#Gastbeitrag

Was braucht es wirklich, um ein Startup zu gründen? 5 Learnings aus der Praxis

Fast jeder zweite junge Mensch kann sich vorstellen, ein Startup zu gründen. Aber nur jede sechste Person macht es. Unter anderem, weil sie denken, es fehle ihnen an Kompetenzen. Was braucht es wirklich, um ein Startup zu gründen? Ein Gastbeitrag von Christian Steiger.
Was braucht es wirklich, um ein Startup zu gründen? 5 Learnings aus der Praxis
Donnerstag, 19. September 2024VonTeam

In einer aktuellen Bertelsmann Studie wurden junge Menschen zwischen 14 und 25 befragt, ob sie sich vorstellen können, ein Unternehmen zu gründen. Fast jede zweite Person kann sich das vorstellen, aber nur jede sechste Person zwischen 18 und 24 Jahren gründet laut Global Entrepreneurship Monitor 2023 wirklich. Unsicherheit, fehlendes Zutrauen und Wissen sind Hauptgründe, die sie vor einer Gründung zurückschrecken lassen. 

Christian Steiger ist Geschäftsführer von Lexware. Während seines Studiums hat er selbstständig als Musikproduzent gearbeitet, später ein Startup und 2012 innerhalb von Lexware die Cloud-Lösung lexoffice gegründet. Aus diesen diversen Erfahrungen verrät er (zukünftigen) Gründer:innen seine 5 wichtigsten Learnings und Tipps. 

Ausdauer ist der neue Mut

Oft wird mit der Gründung oder der Selbstständigkeit Mut verbunden. Und das ist auch sicher richtig. Ich bin aber der Überzeugung, dass man weniger Mut braucht, wenn man Ausdauer hat. Was bedeutet das? Natürlich gibt es frustrierende Momente bei einer Unternehmensgründung, aber entscheidend ist es, daraus zu lernen und sich zu verbessern. Als ich als Student mit der Musikproduktion anfing, war alles, was ich hatte, ein günstiges Keyboard. Es klang nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber mit einer Software habe ich herausgefunden, was mit MIDI und Samples machbar ist. Die ersten Tracks wurden von Plattenlabels abgelehnt, oft ohne jegliches Feedback. Aber wir haben weiter daran gearbeitet, unsere Musik zu verstehen und zu verbessern und die Anforderungen der Labels zu erfüllen. Nach viel Übung und Beharrlichkeit kam 1997 dann unser erster Release. Der Schlüssel war: dranbleiben. Diese Schlüsselkompetenz kann man schon sehr früh trainieren, sei es beim Sport, beim Lernen oder bei der Musik. 

Eigenverantwortung meets Absprache und Aussprache

Entscheidungen können logischerweise in eine falsche Richtung führen. Genau hier liegt die entscheidende Kompetenz: Wird eine Fehlentscheidung lange gerechtfertigt, oder geht man direkt in den Lernmodus und macht es dadurch besser? Hier helfen die Prinzipien der Absprache und Aussprache: Lebt man die Absprache (z.B. gesetzte Ziele, To-Dos aus dem Team) und übernimmt damit die Verantwortung? Führt man die Aussprache (Ergebnisbewertung) und hat das Vertrauen, vor allem in Konfliktsituationen, die Dinge anzusprechen? Hier findet das eigentliche Lernen und Verbessern statt. Solche offenen und ehrlichen Diskussionen fördern das Wachstum und die Weiterentwicklung. Diese Haltung von Absprache und Aussprache kann man auch sehr gut im Alltag umsetzen, zum Beispiel in der Kommunikation mit Freunden und Familie.

Never fall in love with the prototype

Loslassen ist wichtig, weil man sich sonst nicht verbessern kann. Man steht sich dann selbst im Weg. Daher orientiere ich mich an dieser Regel: “Never fall in love with your prototype”. In der Produktentwicklung (und auch in anderen Bereichen) ist ein Prototyp immer ein Werkzeug zur Weiterentwicklung – nie das Endziel. Ein Prototyp ist dazu da, getestet und verbessert zu werden. Es ist unsere Aufgabe, Fehler und Schwachstellen zu identifizieren und zu beheben. Nur so kann ich sicherstellen, dass das Endprodukt den höchsten Ansprüchen genügt. Ich muss also bereit sein, radikale Änderungen vorzunehmen. Ich muss offen für neue Ideen sein, auch wenn ich mich von meinem ursprünglichen Konzept entfernen muss. Hier helfen eine agile Arbeitsweise und Feedback. Bei Lexware stellen wir uns Ergebnisse zum Beispiel nach zwei Wochen immer wieder vor, um Feedback in allen Teams zu erhalten. Spätestens nach vier Wochen geht es dann direkt zu den Kund:innen, denn die entscheiden am Ende, ob es gut ist oder nicht. 

Einfach machen

Wenn man ein eigenes Unternehmen mit einem klaren Ziel aufbauen möchte, sollte man voll einsteigen. Wie bereits erwähnt, müssen Unternehmer:innen Risiken eingehen und Chancen ergreifen. Was aber auf jeden Fall vorbereitet werden kann und zu den ersten Aufgaben gehören sollte: Sich die passenden digitalen Tools zu Hilfe nehmen. Es gibt viele Dinge zu erledigen, die das Unternehmen nicht wirklich voranbringen, aber gemacht werden müssen: Verträge, Notar, Versicherungen und viel Regulatorisches. Als ich damals als Musikproduzent gestartet bin, waren wir noch viel weiter von einem digitalen Weg entfernt als heute. Ich bin einmal die Woche zur Steuerfachangestellten einer Kanzlei gegangen und habe alle Belege vorbeigebracht. Auf meine Frage: “Können wir die Rechnungen nicht einfach als Datei nutzen?”, war die Antwort der Kanzlei: “Besser, ich drucke sie schön farbig aus, das mag der Prüfer.” Es ist erschreckend, wie umständlich administrative Prozesse heute immer noch sind. Für den ganzen administrativen Aufwand empfehle ich daher ganz klar ein digitales Tool, um es so einfach wie möglich zu machen.  

Erarbeite dir ein Netzwerk 

Ein Netzwerk, Partner:in und Familie sowie der klare Wille, es zu schaffen, sind entscheidend. Denn der Austausch mit Gleichgesinnten oder Menschen in ähnlichen Situationen hilft sehr. Zum einen erkennt man schnell, dass man mit seinen Themen nicht allein ist, und zum anderen lernt man im Idealfall neues Rüstzeug, um besser durch kritische Zeiten zu gehen. Man wird dadurch resilienter. Im inneren Kreis sollte man maximal offen sein und nichts verstecken oder sich schönreden. Nur dann kann man eigene Schwächen erkennen und beispielsweise andere Menschen an Bord holen, die diese besser abdecken können. Das ist nicht nur gut für das Unternehmen, sondern man kann gleichzeitig seine eigenen Stärken weiterentwickeln und von anderen dazulernen. Mein Tipp für den Netzwerkaufbau: Einmal auf einem Event zu erscheinen reicht nicht. Man muss schon mindestens dreimal präsent sein, um ein belastbares Netzwerk aufzubauen. Auch dafür sollte man sich Zeit nehmen. 

Ich bin überzeugt, dass der Fortschritt unseres Landes – wirtschaftlich wie gesellschaftlich – von Unternehmer:innen abhängt. Sie treiben Innovation voran und entwickeln unsere Gesellschaft und Wirtschaft durch neue Technologien, Geschäftsideen und Lösungen weiter. Deshalb hoffe ich, dass die Zahl der Personen, die sich nicht nur vorstellen können, ein Unternehmen zu gründen, sondern auch tatsächlich gründen, in den nächsten Jahren nach oben geht. 

Über den Autor
Christian Steiger ist seit 2019 Geschäftsführer von Lexware. Seine Vision: Unternehmensführung einfach machen, damit Unternehmer:innen einfach Machen können. Gemeinsam mit seinem Team baut er das Lexware Software-Angebot mit Hilfe von Automatisierung und künstlicher Intelligenz zum digitalen Partner für Selbstständige, Kleinunternehmen und Startups aus. Als Gründer eines Startups kennt er die Hürden im Gründungsprozess und setzt sich für weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung von Geschäftsprozessen ein.

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