Ratzfatz: Der richtige Umgang mit den Unit Economics
Maraike Höhne, Sarina Morawiak und Luisa Schubert stellen mit Ratzfatz in der ersten Folge der Jubiläumsstaffel von “Die Höhle der Löwen” eine neue Produktkategorie vor: Ihr Startup bietet gesunde Tiefkühlfertig-Gerichte für Kinder an, um Eltern trotz hoher Ansprüche an die Ernährung ihrer Kinder im Alltag zu entlasten. Die Löwen waren begeistert von den Gründerinnen, und das trotz einer sehr kritischen Diskussion über wichtige Kennzahlen.
Viele Gründerinnen und Gründer denken immer noch, dass Investorengespräche vor allem über eine detaillierte Finanzplanung erfolgreich abzuschließen sind. Deswegen kreieren sie oft schiere Monster von Tabellenkalkulationen, die gar kein Ende finden wollen. Doch häufig finden diese dann gar keinen wirklichen Anklang bei den Geldgebern, und die Enttäuschung nach der ganzen Arbeit ist groß.
Denn das Problem ist oft, dass die Informationen, nach denen die Geldgeber wirklich suchen, kaum oder gar nicht in diesen Planungen enthalten sind. Und massenweise online verfügbare, aber für Verhandlungen mit professionellen Investoren völlig ungeeignete Vorlagen für Finanzplanungen verschlimmern das Ganze noch.
Da die Gründerinnen und Gründerin in “Die Höhle der Löwen” keine Tabellenkalkulationen mitbringen können, kann man hier oft sehr gut die wirkliche Diskussion um die Zahlen verfolgen – und manchmal auch sehr genau beobachten, worum es Investoren bei den Unternehmenszahlen wirklich geht.
Im Falle von “Ratzfatz” wurde das sehr anschaulich, denn vor allem Löwe Carsten Maschmeyer führte eine detaillierte Diskussion über die sogenannten Unit Economics. Diese “Ökonomie der Einheiten” verrät den wichtigsten Teil eines Geschäftsmodells, denn hier wird die Frage beantwortet, ob man damit überhaupt Geld verdienen kann – auf der kleinsten Ebene.
Denn zum Zeitpunkt der Sendungsaufzeichnung verkaufte das Startup seine Kinder-Fertiggerichte ausschließlich online. Natürlich erfragten die Löwen hierfür schnell den Verkaufspreis von 6,99 € und die Herstellungskosten von 2,37 € pro Packung. Auch diese Zahlen zählen bereits zu den Unit Economics, denn sie beziehen sich auf eine einzige Produkteinheit. Es geht hier also um das Betrachten einer Einheit und gegebenenfalls auch das “herunterrechnen” anderer Werte auf eben diese Einheit.
Aber bleiben wir zunächst bei Verkaufs- und Einkaufspreis. Denn hieraus ergibt sich eine Marge von 4,62 € pro Produkt. Doch Carsten Maschmeyer scheint direkt skeptisch zu sein, ob das reicht für ein solches Tiefkühlprodukt, ist hierin doch schließlich der gekühlte Versand noch nicht enthalten.
So erfahren wir auch schnell, dass jedes versandte Paket mit 20 € zu Buche schlägt, wovon nur 5 € als Versandkosten an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden. Hierbei wird natürlich sofort klar, dass der Versand einer einzelnen Packung für das Startup ein riesiges Verlustgeschäft bedeuten würde. Deswegen fragt der Löwe auch direkt nach einem Mindestbestellwert, was die Gründerinnen mit 30 € beantworten.
Und hier findet ein kleiner, aber wichtiger Shift in der Diskussion statt: die Bezugsgröße, also die “Unit” ändert sich. Nun wird nicht mehr das einzelne Produkt als kleinste Einheit herangezogen, sondern die einzelnen Bestellung bildet ab nun die Basis der Diskussion. Dies hat einfach den Grund, dass die 20 € Tiefkühl-Versandkosten sich auf das gesamte Paket beziehen – egal ob man nur eine einzige oder 10 Packungen verschickt.
Bei 30 € Mindestbestellwert müssen also mindestens 5 Packungen bestellt werden. So erhält das Startup bei jeder Bestellung mindestens 5 mal seine Marge, also verdient zunächst 23,10 €, wovon der Versand aber noch mit 15 € bezuschusst werden muss. So verbleiben also für eine Bestellung mit Mindestbestellmenge nur noch 8,10 € beim Startup, was den anschließenden Wortwechsel zwischen Carsten Maschmeyer und dem Startup-Team erklärt.
Denn der Finanz-Löwe schließt aus den genannten Zahlen, dass Ratzfatz online ein Minusgeschäft macht, was die Gründerinnen bejahen, wenn sie Marketing mit einbeziehen. Denn mit 8,10 € lässt sich normalerweise in diesem Bereich ein Kunde nicht gewinnen.
Zwar betonen die Gründerinnen in der Folge, dass sie bereits jetzt schon einen durchschnittlichen Warenkorb von 42 € haben – doch auch der entsprechend verbesserte Wert von 12,72 € deckt wohl noch lange nicht die durchschnittlichen Marketingkosten.
Diese werden in der Folge zwar nicht mehr explizit genannt, aber das Ratzfatz-Team gibt hier noch eine wichtige Information: Ab einem Warenkorb-Wert von 60-70 € soll eine Skalierung des Online-Geschäfts wohl möglich sein, d.h. hier müsste die Marge sowohl Marketing- als auch Versandkosten decken. Bei 63 € hätte man somit 9 verkaufte Pakete, eine Marge von 41,58 €, also abzüglich 15 € Versandzuschuss 26,58 €, die für Marketing ausgegeben werden könnten, ohne “draufzuzahlen”.
Natürlich könnte man an dieser Stelle die Unit Economics noch weiter untersuchen, und vielleicht abermals die Bezugsgröße von der Bestellung zum Kunden ändern, denn schließlich könnte dieser ja mehrmals wieder bestellen, die Marketing-Kosten fallen aber immer nur einmal an.
Doch die Diskussion nimmt an dieser Stelle – zumindest in der gekürzten Version der Ausstrahlung – eine andere Richtung, und die Gründerinnen betonen geschickt sowohl die Möglichkeiten im Handel als auch im B2B-Bereich mit der Belieferung von Einrichtungen wie Krankenhäusern, KiTas oder Kindergärten. Hier fallen natürlich die teuren Einzellogistikkosten weg, so dass das Geschäft mit größeren Mengen attraktiver werden kann. Auch, wenn man dann wahrscheinlich für einen niedrigeren Preis verkaufen muss.
Die Gründerinnen sind jedoch während der gesamten Diskussion sehr sicher, bleiben keine Antwort schuldig und scheinen eine klare Vision für ihre Business zu haben.
Das beeindruckt die Löwen, so dass – obwohl er zunächst sogar aussteigt – sogar Carsten Maschmeyer in ein Angebot zusammen mit Janna Ensthaler einsteigt. Die Löwen sind begeistert von dem Gründerinnenteam, loben ihre komplementären Hintergründe und ihre Kompetenz – wozu ihre Zahlensicherheit wohl einmal mehr beigetragen hat.
Schlussendlich entscheiden sich die Gründerinnen dann für das Konkurrenzangebot von Nils Glagau und Tillmann Schulz.
Eine Tabellenkalkulation werden sie wohl im nächsten Schritt der Investmentverhandlungen dann noch gebraucht haben – jedoch eine, in der genau das Zusammenspiel und die Unit Economics der verschiedenen Vertriebskanäle ersichtlich sind.
Mit einer für Investoren unbrauchbaren Vorlage aus dem Internet arbeiten diese Gründerinnen ganz bestimmt nicht.
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