Von Team
Freitag, 22. November 2024

“Ich lege großen Wert auf eine klare Struktur”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "An meinen Sporttagen bleibe ich oft länger bis in die Nacht am Schreibtisch, weil die morgendliche Bewegung mir hilft, den ganzen Tag konzentriert und produktiv zu bleiben", sagt Alexander Weltzsch, Gründer von Dealcode.

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Alexander Weltzsch, Gründer von Dealcode, einem Unternehmen zur Vertriebsautomatisierung durch Künstliche Intelligenz (KI) mit Sitz in Hamburg und Berlin.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Mein Start in den Tag variiert je nach Wochentag, aber eines ist immer gleich: Ich lege großen Wert auf eine klare Struktur. Dreimal die Woche bringe ich meinen Sohn mit dem Fahrrad zur Schule, wenn es das Wetter zulässt, und fahre anschließend direkt in unser Büro in der Hamburger City. Der Arbeitstag dort beginnt dann immer mit einem guten Kaffee. An den anderen beiden Tagen starte ich mit Sport – entweder mit einem Lauf von 5 bis 7 Kilometern oder Kraft- und Ausdauertraining im Gym. Nach dem Sport arbeite ich oft von zu Hause aus. Bis 9:30 Uhr habe ich mir in der Regel einen Überblick über meine E-Mails und Termine verschafft, und ab 10:00 Uhr beginne ich dann, nach einem zweiten Kaffee, mit Meetings – ob mit dem Team, Partnern, Kunden oder Investoren. Generell versuche ich, Termine vor 10:00 Uhr zu vermeiden, da ich kein Morgenmensch bin.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Auch das hängt stark vom Wochentag ab. An meinen Sporttagen bleibe ich oft länger bis in die Nacht am Schreibtisch, weil die morgendliche Bewegung mir hilft, den ganzen Tag konzentriert und produktiv zu bleiben. An den anderen Tagen versuche ich, zwei bis drei Stunden mit meiner Familie oder Freunden zu verbringen. Das gelingt natürlich nicht immer, besonders da häufig berufliche Veranstaltungen oder Reisen anstehen. Doch auch diese Events bieten mir eine gute Möglichkeit, den Kopf freizubekommen und abzuschalten.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich hätte gerne vorher gewusst, wie einsam man sich als Gründer manchmal fühlt. Abends alleine im Büro zu sitzen, während man das Gefühl hat, dass die Welt draußen ihr Leben lebt, kann schwer sein. Obwohl ich mit Dennis Hilger, der an unserem Berliner Standort sitzt, einen tollen Partner und insgesamt ein großartiges Team um mich herum habe, fühle ich mich manchmal doch wie ein Einzelkämpfer. Es ist wichtig, sich auf diese Momente vorzubereiten und Strategien zu entwickeln, um damit umzugehen.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstest?
Eine der größten Hürden war sicherlich, einen gut bezahlten und erfüllenden Job in einem bereits etablierten Unternehmen – das ich selbst mit aufgebaut habe – zu kündigen, um von vorne zu beginnen. Ich war zuvor zwar in der Geschäftsleitung eines erfolgreichen Startups und wusste, was auf mich zukommt. Trotzdem war es ein großer Schritt, quasi wieder bei Null anzufangen. Aber mein innerer Drang, noch einmal etwas komplett eigenes zu schaffen, hat mich dazu motiviert. Auch nach vier Jahren bereue ich diesen Schritt kein bisschen.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Einer meiner größten Fehler war es, Entscheidungen zu lange zu überdenken. Als Gründer sollte man schnell lernen, auf sein Bauchgefühl zu hören. Anfangs habe ich mich zu sehr von externen Meinungen beeinflussen lassen und manchmal Entscheidungen hinausgezögert, die eigentlich längst fällig waren. Auch Ratschläge auf Plattformen wie LinkedIn können irreführend sein. Der Schlüssel ist, den Fokus nicht zu verlieren und sich nicht von Meinungen, die nicht auf einen selbst oder auf das eigene Unternehmen zugeschnitten sind, ablenken zu lassen.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Die ersten 100 Mitarbeiter eines Startups sollten direkt von den Gründern selbst rekrutiert werden. Diese Personen sind entscheidend für den Erfolg und fungieren später als Multiplikatoren Deiner Unternehmensvision. Daher stammen bislang alle unsere Mitarbeiter:innen aus Empfehlungen, dem persönlichen Netzwerk oder dem erweiterten Netzwerk auf Plattformen wie LinkedIn. Ich achte immer darauf, dass Persönlichkeit und Teamfit mindestens genauso gut passen, wie die fachliche Qualifikation.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Niemand wird Deine Vision so klar verstehen wie Du. Du hast Dein Unternehmen gegründet, weil Du an eine Idee glaubst, und auf dem Weg dorthin werden viele versuchen, Dich davon abzubringen oder Dir zu sagen, dass Dein Konzept nicht funktioniert. Lass dich davon nicht verunsichern. Natürlich ist es wichtig, den Markt und das Geschäftsmodell gründlich zu validieren – viele Ideen scheitern auch, weil es schlichtweg an einem vernünftigen Geschäftsmodell mangelt. Dennoch bist mein Tipp: Höre vor allem auf Dich selbst und Dein Bauchgefühl.

Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Ganz klar: Jira. Hier arbeiten alle Teams mit ihren Projekten, Tickets und Aufgaben. Ohne ein sauberes Projekt- und Prozessmanagement könnten wir nicht wachsen und hätten längst den Überblick verloren.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Flexibilität wird bei uns groß geschrieben. Jeder kann sich seine Arbeitszeit so einteilen, wie es ihm oder ihr am besten passt. Natürlich gibt es Pflichttermine, aber darüber hinaus haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viele Freiheiten.  Ein echtes Highlight sind unsere vierteljährlichen Co-Working-Wochen. Hier treffen wir uns einmal pro Quartal für eine volle Woche an einem Ort, um gemeinsam zu arbeiten, aber auch um gemeinsame Freizeitaktivitäten zu unternehmen. Das stärkt den Teamzusammenhalt in der heutigen hybriden Arbeitswelt enorm.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Ein Kunde versuchte wochenlang, uns mit Anwälten und der Geschäftsleitung glaubhaft zu machen, dass er kurz vor der Insolvenz stehe. Aus “Kulanz” bot er uns eine Einmalzahlung an, wenn wir im Gegenzug auf den Restbetrag einer Jahresrechnung verzichten würden. Alles wirkte seriös, da die Geschäftsführung des Kunden involviert war. Am Ende stellte sich jedoch heraus, dass alles nur vorgetäuscht war – sie hatten lediglich einen Weg gesucht, uns zu bewegen eine deutlich geringere Zahlung zu akzeptieren. In der Geschäftswelt gibt es viele schwarze Schafe und man sollte immer zweimal schauen, auf wen man sich am Ende einlässt.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus?
Ein guter Start in den Tag beginnt für mich mit Bewegung – sei es der Weg ins Büro mit dem Fahrrad, ein kurzer Lauf oder eine Einheit im Fitnessstudio. Das gibt Energie und Ausgeglichenheit, um die Herausforderungen des Tages besser zu meistern. Außerdem sollte immer Zeit für einen guten Kaffee und eine Mittagspause von mindestens 30 Minuten sein, am besten außerhalb des Büros. Die Arbeitstage in einem Startup können sehr, sehr lang sein, deshalb ist es wichtig, sich bewusst Zeit für Pausen zu nehmen. Timeboxing ist für mich der Schlüssel zur Struktur. Große Themen wie Produktentwicklung, Sales und Marketing, HR oder Fundraising haben feste Zeitblöcke und nur in diesen bin ich für das jeweilige Thema ansprechbar – sowohl intern als auch extern. Sonst läuft man Gefahr, fremdbestimmt zu arbeiten, was auf Dauer sehr unzufrieden machen kann.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Dealcode