#Gastbeitrag

ClimateTech als Beschleuniger für die dekarbonisierte Zukunft

Viele ClimateTech-Unternehmen generieren den Großteil ihres Profits aus dem Verkauf von Hardware-Produkten und/oder Software-Lizenzen. Mit der Evolution des Marktes rückt ein weiterer sogenannter Revenue-Stream in den Fokus: die Umsatzbeteiligung.
ClimateTech als Beschleuniger für die dekarbonisierte Zukunft
Montag, 16. September 2024VonTeam

Im Zeitalter der Polykrisen sind die Budgetgürtel auf den Kapitalmärkten enger geschnallt. Nach Jahren des schier ungebremsten Geldflusses mit dem Peak im Covid-Jahr 2021 müssen viele Startups um Zusagen für dringend benötigtes Wachstumskapital bangen. Während der europäische VC-Market, so die Zahlen des State of European Tech von Atomico, von 2021 bis 2023 um 55 % einbrach, entpuppt sich das Marktumfeld für Climate Tech jedoch als vergleichsweise stabil. Aus einem einfachen Grund: An der dekarbonisierten Zukunft führt kein Weg vorbei – und digitale Innovation ist auf dem Weg dahin unentbehrlich, um einerseits dezentrale Systeme effizient zu managen und andererseits das Nutzen wertvoller Energieressourcen zu optimieren. 

Laut Berechnungen von PitchBook aus dem Carbon & Emissions Tech Report summierten sich die weltweiten Climate-Tech-Investments alleine im ersten Quartal 2024 auf 8,1 Milliarden Dollar, 400 % mehr als im Vorjahr. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welche Opportunitäten ergeben sich für Startups? Welche Geschäftsmodelle und technologischen Innovationen sind aktuell besonders gefragt?

Alles aus einer Hand – der ganzheitliche Dienstleistungsansatz 

Egal, ob klimafreundliche Mobilität, die Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien oder Maßnahmen, um die Energieeffizienz von, zum Beispiel, Gebäuden zu erhöhen: Unternehmen investieren bewusst immer mehr in den Klimaschutz. Laut Zahlen der KfW vom November letzten Jahres sind aus dem Unternehmenssektor in Deutschland 2022 mehr als 72 Milliarden Euro in solche Initiativen geflossen, ein bereinigtes Plus von satten 18 % im Vergleich zum Vorjahr. 

Auch Privatleute stehen dem nicht nach und suchen vermehrt nach klimaschonenden Investitionen, die mittelfristig eine Rendite abwerfen. Dazu zählen Photovoltaik-Anlagen (PVA) oder Wärmepumpen von Unternehmen wie z.B. Enpal, 1Komma5 oder Thermondo. All diese Unternehmen teilen neben erfolgreicher Wachstumshistorie und dem Klimaschutz in ihrer DNA eine weitere Gemeinsamkeit: Sie bieten ihren Geschäfts- und Privatkunden einen ganzheitlichen Dienstleistungsansatz. Und sind deshalb auch für Investoren interessant. Denn die “Alles-aus-einer-Hand”-Philosophie ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Kein Kunde möchte beim Prozess von Einbau bis zur Finanzierung einer Wärmepumpe oder PVA auf mehrere Dienstleister angewiesen sein. Stattdessen suchen sie sich bewusst die Dienstleister aus, die alle nötigen Schritte “in-house” abbilden können oder direkt an Partnerunternehmen vermitteln, sodass neben der Finanzierung und Installation zum Beispiel auch die Integration von Software oder anfallende Wartungsarbeiten übernommen werden. Dieser holistische Service-Gedanke wird mit dem wachsenden Bedürfnis nach Klimaneutralität der Gesellschaft weiter gefragt bleiben und die Wertschöpfungskette verlängert werden.

Fintech meets Climate Tech

Die Dekarbonisierung erhöht sein Tempo: Laut der PwC-Studie State of Climate Tech 2023 erhielten Climate-Tech-Startups 2023 etwa 10 % aller weltweiten Risikokapital und Private Equity Investitionen – und damit im Gesamtverhältnis knapp 10 Mal so viel wie noch 2013. Eine Untersuchung von Bloomberg kam Anfang des Jahres außerdem zu dem Ergebnis, dass 2023 1,8 Billionen US-Dollar an VC-Geld in die Energiewende floss. Das ist Rekord und pulverisierte das Vorjahresergebnis um +17 %. 

In Infrastruktur und Hardware investieren Climate-Tech-VCs nicht, im Fokus stehen digitale Geschäftsmodelle. Aber: Um die Finanzierung von Solaranlagen, Windrädern oder auch die klimafreundliche Umgestaltung von Gebäuden zu finanzieren, haben sich Climate-Fintechs mit speziellen Finanzprodukten positioniert. Zwei Beispiele:

  • Hardware-Kosten: Immer bessere Hardware drängt im Energie-Sektor auf den Markt, von einzelnen Wärmepumpen, über Elektroautos bis hin zu ganzen Elektrotankstellen. Damit steigt die Nachfrage auf Kundenseite und im Umkehrschluss das benötigte Gesamtkapital, um diese Hardware-Lösungen zu finanzieren. Fintechs, die sich auf die Finanzierung von Climate-Tech-Hardware spezialisiert haben, adressieren genau das: Sie agieren vermehrt als Vehikel, indem sie a) bei der Kreditvergabe mit Partnern zusammen arbeiten oder b) selbst als lizenzierter Kreditgeber spezialisiert auf die Climate-Tech-Infrastruktur fungieren (BaFin-Lizenz).  
  • Flexibilitätsmanagement: Wo Strom fließt, fließt Geld. Wer beispielsweise Solar-Panele auf seinem Dach installiert hat, hofft auf Stromerzeugung, die nicht nur den eigenen Bedarf deckt, sondern sich darüber hinaus weiter monetarisieren lässt. Um diesen “übrigen” Strom auf den weltweiten Energiemärkten anbieten zu können, entwickeln Fintechs unter anderem Trading-Produkte für Endverbraucher. Diese Trading-Produkte optimieren permanent in Echtzeit, ob der Strom gegen die vereinbarten fixen Gebühren eingespeist oder eher auf dem offenen Energiemarkt gehandelt werden sollte. Gerade im dezentralen Stromnetz werden Lösungen, um via flexibler Preisgestaltung Angebot und Nachfrage auszutarieren, von zentraler Bedeutung.

Die Synergien aus Finanz- und Energiemarkt werden immer größer – und damit komplexer. Fintechs, die sich einer Entschlackung der Komplexität annehmen und spezielle Finanzprodukte entwickeln, stehen hohen Wachstumschancen gegenüber.

Umsatzbeteiligung als Geschäftsmodell 

Viele Climate-Tech-Unternehmen generieren, Stand jetzt, den Großteil ihres Profits aus dem Verkauf von Hardware-Produkten und/oder Software-Lizenzen. Mit der Evolution des Marktes und des wachsenden Kundenstammes rückt ein weiterer sogenannter Revenue-Stream in den Fokus: die Umsatzbeteiligung. Durch solche Umsatzbeteiligungen können Climate-Techs stärker am Wachstum partizipieren, im Gegenzug sinkt das unternehmerische Risiko der Partner.

Der Vorteil dieser Modelle: Kunden, die mit diesen Startups zusammen arbeiten, haben es selbst in der Hand, wie sehr sie ins Risiko gehen möchten: Je mehr sie vom Umsatz abtreten, desto sicherer die Investition. Je mehr Umsatz sie selbst einnehmen möchten, desto risiko-affiner sind sie. Nur eine Faustformel ist immer gültig: Je mehr nachhaltig erzeugter Strom fließt, desto größer ist auch der Umsatz dieser Modelle.

Über den Autor
Jan Lozek ist Geschäftsführer und Gründer von Future Energy Ventures. Future Energy Ventures (FEV), gegründet 2016, hat im Januar 2024 den ersten Abschluss des unabhängigen SFDR-Artikel-9-Fonds verkündet. Der Fonds investiert in digitale und digital unterstützte Klimatechnologien mit hohem Potenzial, die Energiewelt neu zu definieren und sauberere, intelligentere Städte aufzubauen. Mit operativen Zentren in Berlin, Tel Aviv und Palo Alto bietet FEV Optionen für Finanzierung, Kooperation und Skalierung durch Industrie- und Investorenpartner.

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