bae: Es gibt auch Meilensteine für Investoren
Laura Schmidel und Lorena Unterrader, die Gründerinnen von bae treat, waren sich wohl bewusst, dass ihr Produkt die Löwen nicht sofort in helle Aufregung versetzen würde, denn sie starteten ihren Pitch direkt mit einem Alarmsignal beim Wort “Haferriegel”. Und natürlich gab es schon so einige Riegel nicht nur in der Sendung “Die Höhle der Löwen” zu sehen, auch die Regale sind schließlich voll mit einer breiten Auswahl verschiedenster Ausführungen dieser Snacks.
Doch die Gründerinnen argumentierten auch, dass ihre Riegel durchaus einen USP vorzuweisen haben, denn nicht nur enthalten sie viel weniger Zucker und gute vegane Zutaten. Vor allem arbeitet das junge Startup auch mit sogenannten Präbiotika, Stoffen, die den guten Bakterien im Darm als Nahrung dienen und so bei einer gesunden Darmflora helfen können.
Zumindest vom Geschmack waren die Löwen dann auch sehr angetan, denn sowohl die Riegel als auch das bereits auf dem Markt befindliche vorherige Produkt, die “Bites” – cremig gefüllte Snack-Kugeln – ernteten viel Lob.
Und Food-Löwe Tillmann Schulz bestätigte dann auch, dass Produkte mit Präbiotika in den USA schon zahlreich vertreten wären, in Deutschland aber noch nicht.
Doch nicht nur ihre Produkte überzeugten, auch die Gründerinnen selbst. Denn sie hatten in den ersten 3 Monaten bereits rund 60.000 Euro umgesetzt und traten überaus kompetent, aber vor allem auch ausstrahlungsstark und überaus motiviert auf.
Das beeindruckte vor allem Handelslöwe Ralf Dümmel, der aber schließlich doch absagte, da er bereits mehrere Startups mit Riegeln im Portfolio hat.
Auch die weiteren Löwen sagten nach und nach ab – weil sie den Wettbewerb als zu groß ansehen oder das Produkt sie nicht 100%ig ansprach.
Bis schließlich nur noch Tillman Schulz übrig blieb, der sich aber absolut begeistert zeigte. Er machte den Gründerinnen ein Angebot und betonte, dass er zu 120% hinter dem Startup stehen würde, sich als ideale Ergänzung sieht – aber für die 180.000 Euro 25% statt der nur angebotenen 20% des Unternehmens möchte.
Die Gründerinnen berieten sich und sorgten für einen recht lustigen Moment in der Sendung, denn zunächst sah es nach einer direkten Zusage aus, doch als Tillmann Schulz für die besiegelnde Umarmung aufspringen wollte, bremsten sie ihn und kündigten eine zusätzliche Bedingung an.
Für die letzten 5% seiner geforderten Anteile sollte der Löwen 5000 Listungen der bae-Produkte realisieren.
Hier wurde ein Klassiker der Startup-Welt einmal herumgedreht, denn normalerweise sind es die Startups, für die die Auszahlung der Investment-Summe in Tranchen geschieht. Tatsächlich ist es üblich, dass nur die allererste Tranche – oft zum Beispiel nur ein Drittel der vereinbarten Investment-Summe – direkt nach Unterzeichnung der Beteiligung überwiesen wird. Alle weiteren sind an sogenannte “Meilensteine” gebunden – das können zum Beispiel erreichte Kunden, Umsätze oder auch Schritte in der Entwicklung sein. Investoren schützen sich so vor allzu großen Verlusten, sollte es so gar nicht klappen mit den Wachstums- oder Entwicklungsplänen des Startups.
Doch dies geht eben auch andersherum: besonders dann, wenn ein Investor hohe Mehrwerte abseits des Geldes verspricht, sind Gründerteams sogar gut beraten, zu überlegen, wie man diese Mehrwerte vielleicht als Meilensteine formulieren kann.
Laura und Lorena von bae haben genau das getan. Und sie stiegen in diese Verhandlung auch noch sehr schlau ein: sie erinnerten Tillmann Schulz an sein Statement, dass er zu 120% hinter ihnen stehen würde. Das impliziert, dass er natürlich ohnehin vor hat, sein Möglichstes für das Startup zu tun und alle seine Mehrwerte einzubringen. Die tatsächliche Erfüllung seiner Versprechen an die letzten 5% seiner angestrebten Anteile zu binden sollte ihn also nicht schocken.
Und die Taktik ging auf, der Food-Löwe fand die Aktion sogar gut, denn so kann er sicher sein, dass die Gründerinnen auch in zukünftigen Verhandlungen nicht so einfach überrollt werden können, schließlich haben sie ihr Verhandlungsgeschick bereits bewiesen.
Es kam also doch noch zur Deal-Umarmung, und nach Abgang der Gründerinnen sparten die Löwen nicht mit Respekt für die Aktion – auch wenn die sehr patriarchalisch geprägte Formulierung “die haben Balls” der eigentlich als feministischen Vorreiterin bekannten Tijen Onaran ein wenig seltsam anmutet.
Denn natürlich kann man ein solches Vorgehen schlicht als Mut und gute Verhandlungstaktik bezeichnen. Vielleicht ist das aber zu kurz gedacht, denn man kann auch viel mehr darin sehen: die Fürsorge und die Leidenschaft, das eigene Startup nach vorne zu bringen und dafür die richtigen Mitstreiter zu finden.