#Interview

“Wir müssen unser Selbstbild und unsere Glaubenssätze hinterfragen”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Ich frühstücke mit meinem 17-jährigen Sohn und verabschiede ihn in die Schule. Dann setze ich mich für eine Stunde gemütlich mit einer großen Tasse Tee ins Bett", sagt volate-Gründerin Dorothea von Wichert-Nick zu ihrem Start in den Tag.
“Wir müssen unser Selbstbild und unsere Glaubenssätze hinterfragen”
Freitag, 8. November 2024VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Dorothea von Wichert-Nick, Gründerin von volate. Das Unternehmen unterstützt Gründerinnen und Gründer dabei “neue Perspektiven zu entwickeln und ihre Führungsfähigkeiten an die sich ständig wandelnden Anforderungen anzupassen”. 

Wie sieht Dein typischer Morgen aus, bevor Du in den Arbeitstag startest?
Ich frühstücke mit meinem 17-jährigen Sohn und verabschiede ihn in die Schule. Dann setze ich mich für eine Stunde gemütlich mit einer großen Tasse Tee ins Bett und lese etwas über Leadership und psychologische Themen. So nehme ich eine große Portion Inspiration und Reflexion für den Tag mit. Herrlich! 

Was machst Du, um nach einem intensiven Arbeitstag abzuschalten?
Am liebsten mache ich einen Spaziergang vom Büro nach Hause. 30 Minuten durch Schrebergärten schlendern, durch ein kleines Wäldchen und einen Park. Gerne mit einer guten Freundin zusammen oder mit einem Podcast im Ohr. 

Wenn Du in die Zeit vor Deiner Gründung zurückblickst – was wäre hilfreich gewesen, schon vorher zu wissen?
Wie wichtig es ist, die Transformation vom Macher zum Leader zu schaffen. Wir alle starten als Macher. Das ist es, was wir in der Schule und im Studium gelernt haben. Wir genießen unsere Selbstwirksamkeit: “Ich habe das geschafft.” Dummerweise wird ein Unternehmen damit nicht groß. Die Schallgrenze liegt bei 15 bis 25 Mitarbeitern. Wer bis dahin nicht gelernt hat zu führen, sabotiert das weitere Wachstum des Unternehmens. Die Herausforderung: Hinter diesem Schritt steht eine tiefgreifende persönliche Transformation. Wir müssen unser Selbstbild und unsere Glaubenssätze hinterfragen. Hilfreich dabei ist ein Coach oder eine Coachin, die diesen Weg bereits selbst gegangen ist.  

Gab es im Laufe Deiner Gründerkarriere Rückschläge, aus denen Du besonders viel gelernt hast?
Mein größter Fehler in der Führung war, der Arbeit den Vorrang vor der Beziehung zu setzen. Dieser Glaubenssatz hat mich mindestens eine Geschäftsführungsrolle gekostet. Nur wenig ist so wichtig wie ein starkes Gründer- oder Leadership-Team. Das Problem: In den intensiven Wachstumsphasen passiert es schnell, dass sich jeder Gründer nur noch auf sein oder ihr Aufgabengebiet fokussiert. “Es gibt so viel zu tun –  wann sollen wir uns noch für einen  persönlichen Austausch treffen?” “Das ist doch unproduktiv.” Aus der intensiven Zusammenarbeit der ersten Gründungstage  werden irgendwann nur noch kurze Updates. Das Dumme dabei ist, dass ohne persönlichen Austausch das Vertrauen untereinander verloren geht. Misstrauen schleicht sich ein. Konflikte können nicht mehr gelöst werden. Am Ende bleibt nur noch eine Trennung. Mein Learning: Regelmäßiger persönlicher Austausch muss eine feste Routine haben, egal wie stressig die Zeiten sind.  

Was ist das Geheimnis, um talentierte Mitarbeiter für ein junges Unternehmen zu gewinnen?
Anfangs nutzt man das eigene, enge Netzwerk und die aktive Ansprache über LinkedIn. Man sucht nach Menschen, die mit ihrem Lebenslauf signalisieren: Ich bin neugierig und baue gerne etwas auf. So schafft man dann eine starke begeisternde Unternehmenskultur. Eine Kultur, bei der Menschlichkeit und Performance in der Balance sind, in der jeder über sich hinauswachsen kann und die von einer ambitionierten Mission getragen wird. A-Player wollen Impact haben und in einem ambitionierten und wertschätzenden Umfeld arbeiten. Unternehmen, die das schaffen, sprechen sich schnell herum, denn A-Player holen andere A-Player an Bord. 

Welche Erkenntnis möchtest Du anderen Gründern mit auf den Weg geben?
Lerne dich selbst intensiv kennen. Was sind deine Stärken, was deine Schwächen? Was ist dein Bestes-Ich, was dein Stress-Ich? Was sind die Glaubenssätze, die dich antreiben –  und wie können sie dir zum Nachteil werden? 

Gibt es Tools, die für die Organisation und den Erfolg deines Startups unverzichtbar sind?
Ja, da gibt es zwei, Asana und Notion. Notion nutze ich als Sammelbecken für all meine Ideen. Asana für meine Planung und als Plattform für meine Klienten.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Indem wir uns Zeit für Persönliches nehmen.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Die ersten Weihnachtsfeste bei der Beratung Solon. Sie waren weniger wild als bewegend. Es war ein gemeinsames Erlebnis auf Gut Elmau, mit den ganzen Familien, inklusive Babies. Nach dem gemeinsamen Abendessen wurde Scharade gespielt. Am nächsten Tag sind wir gemeinsam auf eine Alm geklettert und mit dem Schlitten wieder runter. Es war wunderbar, die Kollegen als ganze (Familien-)Menschen zu erleben. Auch wenn das ganze schon 25 Jahre her ist, halten viele Kontakte noch immer. 

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Volante, Anne Kainer