KI und Objektivität – Weshalb gerade Frauen eine wichtige Rolle spielen
KI kommt immer mehr in der Gesellschaft an – vor allem bei jüngeren Menschen. So nutzen beispielsweise in der Generation Z (18 bis 27 Jahre) knapp 41 % der Befragten einer Studie aktiv KI-Dienste wie z.B. ChatGPT (Statista, Stand Februar 2023, Deutschland).
Einen großen Vorteil, den sich viele bei der Nutzung von KI-Tools erhoffen, ist, dass diese, anders als ein Mensch, ganz sachlich und objektiv an Sachverhalte herangehen. Der Gedanke liegt natürlich erst einmal nahe – schließlich reden wir von einer Intelligenz, die frei von menschlichen Emotionen und Eindrücken agiert.
Jedoch vergessen viele recht gerne, dass KI nicht von alleine “intelligent” wird. Sie muss sich Sachverhalte aus vergangenen Szenarien erarbeiten, tausende Daten auswerten, Muster erkennen und interpretieren: Somit kann man also sagen, dass die KI auf Basis dessen agiert, was sie im Laufe ihres künstlichen Lebens erlernt hat.
Objektivität – reines Wunschdenken?
Hierbei tut sich ein gewaltiges Problem auf: Es gibt nämlich eine Gruppe, die KI-Tools sehr viel mehr nutzt und somit auch trainiert, als andere das tun; und das sind Männer.
Tatsächlich ist dies bereits in jungen Jahren zu sehen: Weibliche Jugendliche zeigen vergleichsweise weniger Interesse an KI-Tools als männliche Jugendliche, wie sich in einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest beobachten lässt. Die Konsequenz: KI-Tools lernen konstant dazu, und durch diese disproportionale Nutzer:innen-Verteilung wird ihre Entwicklung einseitig geprägt durch männliches Verhalten. Sie übernimmt somit Denkmuster und Stereotype, die besonders häufig bei Männern vorkommen.
Frauen beteiligen sich darüber hinaus auch weniger an der Gestaltung der Technologie. So sind es eher Männer, die diese Tools programmieren und entwickeln. In Studienfächer wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Nur 28 % der Absolventen von Ingenieurstudiengängen und 22 % der KI-Mitarbeiter sind weiblich.
Das erkennt man an einem ganz klassischen Beispiel: Wenn man eine generative KI, wie etwa dall-e, fragt, das Bild einer schönen Frau zu erstellen, werden fast immer die Klischees eines männlichen Schönheitsideals bedient (eine junge Frau mit schlanker Taille, üppiger Oberweite, perfekten Gesichtsmerkmalen und so fort).
Die brennende Frage ist daher: Wie können wir es schaffen, dass KI nicht mehr so einseitig geprägt wird? Indem wir sie alle nutzen und mit unserem Input trainieren. Besonders Frauen sollten hierbei eine starke Förderung erhalten, da die Skepsis gegenüber KI-Tools hier noch groß erscheint.
Frauen zur Nutzung von KI anregen – So geht’s
1. Stärkt Frauen in MINT Bereichen
Frauen sind im MINT-Bereich immer noch unterrepräsentiert: Im Wintersemester 2022/23 waren beispielsweise 32 % der MINT-Studierenden an deutschen Hochschulen weiblich (laut Daten des Statistischen Bundesamts) – somit ist hier noch Luft nach oben, um ein 50/50 ausgeprägtes Gleichgewicht zu erzielen. Hierzu ist es wichtig, Frauen schon in jungen Jahren in wissenschaftlichen Fächern stärker zu fördern, denn allzu oft werden sie früh von dem gesellschaftlichen Bild geprägt, dass Mathe und Co. eher Fächer für Jungs sind.
2. Früh ansetzen: Fördert KI-Bildung in Schulen für Mädchen
Hierauf baut auch der nächste Punkt auf. Der Umgang mit KI sollte früh trainiert werden, am besten schon in der Schule. Hierbei sollten auch starke Vorbilder, wie beispielsweise Ada Lovelace, die erste Person, die Computerprogramme erstellte, den Mädchen nahegebracht werden. Damit können wir aufzeigen, dass Mathematik und Programmieren nicht nur eine Männer-Domäne ist.
3. Etabliert einen bewussten und aufmerksamen Umgang mit KI-Tools in Unternehmen
Unternehmen, die bereits KI-Tools nutzen, sollten zusätzlich immer wieder kritisch hinterfragen, ob das Tool mit dem richtigen Input trainiert wurde und nicht nur männlich geprägt agiert. Somit können Szenarien wie 2018 bei Amazon verhindert werden: Damals musste das Unternehmen ihr KI-basiertes Recruiting Tool einstellen. Dieses hatte “gelernt”, dass sich ein sehr viel größerer Anteil an Männern auf technische Jobs bewerben, und hatte diese folglich für solche Positionen präferiert. Somit wurden beispielsweise Wörter wie “women’s” in Bewerbungen negativ gewertet (beispielsweise, wenn eine Bewerber:in “women’s chess club captain” war).
4. Regt Kampagnen zur Nutzung von KI-Tools an
Das Thema KI und die Vorteile, die die Nutzung vor allem auch für Frauen mit sich bringt, muss dringend besser kommuniziert werden. Dafür würden sich beispielsweise gezielte Kampagnen in Medien anbieten, die eine vorwiegend weibliche Zielgruppe haben.
5. Errichtet Safe Spaces für Frauen in Unternehmen
Vielleicht gibt es schon einige Vorreiterinnen im Unternehmen, die besonders geübt im Umgang mit KI sind? Wenn ja, sollten diese gezielt genutzt werden: In Safe Spaces können sie andere Frauen in kleinerer Runde im Umgang mit den Tools schulen und ihnen die Vorteile näherbringen.
6. Bietet Fortbildungen an
Auch wenn noch nicht alle Unternehmen auf KI setzen, wird sich das doch in Zukunft kaum vermeiden lassen. Hier heißt es: früh ansetzen. Unternehmen sollten schon heute verpflichtende Schulungen zum Thema KI und der Nutzung anbieten und dabei auch für die Gefahr der Verstärkung von Stereotypen sensibilisieren. Somit kann dann die ganze Belegschaft, männlich und weiblich, jung und alt, später die KI-Tools des Unternehmens mit Feedback versorgen.
7. Fördert “menschliche” Fähigkeiten
Dieser Teil ist zwar nicht direkt als Anregung für Frauen zur Nutzung von KI gedacht, aber für mich ein wichtiger Schlusspunkt. Gerade da KI-Tools ohne menschliche Intuition und Emotion arbeiten, ist es von großer Bedeutung, dass wir im Umgang mit diesen weiterhin unsere “menschlichen” Fähigkeiten – wie Empathie, kritisches Denken oder Kommunikationsgeschick – stärken. Diese ergänzen die Vorteile der KI und stellen gleichzeitig einen entscheidenden Gegenpol dar, wenn es darum geht, Vorurteile zu vermeiden und in Systemen aufzudecken.
Subjektivität und Schubladendenken lassen sich schwer vermeiden, auch nicht in KI-Systemen. Was wir jedoch tun können, ist, so gut wie möglich dafür zu sorgen, dass die KI von allen Seiten gleichermaßen gefeedbackt und “gefüttert” wird – und somit ein mögliches Gleichgewicht schaffen.
Über die Autorin
Patrizia Ecker ist Expertin für Unternehmenstransformation. Mit 15 Jahren Erfahrung in der Digitalbranche, davon sieben Jahren Führungserfahrung in der Unternehmensberatung, und ihrer Leidenschaft für die Förderung von Frauen hilft Patrizia Ecker Unternehmen, den Wandel erfolgreich zu gestalten. Sie setzt sich für eine familienfreundliche Unternehmenskultur ein, die die Förderung von Soft Skills unterstützt und die Entwicklung eines agilen Mindsets ermöglicht. Ihr erklärtes Ziel ist es, Frauen zu ermutigen, ihren Karriereweg selbstbewusst zu gehen. Sie hilft ihnen dabei, eine Zukunft zu gestalten, in der Frauen in Führungspositionen befördert werden und die Bedeutung weiblicher Eigenschaften anerkannt wird. Dank ihres psychologischen Backgrounds ist Patrizia Ecker in der Lage, digitale Anpassungen und innovative Veränderungsprozesse zu managen. Das ermöglicht es ihr zu verstehen, wie kognitive Verzerrungen die Entscheidungsfindung und das digitale Engagement beeinflussen. Patrizia Ecker studierte unter anderem International Businesses und hat einen Master of Arts in Psychologie. Ihre akademische Ausbildung absolvierte sie an den Universitäten in Mailand, Wien, Zürich, New York und Zypern. Patrizia Ecker steht die Verleihung des “Doktor der Philosophie” bevor, in dessen Rahmen sie gerade ihre Doktorarbeit verteidigt.