Die Mischung machts: Bootstrapping und Investitionen kombiniert
Nach der zündenden Idee und den ersten “Gehversuchen” stellt sich Gründer:innen die Frage nach der Finanzierung. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig und laufen doch meist auf zwei Optionen hinaus – Bootstrapping oder Investment. Aber warum wählen, wenn beide zusammen zum Erfolg führen können? Bei der geschickten Kombination der beiden Finanzierungsmodelle greifen Startups zunächst auf die Ersparnisse der Gründer:innen zurück und holen sich erst bei klaren Wachstumsmöglichkeiten Investor:innen ins Unternehmen. So bleiben Startups zu Beginn unabhängig und können im richtigen Moment Fahrt aufnehmen.
Aus der Not geboren?
Die Entwicklung dieses neuen Finanzierungsmodells geht Hand in Hand mit der herausfordernden Lage der Investmentlandschaft. Warum sonst entscheiden sich aktuell so viele Gründer:innen für die Entbehrungen, die Bootstrapping anfangs mit sich bringt? Doch der gestiegene Leitzins und nicht allzu rosigen Aussichten auf dem Weltmarkt führten dazu, dass VCs ihre Investitionen weiterhin drosseln.
Gründer:innen stehen vor der Herausforderung, alternative Wege zur Finanzierung ihres Startups zu finden und greifen so immer häufiger in die eigene Tasche, um die ersten ein bis zwei Jahre Geschäftsbetrieb zu finanzieren. Mit einem Minimal Viable Product (MVP), ersten Kund:innen und einem überzeugenden Product-Market-Fit haben Startups erste Wurzeln am Markt geschlagen und sind bereit für beschleunigtes Wachstum durch Fremdkapital. Dabei sind es in erster Linie B2B-SaaS-Startups, die bereits mit wenigen Kund:innen einen soliden Umsatz vorweisen können, die von diesem Modell profitieren.
Freie Entscheidungsmacht für Gründer:innen
Neben einer marktbedingten Notwendigkeit gibt es noch weitere Gründe, die für eine Kombination aus Bootstrapping und Investment sprechen. Besonders in den frühen Phasen eines Startups gibt es viele Unsicherheiten. Ist das Produkt gut genug? Gibt es eine ausreichend große Zielgruppe? Passt die Zusammenstellung des Teams? In einem selbstfinanzierten Startup können Gründer:innen bei diesen Themen eigenständig Entscheidungen treffen, während andernfalls Investor:innen interferieren und ihre Entscheidungsmacht in ihrem Sinne nutzen. Steigen Investor:innen erst zu einem späteren Zeitpunkt ein, wenn das Startup bereits Traction am Markt hat, bedeutet das einen erheblich größeren Spielraum für die Gründer:innen. Da sie nicht zwingend auf die Investitionen angewiesen sind, können sie auf Augenhöhe mit den Investor:innen verhandeln und bessere Konditionen für sich herausholen, etwa indem sie weniger Anteile abgeben müssen.
Schlussendlich steht das Startup bei diesem Modell auch finanziell auf einer stabilen Grundlage, da der frühe Fokus auf Umsatz und Cashflow zu einem effizienten und nachhaltigen Unternehmenswachstum beiträgt.
Finanzierungsmodell eignet sich nicht für jedes Startup
Auch wenn sich die Vorteile, welche Bootstrapping gefolgt von Investitionen verlockend anhören, eignet sich das Modell nicht für jedes Startup. Außen vor bleiben kapitalintensive Geschäftsmodelle, wie etwa Startups, die Hardware herstellen oder auf Plattformmodelle setzen. Diese Unternehmen sind schon früh auf massive Investitionen angewiesen, um Traction zu generieren und sich gegenüber der Konkurrenz durchzusetzen. Dazu zählen auch die meisten Startups aus dem B2C-Segment, die häufig schon zu Beginn mit hohen Marketingkosten konfrontiert werden.
Ein entscheidender Nachteil dieses Ansatzes ist seine Exklusivität. Nur Gründer:innen, die ein komfortables finanzielles Polster aufgebaut haben, können es sich leisten, ein Startup mit eigenen Mitteln zu führen. Damit steigt häufig das Alter der Gründer:innen.
Bootstrapping plus Investment: Gekommen, um zu bleiben?
Aus der Not geboren, hat sich das Finanzierungsmodell bei dem Gründer:innen in den Anfangsjahren ihr Startup selbst finanzieren, um sich dann später an externe Kapitalgeber zu wenden, mittlerweile am Markt etabliert. Doch wie zukunftsträchtig ist ein Modell, das zwar zahlreiche Vorteile, aber eben auch Entbehrungen mit sich bringt? Voraussichtlich wird mit einer Entspannung des Venture-Capital-Markts dieses Finanzierungsmodell allmählich an Bedeutung verlieren, wenn Unternehmen auch in einer frühen Phase wieder leichter und zu attraktiven Konditionen an Fremdkapital gelangen können.
Über den Autor
Florian Bogenschütz ist Managing Director von Wayra Deutschland, der Innovations- und Investmenteinheit von o2/Telefónica. Dort verantwortet er seit 2019 die Geschäftsentwicklung, die strategische Ausrichtung und hat das Venture-Client-Modell etabliert. Als ehemaliger Gründer spricht er regelmäßig über Themen aus dem Startup-Bereich, unter anderem als Moderator des Podcasts “Scalecast”.
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