Von Team
Freitag, 8. November 2024

VC-Markt bleibt unter Druck

Der globale Wagniskapitalmarkt bleibt unter Druck. Hoffnung auf ein besseres globales Fundraising-Klima und einen neuen IPO-Zyklus im kommenden Jahr schürt die US-Präsidentschaftswahl: Historisch betrachtet nahm die IPO-Tätigkeit im Jahr nach einer US-Wahl häufig zu.

Der globale Wagniskapitalmarkt bleibt unter Druck – das zeigen aktuelle Zahlen von Crunchbase. So konnten Startups im letzten Quartal 15 % weniger Kapital im Vergleich zum Vorjahr einsammeln. Ein Dämpfer, nachdem die Zeichen zuvor vorsichtig auf Erholung standen. Besonders heftig trifft der Rücksetzer Europa. Der alte Kontinent verzeichnete das schlechteste Quartal seit vier Jahren und büßte im Jahresvergleich fast 40 % Funding-Volumen ein. Entsprechend wundert es kaum, dass hierzulande die Anzahl der Startup-Insolvenzen auf Rekordniveau und die der Unicorns rückläufig ist. Mehr noch: Laut einer Analyse von Pitchbook könnte der kumulierte Wert aller europäischen Einhörner im Zuge von anstehenden Downrounds um insgesamt rund 100 Milliarden US-Dollar schmelzen. 

Auch Vorzeigestartups zunehmend unter Druck

Auch die Finanzierungszyklen werden länger – und sorgen mancherorts für Liquiditätsprobleme. So müssen Startups aktuell durchschnittlich 19 Monate mit einer Finanzierungsrunde zurechtkommen, verglichen mit durchschnittlich 15 Monaten auf dem Höhepunkt des letzten Booms. Ein Grund dafür ist nicht zuletzt, dass der Exit-Markt weiterhin schwächelt und VCs inzwischen deutlich weniger Dry Powder zur Verfügung haben. Dass unter dem fortwährend angespannten Umfeld und der insgesamt schwierigen konjunkturellen Lage auch (einstige) Vorzeigestartups leiden, zeigt nicht nur die spektakuläre Bauchlandung von Lilium, sondern auch die aktuelle Entlassungswelle bei Solaris – dort trennte man sich im Oktober von rund einem Drittel der Belegschaft. 

Family Offices und WIN-Initiative als neue Hoffnungsträger?

Während viele Startups in Europa also aktuell unter der Investitionszurückhaltung von VCs leiden, zeigt sich im deutschen Markt ein vielversprechender Trend: So engagieren sich Family Offices so stark wie nie zuvor in der Startup-Finanzierung, wie das Handelsblatt berichtet. Ein Schritt in die richtige Richtung, fraglos. Ebenfalls positiv: Mit der sogenannten WIN-Initiative plant die Bundesregierung, bis 2030 rund 12 Milliarden Euro zu mobilisieren, um das deutsche Startup-Ökosystem zu fördern. Dabei setzt sich ein Zusammenschluss aus Politik, Wirtschaft und KfW für weniger Bürokratie und mehr privates Kapital ein, um ein innovationsfreundlicheres Umfeld zu schaffen. Doch damit es langfristig mehr Startups Made (and Funded) in Germany and Europe gibt, braucht es nicht nur mehr Kapital, sondern auch mehr und bessere Innovationsökosysteme nach US-amerikanischem Vorbild, wie Helmut Schönenberger, Mitbegründer der UnternehmerTUM, dies kürzlich in einem Gastbeitrag forderte. 

Treibt die US-Wahl einen neuen IPO-Zyklus an?

Hoffnung auf ein besseres globales Fundraising-Klima und einen neuen IPO-Zyklus im kommenden Jahr schürt die US-Präsidentschaftswahl: Historisch betrachtet nahm die IPO-Tätigkeit im Jahr nach einer US-Wahl – unabhängig von ihrem Ausgang – häufig zu, wie eine Analyse von Crunchbase zeigt. Dass dies in 2025 wieder gelingt, scheint angesichts allgemein erwarteter Zinssenkungen gut möglich – und wäre angesichts der anhaltenden Tristesse in weiten Teilen der Startup-Landschaft auch bitter nötig. 

Trotz Mega-Runde von OpenAI – Droht eine Konsolidierung bei AI-Startups?

Doch während viele Startups aktuell hart um ihre Finanzierung kämpfen müssen, scheint sich der Höhenflug für AI-Startups fortzusetzen, wie die Mega-Runde von OpenAI unterstreicht. Der AI-Pionier sammelte im Oktober 6,6 Milliarden US-Dollar und damit die größte Finanzierungsrunde aller Zeiten ein. Zuletzt floss fast ein Drittel des global investierten Wagniskapitals in AI-Startups. Dass der AI-Hype indes in naher Zukunft seinen vorläufigen Höhepunkt erreichen könnte, implizieren folgende Zahlen: So sind die Anzahl der Seed-Runden und auch das Gesamtvolumen von Seed-Finanzierungen von AI-Startups zuletzt rückläufig gewesen. Es ist nicht auszuschließen, dass hier in den kommenden Monaten eine Konsolidierung beginnt, da sich angesichts extrem hoher Bewertungen und abflauenden Wachstums die Anzeichen für eine Blasenbildung mehren. Dem AI-Sektor an sich würde eine solche Konsolidierung sicherlich nicht schaden, doch klar ist auch: Gerät das Zugpferd AI in den kommenden Monaten tatsächlich ins Stolpern, dürfte der gesamte Venture-Capital-Markt den nächsten massiven Stresstest erleben – und der Wettbewerb um Wagniskapital noch intensiver werden.

Über den Autor
Nils Langhans ist Geschäftsführer der Strategieberatung KAUFMANN / LANGHANS. Er berät Startups beim Fundraising und bei der Entwicklung ihrer Equity Story – von der Pre-Seed- bis zur Later-Stage-Finanzierung.

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Foto (oben): KI