#Interview

“Lass dich nicht von kritischen Stimmen verunsichern”

Gründeralltag - gibt es das überhaupt? "Wenn meine Kinder aus der Schule kommen, ist für mich Schluss mit Arbeit. Falls ich mich dann dabei erwischen lasse, wie ich auf mein Handy schaue, erinnern sie mich daran, dass ich Feierabend habe", sagt Kaam-in-Gründerin Baicy Terbrüggen.
“Lass dich nicht von kritischen Stimmen verunsichern”
Mittwoch, 11. September 2024VonTeam

Wie starten ganz normale Gründerinnen und Gründer so in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag? Wie schalten junge Unternehmerinnen und Unternehmer nach der Arbeit mal so richtig ab und was hätten die aufstrebenden Firmenlenker gerne gewusst bevor sie ihr Startup gegründet haben? Wir haben genau diese Sachen abgefragt. Dieses Mal antwortet Baicy Terbrüggen, Gründerin von Kaam-in. Das Unternehmen setzt auf “deutschsprachige Pflege-Fachkräfte aus Indien”.

Wie startest Du in einen ganz normalen Startup-Arbeitsalltag?
Ganz klassisch mit Kaffee und einem Blick auf meine To-Do-Liste und den Kalender. Danach geht’s ans E-Mails checken und Telefonieren, bevor ich mich an das Abarbeiten der einzelnen Aufgaben mache.

Wie schaltest Du nach der Arbeit ab?
Spätestens wenn meine Kinder um 15 Uhr aus der Schule kommen, ist für mich Schluss mit der Arbeit. Falls ich mich dann dabei erwischen lasse, wie ich beim Spielen mit ihnen auf mein Handy schaue oder ans Telefon gehe, erinnern sie mich daran, dass ich Feierabend habe – das ist so eine Art Familienregel. Meine Kinder beherrschen diese Regel perfekt, sodass mir das Abschalten gut gelingt. Einmal die Woche versuche ich zudem, Schwimmen zu gehen – manchmal auch vormittags. Das hilft mir, den Kopf freizubekommen und einfach abzuschalten.

Was über das Gründer:innen-Dasein hättest Du gerne vor der Gründung gewusst?
Ich hätte gerne vorher gewusst, wie vielseitig die Verantwortung als Einzelunternehmerin wirklich ist. Man kümmert sich um alles: Personal, Marketing, Steuern, Rechnungswesen, IT, Technik und Ausstattung – und das ganze bürokratische Zeug. Man weiß zwar, dass das auf einen zukommt, aber man unterschätzt, wie viel da zusammenkommt.

Was waren die größten Hürden, die Du auf dem Weg zur Gründung überwinden musstet?
Der größte Schritt war es, überhaupt den Mut zu finden, allein in die Selbstständigkeit zu starten. Es war auch eine Herausforderung, an mein eigenes Können zu glauben und den Kundenstamm von Grund auf aufzubauen.

Was waren die größten Fehler, die Du bisher gemacht hast – und was hast Du aus diesen gelernt?
Der größte Fehler war, mit einem Neukunden in die Zusammenarbeit einzusteigen und auf Wunsch Prozesse in die Wege zu leiten, bevor der Rahmenvertrag unterschrieben war. Als der Kunde dann die Zusammenarbeit aufgrund einer internen Umstrukturierung abgesagt hat und auch nicht bereit war, die Teilrechnungen zu zahlen, wurde mir klar: Das passiert mir nicht noch einmal.

Wie findet man die passenden Mitarbeiter:innen für sein Startup?
Oft ist es eine Frage des Bauchgefühls – auch wenn das nicht immer richtig ist. Learning by doing eben. Mir ist wichtig, dass meine Mitarbeiter:innen ihre Aufgaben mit echter Leidenschaft angehen und sich über jeden Erfolg gemeinsam mit mir freuen, wie etwa bei der Ausstellung von Visas für unsere indischen Pflegefachkräfte, die in Deutschland arbeiten und leben wollen.

Welchen Tipp hast Du für andere Gründer:innen?
Hab Vertrauen in dich selbst und den Mut, deine Ideen umzusetzen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Bleib authentisch und versprich nur das, was du auch halten kannst. Lass dich nicht von den vielen kritischen Stimmen verunsichern, die dir erzählen, dass Selbstständigkeit immer nur Stress bedeutet und du keine Zeit für deine Familie haben wirst. Halte an deiner Vision fest – der Weg ist das Ziel. Investiere in Dinge wie Personal und Systeme, die dir Zeit sparen, zum Beispiel Steuer, Lohnabrechnung, IT – nach dem Motto: Zeit ist Geld.

Ohne welches externe Tool würde Dein Startup quasi nicht mehr existieren?
Unser HR-System. Es war mir wichtig, von Anfang an ein gutes System zu haben, um den Überblick über alle Bewerber:innen und Kunden zu behalten.

Wie sorgt Ihr bei Eurem Team für gute Stimmung?
Da wir ein internationales Team haben – Indien, Dubai, Deutschland -, haben wir wöchentliche Meetings, um alle auf dem Laufenden zu halten, uns gegenseitig zu unterstützen und auch mal über Themen abseits der Arbeit zu sprechen. Regelmäßige 1:1-Gespräche sind mir ebenfalls wichtig, um offenes Feedback zu geben und zu bekommen.

Was war Dein bisher wildestes Startup-Erlebnis?
Nur sechs Monate nach der Firmengründung konnten wir durch persönliche Empfehlungen unseren ersten Kunden in Österreich gewinnen. Das war echt schnell und unerwartet. Wenige Monate später ging es dann mit diesem Kunden nach Indien, um vor Ort Castings durchzuführen. Dabei haben wir von der österreichischen Fachhochschule die Bestätigung erhalten, dass die indischen Pflegekräfte top ausgebildet und qualifiziert sind.

Tipp: Wie sieht ein Startup-Arbeitsalltag aus? Noch mehr Interviews gibt es in unserem Themenschwerpunkt Gründeralltag.

Foto (oben): Kaam-in