rahmen für das, was ohnehin notwendig ist – die systematische Entwicklung von KI-Kompetenzen in der Belegschaft. Sie bietet Unternehmen einen Anlass, ihre digitale Transformation zu beschleunigen.

Konkrete Maßnahmen für den Kompetenzaufbau

Wie können Unternehmen diese Anforderungen praktisch umsetzen? Aus meiner Sicht kristallisieren sich Drei zentrale Ansätze heraus:

  1. Interne Richtlinien und Standards: Die Entwicklung klarer Best Practices und ethischer Grundsätze für den KI-Einsatz ist fundamental und sollte allen Beteiligten eine verlässliche und rechtssichere Orientierung bieten.
  2. Systematische Fortbildungen: Kontinuierliche Qualifizierungsmaßnahmen sind unverzichtbar. Diese müssen sowohl technische Aspekte als auch ethische Fragestellungen umfassen. Der bestehende Wissensstand der Mitarbeitenden sollte dabei berücksichtigt werden, um Schulungen effektiv zu gestalten. 
  3. Praxisorientiertes Lernen in interdisziplinären Teams: Der Austausch zwischen Fachbereichen wie Informatik, Ethik und Recht fördert ein ganzheitliches Verständnis für KI-Systeme. Diese übergreifende Perspektive ist entscheidend für einen verantwortungsvollen und erfolgreichen KI-Einsatz.

Risiken bei Nichteinhaltung

Die Verordnung ist keine unverbindliche Empfehlung. Wie Rechtsanwalt Tobias Weigand betont, drohen bei Nichteinhaltung nicht nur direkte regulatorische Konsequenzen. Indirekt könnte das Versäumnis, angemessene Schulungsmaßnahmen durchzuführen, als Verletzung von Sorgfaltspflichten gewertet werden. 

Der europäische Weg zum KI-Erfolg?

Ja, es ist typisch EU, über Regulierung Veränderung anzustoßen. Persönlich sehe ich in vielen Teilen der KI-Verordnung einen Wettbewerbsnachteil für europäische Unternehmen. Die Schulungspflicht ist meiner Meinung nach aber sinnvoll, um europäische Unternehmen und ihre Mitarbeitenden fit für die KI-Revolution zu machen. Nur wer sich mit KI beschäftigt, wird die riesigen Potenziale erkennen. Allerdings wird Regulierung allein nicht ausreichen, um im globalen KI-Wettbewerb mit den USA und China gleichzuziehen. Dafür braucht es vor allem massive Investitionen in Forschung, Entwicklung und Infrastruktur. Die Pflicht zur KI-Kompetenzentwicklung sollte daher als Teil einer umfassenderen europäischen KI-Strategie verstanden werden.

Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Der 2. Februar 2025 markiert den Startschuss für eine neue Ära der systematischen KI-Kompetenzentwicklung in europäischen Unternehmen. Wer diese Chance nutzt, wird nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern sich auch für die Zukunft optimal positionieren.

Über den Autor
Moritz Heininger ist Geschäftsführer von snipKI, Deutschlands größter KI-Lernplattform. Nach eigenen Erfahrungen mit den Herausforderungen des KI-Lernens gründete er snipKI Anfang 2024 gemeinsam mit dem KI-Berater Jens Polomski. Das Unternehmen bietet zwei zentrale Bildungsprogramme: Eine Lernplattform mit über 350 praxisnahen Video-Tutorials sowie maßgeschneiderte KI-Führerschein-Programme. Durch kurze, tägliche Lerneinheiten im Micro-Learning-Format werden Mitarbeitende zu selbstbewussten KI-Anwendern. Mit dieser Methodik und einer aktiven Community von mehr als 750 Mitgliedern hat sich snipKI als führende Anlaufstelle für KI-Weiterbildung im deutschsprachigen Raum etabliert.

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Foto (oben): Shutterstock