Von Alexander Hüsing
Dienstag, 19. November 2024

“2020 ist der Markt für unsere Wettbewerber eingebrochen”

In den vergangenen Jahren flossen rund 35 Millionen in Wunderflats. Das Berliner Unternehmen, von Jan Hase und Arkadi Jampolski gegründet, setzt seit 2015 auf die Vermietung von voll möblierten Wohnungen. 190 Mitarbeitenden wirkten derzeit für Wunderflats.

Das Berliner Startup Wunderflats, 2015 von Jan Hase und Arkadi Jampolski gegründet, bietet möblierte Wohnungen zur Miete an. Zielgruppe sind insbesondere Unternehmen, die für einige Wochen oder Monate Wohnungen für ihre Mitarbeitenden suchen. Investoren wie Creathor Venture, IBB Ventures, PT1, Verdane und Axel Springer Digital Ventures investierten in den vergangenen Jahren rund 35 Millionen Euro in das Unternehmen. 190 Mitarbeitenden wirken derzeit für Wunderflats.

Im Interview mit deutsche startups spricht Gründer Jampolski einmal ausführlich über die bisherige Entwicklung des Unternehmens.

Wie würdest Du Deiner Großmutter Wunderflats erklären?
Wunderflats ist ein sicherer und einfacher Ort im Internet, um ein Zuhause zu mieten. Vermieter vermieten bei uns voll möblierte Wohnungen. Mieter aus Deutschland und dem Ausland mieten sie.

War dies von Anfang an Euer Konzept?
Ganz am Anfang, 2015, war unsere Zielgruppe Studierende. Über unsere Plattform konnten sie den passenden Wohnraum finden. Wir hatten mehrere Hundert Wohnungen vermittelt, waren im Microsoft Accelerator Programm und befanden uns augenscheinlich auf dem richtigen Weg – bis wir Geld für unsere Plattform verlangt haben. Geld ausgeben wollte niemand für unsere Lösung. Wir standen also ohne Kunden und Finanzierung dar.

Wie ging es dann weiter?
Als mein Mitgründer Jan Hase dann seine eigene Wohnung befristet an ein Gründerteam aus San Francisco vermietet hat – und währenddessen bei mir lebte – haben wir festgestellt: Unsere Zielgruppe sind vor allem die internationalen Fachkräfte, die in Deutschland ein vertrauenswürdiges Mietverhältnis suchen. Denn wer aus dem Ausland nach Deutschland kommt, hat für gewöhnlich keine Schufa-Auskunft. So eine Wohnung finden wird schwer. Und auch für Vermieter in Deutschland ist es häufig schwer, Mieter aus dem Ausland zu verifizieren. Und für dieses Produkt war der Markt bereit, Geld auszugeben. Am 11. März 2015 haben wir unseren ersten Umsatz verbucht.

Wie hat sich Wunderflats seit der Gründung entwickelt?
Am 11. März 2015 war die erste Person dazu bereit, für unser Produkt Geld zu bezahlen, knapp zehn Jahre später suchen über 20.000 Personen pro Tag nach Wohnungen über Wunderflats und wir gehören zu den größten Anbietern für flexibles Wohnen in Europa. Neben unserem Kernmarkt Deutschland sind wir in Österreich und Frankreich verfügbar – weitere Expansionen sind geplant.

Was war zuletzt das Highlight bei Euch?
Unser Start in Paris war sicherlich eins der größten Highlights. Vor Ort leitet unser Managing Director Gabriel Brüser das französische Team. Er selbst hat in Paris schon in 17 Wohnungen gelebt und weiß wie kompliziert der französische Mietmarkt sein kann. Die Mietverträge in Frankreich sind zum Teil deutlich komplexer als in Deutschland, es gibt zahllose Regelungen, die Mieter und Vermieter beachten müssen. So kann es passieren, dass man, um eine neue Wohnung anzumieten, bereits eine französische Anschrift benötigt – unmöglich für ausländische Fachkräfte. Wir nehmen diese Komplexität von den Schultern der Mieter und Vermieter. Ein weiteres Highlight war und ist das Projekt “Helfende Wände”. Mit der bundesweiten Initiative vereinfachen und beschleunigen wir die Bereitstellung von Unterkünften und die vorübergehende Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine. Kofinanziert von der Europäischen Union und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, haben wir das Projekt mit der gemeinnützigen Organisation ProjectTogether ins Leben gerufen. Herzstück der Initiative ist die Plattform helfendewaende.de, auf der Anbieter ihren verfügbaren, privaten Wohnraum Geflüchteten aus der Ukraine zur Verfügung stellen können. “Helfende Wände” wird zusätzlich von der humanitären Organisation IPSO begleitet, die sich auf psychologische Beratung spezialisiert hat. Ursprünglich 2022 als Pilotprojekt in Reaktion auf den Krieg in der Ukraine ins Leben gerufen, hat die Plattform Tausende Geflüchtete aus der Ukraine bei der Suche nach einem vorübergehenden Zuhause in Deutschland unterstützt.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Zwischen 2017 und 2020 hatten wir zwar eine solide Kunden- und Umsatzbasis, aber es gab etwa sechs Wettbewerber in Europa, die ähnlich aufgestellt waren wie wir. Irgendwann waren sie sogar gemessen an den Finanzierungsrunden, zwei-, drei-, oder sogar zehnmal größer als wir; und sie waren in ganz Europa tätig, während wir uns vor allem auf unseren Kernmarkt Deutschland fokussierten. Das fühlte sich manchmal an wie ein Wettrennen zu verlieren. Wir kannten die genauen Zahlen des Wettbewerbs natürlich nicht, aber das Gefühl, das aus dem reinen Beobachten entstand, war nicht gut. 2020 ist der Markt für unsere Wettbewerber dann aber eingebrochen. Mieter aus dem Ausland blieben pandemiebedingt nahezu vollständig weg. Wir aber hatten eine solide Nachfragebasis aus dem Inland und konnten während dieser Phase sogar um 60 % wachsen.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht?
Bei der Auswahl unserer Geschäftspartner. Unsere Investoren, Verdane und PropTech1, vertreten dieselben Werte wie wir. Wir können uns auf sie zu 100 Prozent verlassen. Als Russland die Ukraine angriff, haben wir ihnen unseren Plan für Helfende Wände erklärt – ein Projekt, das zwar einen großen sozialen Nutzen hat, aber – das liegt in der Natur der Sache – keinen Umsatz einbringt. Sie haben unserem Vorhaben komplett vertraut. Wir können uns auf sie als Menschen und als Geschäftspartner verlassen.

Welchen generellen Tipp gibst Du anderen Gründer:innen mit auf den Weg?
Gesunder Menschenverstand muss die erste Priorität sein. Einstellungsgespräche sind dafür ein gutes Beispiel: Wenn der Lebenslauf perfekt zur gesuchten Stelle passt, aber eine Person nicht zur Unternehmenskultur passt, sollte ich sie trotzdem nicht einstellen.

Wo steht Wunderflats in einem Jahr?
Wir werden bestehende Märkte weiter ausbauen und unsere Fühler in neue Märkte ausstrecken. Außerdem werden wir in einem Jahr eine deutlich umfangreiche Angebotspalette haben – dazu aber in Zukunft mehr. Wunderflats ist Deutschlands Marktführer für flexibles möbliertes Wohnen. Das Berliner Scale-up wurde 2015 von Jan Hase und Arkadi Jampolski gegründet. Die Plattform bietet einfache und sichere Lösungen für mittelfristige Anmietungen mit einer Mindestmietdauer von einem Monat und bringt Wohnungssuchende und Wohnungsanbieter zusammen. Wunderflats bietet eine umfassende Vermietungslösung. Diese umfasst verifizierte Mietverträgen, Wohnungen, Mieter und Vermieter sowie weitere Dienste, wie zum Beispiel professionelle Inserat-Fotos und die Mietverwaltung. Wunderflats listet derzeit über 50.000 Wohnungen in Europa und hat über 190 Mitarbeitende.

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Foto (oben): Wunderflats